Mitgliederbefragung: Neue Regierung zur Geisterstunde

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die Welt bricht in die Moderne auf. In den USA fliegen Privatleute auf eigene Rechnung ins Weltall. Das kleine Litauen verwaltet sich digital und fördert die Online-Kompetenzen seines Nachwuchses. Nur in Europa gibt es ein Dorf namens Deutschland, das sich der Zukunft widersetzt: Hier greifen die dauerregierenden Sozialdemokraten zu Stift und Zettel, schreiben darauf, ob sie für die Regierung mit CDU und CSU sind, bringen den dann zur Post, schicken ihn ab und warten… Dann kommt der Zettel irgendwann bei der SPD an, ein Dutzend Mitarbeiter zählt ihn mit den anderen Zetteln zusammen aus und – zack – hat Deutschland eine neue Regierung. Was in Litauen zwei Stunden dauern würde, zieht sich hierzulande zwei Wochen hin. Die Art, wie die SPD über die Regierungsbildung abstimmen lässt, sagt alles über den Charakter dieser neuen Regierung aus: gut gemeint, altmodisch, umständlich und damit am Ende schlecht gemacht.

Niemand, wirklich niemand in Berlin rechnet damit, dass sich die Genossen gegen die Dienstwagen entscheiden, gegen die Möglichkeit, Genossen im öffentlichen Dienst unterzubringen oder gegen die Etats für die staatlich finanzierten NGOs. Aber die Partei nutzt es zur Inszenierung des “Narrativs” Basisdemokratie. Um Mitternacht ist die Mitgliederbefragung beendet, am Morgen danach verkünden Lars Klingbeil und Saskia Esken das Ergebnis, aber darüber hat bereits vorab ein Medium berichtet. Vermutlich das RND oder der Tagesspiegel. Die feiern das dann heftig als Ergebnis einer Exklusiv-Recherche und wehren sich noch heftiger gegen den Vorwurf, Verlautbarungsorgane der SPD zu sein. So öde kann Politik-Theater sein.

Die Mitgliederbefragung ist die vorletzte Hürde auf dem Weg zur Kanzlerschaft von Friedrich Merz (CDU). Am kommenden Dienstag, 6. Mai, wählt ihn dann der Bundestag. Eigentlich liegen die Sitzungstermine am Ende der Woche. Aber dann wären die Kanzlerschaft Merz und der Jahrestag der deutschen Kapitulation zusammengefallen. Und so viel Sinn für schlechte Symbolik haben CDU, CSU und SPD dann doch noch, das zu vermeiden. Zwischendrin stellt die SPD noch ihre Ministerriege vor. Offiziell am Montag. Also hat sie vorab schon ein Medium exklusiv. Vermutlich der Tagesspiegel oder das RND. Spätestens am Sonntag, vermutlich aber schon am Donnerstag, dem Tag der Arbeit.

Das wird toll. Eil, eil, eil: Lars Klingbeil wird Finanzminister. Exklusiv, exklusiv, exklusiv: Boris Pistorius bleibt Verteidigungsminister. Politik-Theater kann so spannend sein. Dazu kommen noch eine Frau, ein Ostdeutscher und mindestens ein Mensch mit Migrationshintergrund.

Im Idealfall findet die SPD jemanden, der alle drei Eigenschaften in sich vereint. Also quasi ein politisches Überraschungs-Ei.

Interessant wird lediglich, wie die SPD ihre gescheiterten Frauen versorgt: Innenministerin Nancy Faeser, die so erfolgreich gegen Rechts kämpft, dass immer mehr Bürger die AfD wählen wollen. Klara Geywitz, die als zuständige Ministerin den Wohnungsbau ankurbeln wollte, worauf der eingebrochen ist. Und als Krönung: die Parteivorsitzende Saskia Esken. Die wollen alle politischen Vertreter in Talkshows sehen. Also zumindest die Vertreter, die es mit der CDU, der CSU, der AfD, den Grünen oder den Linken halten. Die SPD hat sich eine Frauenquote für die Vergabe von Chefposten vorgenommen – und warum dann nicht die Parteivorsitzende?

Die Antwort auf die Frage führt ebenfalls für zur Antwort auf die Frage, warum Deutschland in einem so desolaten Zustand ist, nachdem die SPD 23 der letzten 27 Jahre regiert hat: Wenn die SPD schon Frauen in die Regierung bringen will, was spricht dann gegen die eigene Vorsitzende? Nun, es ist Saskia Esken, die dagegenspricht. Sie wirkt inkompetent und aus der Zeit gefallen, versucht das aber durch ein mürrisches Wesen zu verkaufen. Saskia Esken ist ein entscheidender Grund dafür, warum die SPD auf 16 Prozent gefallen ist. Und trotzdem ist sie im sechsten Jahr die Vorsitzende der Partei. Eine Partei, die sich von solchem Personal in der Führung nicht verabschiedet, führt unweigerlich zu solch schlechten Ergebnissen für ein Land, wenn sie wie die SPD in 23 von 27 Jahren regiert.

Saskia Esken kommt aus einem schwachen Landesverband der SPD: Baden-Württemberg. Eigentlich müsste der froh sein, über eine Bundesvorsitzende zu verfügen. Trotzdem hat der Landesverband sie nicht für die Wiederwahl nominiert. Rechtliche Bedeutung hat das nicht. Das ist nur eine Geste. Doch eine vielsagende über die Qualität der Politikerin Saskia Esken. Und ein Symbol dafür, in welchen Zustand eine Partei ist, die sich eine erwiesenermaßen schlechte Politikerin seit Jahren als Vorsitzende hält. Macht die SPD Esken trotzdem zur Bundesministerin, würde sie zeigen, dass Erfolg in der Partei nichts gilt. Dass die Partei den Wählerwillen komplett zu ignorieren bereit ist. Dass sich die SPD in der Außenwirkung aufgegeben hat. Kurzum: Dem Ministeramt für Saskia Esken steht eigentlich nichts mehr im Weg.

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