Mit Warren Buffetts Abtritt geht ein amerikanischer Ruhepol

vor etwa 10 Stunden

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Bildquelle: Apollo News

Nach über sechs Jahrzehnten an der Spitze von Berkshire Hathaway ist zum Ende des Jahres Schluss: Investment-Legende Warren Buffett tritt zurück. Der 94-Jährige überstand Börsenstürme und geopolitische Gewitter, indem er die Bretton-Woods-Ordnung in eine konsistente Portfoliostrategie übersetzte.

Im Grunde genommen, war alles wie jedes Jahr: Etwa 20.000 Berkshire-Aktionäre füllten das CHI Health Center in Omaha, Nebraska, bis auf den letzten Platz – die jährliche Jahreshauptversammlung von Berkshire Hathaway stand an. Das in Börsenkreisen als „Woodstock“ der Investoren bekannte Event präsentiert sich traditionell als Parcours-Ritt durch die amerikanische Wirtschaft. Auf der begleitenden Ausstellung der Berkshire-Investments findet sich, was beim amerikanischen Verbraucher hoch im Kurs steht: Apple, Coca-Cola, Kraft Heinz oder American Express – das ganze wirkt wie eine Konsumgütermesse der nationalen Markenführer.

Hier gehen Privatanleger und Investoren gleichermaßen sicher, dass man sich in Omaha treu geblieben ist: konservativ-geerdet, amerikanisch und stets am Puls des Konsumenten – so wird im Blackstone Plaza, dem Sitz der Berkshire Holding, das Investorengeld gemanagt.

Diese Strategie bescherte der Berkshire-Aktie seit der Umwandlung vom Textilunternehmen in einen Investmentfonds im Jahr 1962 einen Anstieg von sagenhaften 4,4 Millionen Prozent. Der Kurs der nie gesplitteten Originalaktie erreichte zuletzt die Marke von 800.000 US-Dollar – noch ein Wert für das Guinessbuch der Rekorde. Zum Vergleich: Der breite Aktienindex S&P 500 legte im selben Zeitraum „nur“ um 31.000 Prozent zu.

Beenden wir an dieser Stelle die Zahlenspiele und kehren zurück nach Omaha. Dort dürfte den Besuchern der Hauptversammlung schnell klargeworden sein, dass man am 3. Mai 2025 eine Zäsur erlebte: Warren Buffett erklärte im Alter von 94 Jahren seinen Rücktritt vom Vorstandsvorsitz. Zum Jahresende soll der 62-jährige Kanadier Greg Abel, derzeit Vice Chairman für das Nicht-Versicherungsbusiness, die Geschäfte übernehmen. Daran werden sich viele erst gewöhnen müssen, denn Buffett ist eine Börseninstitution, ein Ruhepol im hektischen Betrieb der Wall Street, zu der er nicht nur räumlich durch seinen Sitz im fernen Nebraska in sichere Distanz getreten war.

Buffett prägte die Investmentlandschaft in den 63 Jahren seines Wirkens wie kaum ein anderer. Und er folgte einer klar konturierten Strategie: Schwerpunktmäßig drehte sich alles um Aktieninvestments in Marktführer aus den USA, Anleihen wurden beinahe vollständig von der Liste gestrichen und die Barposition des Fonds den Wellen des Kreditzyklus angelehnt. Berkshire cashte Teile seiner Investments aus, wenn es strategisch geboten oder wenn der Kreditmotor der Ökonomie heißgelaufen war.

Dieses wohltemperierte Changieren zwischen US-Dollar-Reserven und aggressivem Aufbau von Aktienpositionen nach Kursrücksetzern hat die Performance des klassischen Investmentportfolios von 60 % Aktien und 40 % Anleiheanteil um Längen geschlagen. Das tiefe Verständnis von ökonomischen Zyklen, Branchenwachstum und spezifischer Unternehmensbewertung entwickelte sich zu einer unschlagbaren Mesalliance, die zahlreiche treue Aktionäre zu Millionären machte.

Buffett, mit einem geschätzten Vermögen von 160 Milliarden US-Dollar die Nummer 5 unter den reichsten Menschen der Welt, blieb sich zeitlebens treu. Sein konservativer Investmentstil findet auch in seinem Alltag sein Echo: keine Skandale, drei Kinder gingen aus zwei Ehen hervor. Und Buffett lebt noch immer in dem Haus, das er 1958 in Omaha erwarb. „Kontrollierte Offensive“ hieße diese Strategie wohl im Fußballjargon.

Buffetts Fokus lag auf seiner Investmentthese: Eingebettet in die Nachkriegsordnung von Bretton Woods, setzte Buffett auf den dominanten Heimatmarkt der USA. Und er lag damit goldrichtig. Die Dominanz des US-Dollars ist bis auf den heutigen Tag ungebrochen, er gilt noch immer als Fluchtwährung in Krisenzeiten. US-Firmen wie Apple, Domino’s Pizza oder Chevron dominieren die Aktienmärkte in ihren jeweiligen Segmenten, auch, weil der amerikanische Gesetzgeber einen Kapitalmarkt bereitstellte, der ausländisches Kapital mit offenen Armen empfing.

