
Der Arbeitskreis Gender der Evangelischen Akademie Frankfurt hat den vom Bundesministerium für Bildung, Familien, Senioren, Frauen und Jugend bezuschussten Fachtag Gender, Sexualität und Menschenrechte für Pädagogen in der formalen oder informellen Kinder- und Jugendbildung veranstaltet. So tummeln sich im Workshop ‚Jungen*arbeit – Eine Positionierung gegen Antifeminismus‘ neben anderen ein Grundschullehrer, ein Berufsschullehrer, eine Haupt- und Realschullehrerin, ein Sozialwissenschaftler der Frankfurt University of Applied Sciences, eine Erzieherin in einer Wohngruppe und ein Leiter einer Pfadfindergruppe.
Der Berufsschullehrer spielt in den Sommermonaten einmal in der Woche Tischtennis auf dem Spielplatz in der Günthersburgallee, gleich neben dem Ballplatz. Was hier die Väter mit ihren Söhnen beim Kampf um den Ball für einen Staub aufwirbeln. Wie sie mitkicken, ihre Jungs anfeuern und auch mal zusammenfalten, wenn der Sohn vor dem gegnerischen Tor versagt hat. Nach dem Fußballspiel ist Fachsimpeln angesagt, ein kühles Bier und ein Zigarettchen mit den Kumpels. Und das nicht etwa verdruckst außerhalb des Spielplatzes. „Genau so müssen Väter sein“, denkt sich der Berufsschullehrer, während er zum x-ten Mal einen Treibschlag in das Gitternetz jagt. Doch eines Tages war da eine Betreuerin, die das Spiel der Fußballkids beinahe vollständig zum Erliegen brachte. Sie ermahnte in einer Tour. Ihr war alles zu wild. „Warum hast du ihn angeschossen. Jetzt weint er.“ Da, wo Väter allerhöchstens den Staub von ihren Kindern abwischen, suchte sie nach Schuldigen. Junge Männer hätten es in Bezug auf emanzipierte Frauen schwer ihre neue Rolle zu finden, die sich nicht nur auf „nicht sexistisch, laut, provokant und störend“ reduziert, sagt der Referent, der Jungen (selbst im Kita-Alter!) aufgrund eines angenommenen Patriacharts grundsätzlich in einer Machtposition sieht. Um wirkmächtig zu sein, bliebe ihnen am Ende nur noch der eigene Körper. Aber hat nicht die Betreuerin den Fußballkids gerade ihre Körperlichkeit abgesprochen? Auf jeden Fall machte sie aus einem Jungs-Kampfplatz einen nicht geschlechtsbezogenen Transitraum. Stecken wir die Jungs also besser, banal geschlechterfokussiert, wieder zusammen mit anderen Jungs. Was würde in diesem Fall laut des Referenten erfahrungsgemäß passieren? Sie entdeckten, dass sie Jungen wie andere Jungen sind und wollen auf einmal ihre Identität zeigen. Daher stößt es auf der Fachtagung auf Kritik, wenn Männer Jungenarbeit machen. Ungefährlicher für die schöne neue Welt ist es zweifellos, wenn Cis-Frauen Jungensternchenarbeit machen.
Eines wird auf der Tagung klar: Das Image von Jungen, männlichen Jugendlichen und Männern ist miserabel. Einerlei, ob sie sich traditionell-bürgerlich im Sonntagsstaat mit Familie zu einem Sommerkonzert des Holzhausenschlösschens auf einer Picknickdecke einfinden oder am Hauptbahnhof Offenbach im Bratan-Straßensound kommunizieren. Sie sind immer dran. So präsentiert der Referent das SINUS-Lebensweltenmodell für Jugendliche, das die soziokulturelle Vielfalt der jugendlichen Lebenswelten in Deutschland zu Gruppen Gleichgesinnter verdichtet: den Konsummaterialisten, Prekären, Traditionell-Bürgerlichen, Adaptiven, Experimentalisten, Neu-Ökologischen und Expeditiven. Dabei ist die bürgerliche Normalbiografie immer noch das Leitmotiv vieler Teenager. Ausgerechnet traditionell-bürgerliche Jugendliche seien nun zunehmend offen für rechte Positionen. Da ihnen laut der 5. SINUS-Jugendstudie 2024 „als Konventionalist*innen wichtig ist, dass ihr Freundeskreis aus ‚normalen Leuten‘ besteht?“ Ist „eine Retraditionalisierung/ein Rollback“ mit einer „Reflexionsflucht“ gleichzusetzen, wie sie der Referent den Bürgerlichen vorwirft, weil sie „für eine bessere Gesellschaft ihre Privilegien nicht aufgeben wollen?“ Bäumen sich Männer gerade ein letztes Mal auf, wie es etwa die Hälfte der Wissenschaftler annehmen würde?