Mit „Sozialschädlichkeit“ gegen die Meinungsfreiheit: So versenkt Marco Buschmann die FDP

vor 7 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Gestern stand die FDP am Abgrund, heute ist sie einen Schritt weiter. Der betagte Witz erhält eine diagnostische Schärfe, wendet man ihn auf die selbstverschuldeten Nöte der Freien Liberalen an und Marco Buschmanns Anteil daran.

In jüngsten Umfragen ist die Regierungspartei auf drei Prozent abgestürzt – ein Rückgang um fast drei Viertel der Stimmen seit den letzten Bundestagswahlen. Die „Ampel“ bekommt niemandem so schlecht wie der Partei des Justizministers. Und Marco Buschmann scheint fest entschlossen, die letzten Monate im Amt nach der Devise zu verbringen: Ist der liberale Ruf erst ruiniert, schreddert man die Freiheit dann recht ungeniert.

Justizminister Marco Buschmann sprach Anfang Oktober von „Sozialschädlichkeit“.

Anders ist Buschmanns Schwadronieren über „Sozialschädlichkeit“ nicht zu erklären. Die jüngsten Aussagen im Bundestag, die Versuche, diese zu rechtfertigen, und ganz generell das Engagement für ein Gesetz, das „gemeinwohlschädliche“ Handlungen und Aussagen besonders hart bestrafen will, zeigen die Abkehr der FDP vom eigenen liberalen Anspruch. Buschmann und weiten Teilen der heutigen FDP scheint nicht bewusst zu sein, warum es liberale Kräfte in einem Rechtsstaat braucht: um sicherzustellen, dass der Staat sich auf seine Kernaufgaben konzentriert und nicht über die Ufer tritt. Aus Buschmanns Volten spricht eine kollektivistische Staatsgläubigkeit, die bei Sozialisten besser aufgehoben wäre – und eine Bereitschaft zum moralischen Autoritarismus, die sprachlos macht.

Darüber ließe sich hinwegsehen, wäre die FDP eine Volkspartei. Dann gäbe es einen rechten und einen linken Flügel, die sich wechselseitig in Schach hielten. Davon kann bei einer Drei-Prozent-Partei keine Rede sein. Die FDP war immer die Partei der wenigen wirklich überzeugten Marktwirtschaftler, Selbständigen, Unternehmer, der Freiheitsfreunde. Eine FDP, die in das trübe Geschäft der Staatsvergottung einsteigt, hat das Ticket zur Selbstabschaffung bereits gelöst. Als Verächterin des Individuums reitet sie dem parlamentarischen Untergang entgegen.

Buschmann will ein Gesetz vom Bundestag verabschieden lassen, um „dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“ besser schützen zu können. Im Entwurf spricht der Staat sich selbst die Hoheit über den schillernden Begriff zu. Dem federführenden Justizminister zufolge dient dem Gemeinwohl besonders, wer sich etwa in der „Flüchtlingshilfe“ engagiert. Auch Berufspolitiker und Journalisten sollen sich eines erhöhten Schutzes erfreuen vor „verbalen und körperlichen Übergriffen“, vor „Angriffen sowohl physischer als auch psychischer Natur“, vor „gemeinwohlschädlichen und demokratiefeindlichen Straftaten im analogen und digitalen Raum“ – also ganz konkret auch vor heftiger Kritik durch Bürger.

Im Bundestag setzte Buschmann auf die Gemeinwohlschädlichkeit aus dem Entwurf das nächste illiberale Wortungetüm, die „Sozialschädlichkeit“. Wörtlich sagte der Jurist aus Gelsenkirchen, die Regierung wolle jene Gewalt stärker sanktionieren, „deren Sozialschädlichkeit über die Schädigung des Opfers hinausgeht.“ Wer derart ungebremst von Sozialschädlichkeit redet, ist kein Liberaler; er misst das Verhalten des einzelnen an der Elle der gesellschaftlichen Erwünschtheit und macht so den Staat zum Richter über das Individuum.

Buschmann verrät mit seiner Argumentation liberale Kernpunkte.

Auf diese Weise forderte etwa die untergegangene DDR eine „Einfügung ins Kollektiv“. Der einzelne zählte, falls und sofern er sich gesellschaftlich einbrachte und der Staatsführung unterordnete. Wer unbeugsam blieb, den nannte das Ministerium für Staatssicherheit einen „Hetzer“ oder „Schädling“. Der „Sozialschädling“, den Buschmann mit seiner schrägen Rede implizit beschwört, wäre aus demokratischer Sicht ein Freiheitskämpfer, ein Bürgerrechtler, ein Liberaler reinsten Wassers und also das idealtypische Gegenbild zu Buschmann.

Abgeordnete bei einer Sitzung der Volkskammer der DDR im Juni 1989.

Der wiederum will es ganz anders gemeint haben. Auf X verwies der Minister den Schreiber dieser Zeilen auf eine „populärwissenschaftliche Darstellung zur Einführung“, in der es heißt: Sozialschädlichkeit sei „seit den sechziger Jahren“ ein „Kriterium für die Strafwürdigkeit einer Handlung“. Ein Verhalten sollte nur dann unter Strafe gestellt werden, „wenn es mit den Bedingungen eines friedlichen, freiheitlichen und materiell gesicherten Zusammenlebens der Bürger unvereinbar ist“. Jedoch vermerkt der Auszug aus dem „Metzler Lexikon Philosophie“, der Begriff habe eine „inhaltliche Unschärfe“, weshalb „in neuester Zeit Zweifel an seiner Handhabbarkeit“ aufgekommen seien.

Das ficht Buschmann nicht an: In zwei weiteren X-Nachrichten teilt er mit, „so lernen es die Studenten seit Jahrzehnten“, so stehe es in einem Lehrbuch, das er nicht benennt, nur zitiert: Die Rechtsordnung verbiete „bestimmte sozialschädliche Verhaltensweisen bei Strafe“.

Damit ist das Debakel des Marco Buschmann und der Ruin seiner FDP komplett: Der Minister scheint nicht nur der festen Überzeugung, er halte Bundestagsreden für seinesgleichen, für Juristen und solche, die es werden wollen. Als Volksvertreter, der der Abgeordnete Buschmann auch ist, sollte er aber das ganze Volk im Blick haben. Außerdem stellt Buschmann sich taub für die freiheitsfeindlichen Haupt- und historischen Zwischentöne seines Ansinnens. Es war nun einmal die DDR, die sich vermeintliche „Sozialschädlichkeit“ zunutze machte, um ihr Unrechtssystem zu stabilisieren – und es war das sogenannte Dritte Reich, das gegen „Volksschädlinge“ vorging. Diesen Begriff nahm Buschmann nicht in den Mund, doch er betrat den Echoraum einer abgründigen Geschichte.

Davon abgesehen: Es kann nicht die Aufgabe eines freien Rechtsstaats sein, für bestimmte Journalisten, bestimmte Politiker, bestimmte Aktivisten einen Schonraum der Meinung zu schaffen, wo sie mit bestimmten Ansichten gar nicht erst konfrontiert werden. Erst recht nicht dürfen Politiker, die sich liberal nennen, die Belange eines von ihnen definierten Gemeinwohls über die Rechte des Individuums stellen.

Um einigermaßen sicher im nächsten Bundestag vertreten zu sein, müsste sich die FDP von ihrem aktuellen demoskopischen Tief aus verdoppeln. Mit der Methode Buschmann ist es eine weitere Halbierung wahrscheinlich geworden.

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