Kurz gefasst, lautet Buffetts Ordnungsrahmen wie folgt: Kapital ist mobil, die USA bieten ein offenes Marktsystem, das Liquidität und Wachstum miteinander kombiniert. Zudem stand die heimische Währung als Cashpuffer nie im Verdacht, stärker abzuwerten als ihre Konkurrenten auf dem geopolitischen Schachbrett.

Diese Stabilität garantierte die interventionistische Außenpolitik der Vereinigten Staaten über die Jahrzehnte hinweg, ohne auch nur den geringsten Zweifel aufkommen zu lassen. Berkshire avancierte so zu einer Art Meta-Investmentstruktur, die es Privatanlegern im Rahmen des vom Gesetzgeber geförderten Aktiensparens erlaubte, auch mit kleinem Geld in den heimischen Standort als Ganzem zu investieren.

Berkshire profitierte auch von einer weiteren Erkenntnis: Dass Investmenterfolg neben der analytischen Seite auch eine systemische Komponente kennt. Diese findet sich im Design der globalen Geldordnung. Mit dem Ende des Goldstandards 1971 (Nixon Schock) setzte weltweit eine beschleunigte Kreditschöpfung ein. Seitdem wächst die globale Geldmenge M2 (Bargeldumlauf, Sichteinlagen sowie kurzfristige Spareinlagen) jährlich um durchschnittlich 6,9 %.

Der Fiat-Standard, oder: die Kreditschöpfung ohne vollständige Deckung mit Sicherheiten wie Gold oder Rohstoffen, erzeugt Wellen von Liquiditätsschwemmen. Diese schlugen sich in den nominellen Bewertungen von Vermögenswerten wie Aktien nieder – der Liquiditätsüberschuss transformierte Gebrauchsassets wie Immobilien in „Spardosen“ zum Schutz der Kaufkraft vor der fortschreitenden Geldentwertung. Buffett erkannte diesen Liquiditätsmechanismus und betrieb mit seinem Investmentstil eine Form von „Front-Running“ der Gelddruckmaschine.

Die Übergabe der Geschäfte geschieht in einer Zeit großer geopolitischer Verwerfungen. Mit seinem Zollvorstoß hat US-Präsident Donald Trump offengelegt, was lange unter der Oberfläche gärte: eine Krise der US-Staatsanleihen als global akzeptiertes Sicherheitsobjekt. Die Märkte preisen nun neue Risikoprämien in die unterschiedlichen Vermögensklassen ein. Volatilität an den Börsen steigt und Staaten, Notenbanken und große Kapitalsammelstellen richten ihr Augenmerk verstärkt auf Safe-Haven-Assets wie Gold und Bitcoin. Die Kapitalrotation in diese Vermögensklassen erfolgt unter dem Gesichtspunkt der Reduktion des Kreditausfallrisikos, das mit der wachsenden globalen Verschuldung wie ein Sprengsatz unter klassischen Portfoliostrukturen versteckt liegt.

Bereits im Zuge der Corona-Lockdowns und der expansiven Geldpolitik erkannte Warren Buffett die heraufziehende Inflationsgefahr und positionierte Berkshire Hathaway kurzfristig im Goldsektor. 2020 investierte man in den Minenkonzern Barrick Gold – ein bemerkenswerter Schritt für den traditionell goldskeptischen Buffett. Doch bereits im vierten Quartal desselben Jahres trennte sich das Unternehmen wieder von diesem Engagement.

Das plötzliche Goldengagement sowie der spontane Rückzug aus dem Edelmetallinvestment wirken im Nachhinein wie das Eingeständnis in eine heraufziehende Systemkrise des Geldes. Allerdings wollte sich das Team um Buffett möglicherweise nicht eingestehen, dass der Regelbruch, also die radikale Abwertung des Dollar-Kollaterals, bereits vollzogen war, dass es möglicherweise ein unumkehrbarer Regime-Change war.

Die Frage steht im Raum, wie die neue Führung unter veränderten globalen Vorzeichen mit Safe-Haven-Assets verfahren wird. Setzt man in Omaha auch künftig auf die Fähigkeit der US-Politik, Staatshaushalte und fiskalische Rahmenbedingungen im Sinne der freien Marktwirtschaft konsolidieren zu können? Und vertraut man auf ein wirtschaftliches Comeback der USA unter Präsident Trump?

Finanzanalysten, Medien und Politik werden den strategischen Entscheidungen der neuen Führung unter Greg Abel mit Argusaugen folgen. Aber auch für die über eine Million Berkshire-Aktionäre weltweit beginnt mit Buffetts Rückzug ein neues Kapitel, das sich mit der Hoffnung verbindet, die kontrollierte Offensive, die die Firma stark gemacht hat, auch in der sich neu ordnenden Finanzwelt mit Erfolg ausspielen zu können. Die Hauptversammlung endete mit einem kryptischen Zitat des Orakels von Omaha.

Buffett kommentierte die jüngsten Ereignisse der Handelspolitik und die akuten Krisen dieser Zeit mit einem Fingerzeig: „Es könnte sein, dass Dinge in den Vereinigten Staaten passieren, die uns dazu bringen, eine Menge anderer Währungen zu besitzen.“ Wir werden sehen, wie sich diese deutliche Warnung in den kommenden Monaten im Berkshire-Portfolio materialisiert.

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