
Ein „beliebtes und effektives Mittel der Einschüchterung“ – so bezeichnete die Zeit 2019 das Phänomen des Doxings in einem Artikel. Doch eine solche Verurteilung gilt offenbar nicht im Kampf gegen Rechts. Zumindest sah man bei der Zeit jetzt, sechs Jahre später, offenbar kein Problem, zusammen mit dem ZDF-Satiriker Jan Böhmermann persönliche Informationen des bisher anonymen Youtubers „Clownswelt“ öffentlich zu machen – seinen echten Namen zu nennen und seine Familie und Bekannte zu konfrontieren (Apollo News berichtete).
2019 erklärte die Zeit den Begriff Doxing noch folgendermaßen: „Abgeleitet von der englischen Abkürzung für Dokumente (docs beziehungsweise dox) bezeichnet es das Zusammentragen und Veröffentlichen personenbezogener Daten im Internet, zumeist mit bösartigen Absichten.“ Die Arbeit von Doxern sei mit derjenigen von Journalisten oder Polizisten vergleichbar, die verfügbare Daten über eine Person zusammentragen. „Mit dem Unterschied, dass die sogenannten Doxer ihre Ziele einschüchtern oder belästigen wollen“.
„Je freizügiger die Menschen mit ihren Daten umgehen, desto einfacher ist es, diese Daten auch zu sammeln. Das entschuldigt nicht das Doxing, erleichtert es aber.“ Einfach war es beim Youtuber „Clownswelt“ nicht. Die Zeit und Böhmermann ließen extra eine wissenschaftliche Stimmanalyse durchführen, ehe Marc-Philipp L. öffentlich bloßgestellt wurde. Sie nutzten ein Foto, das er geteilt hatte, um ihn in einer extrem aufwendigen Recherche über seine Halskette zu identifizieren.
Das hielten sie offenbar für gerechtfertigt, weil der Youtuber ein „rechtsextremer Internetpropagandist“ und Teil der „rechtsextremen fünften Kolonne der AfD“ sei – so drückte es Jan Böhmermann in seiner Sendung ZDF Magazin Royale am Freitag aus. Im Zeit-Artikel heißt es am gleichen Tag: „Er erreicht Hunderttausende Menschen, weit mehr als manche Lokalzeitung. Das öffentliche Interesse überwiegt deshalb den Wunsch nach Anonymität“.
Die Zeitung wirft ihm vor, „in seinen Beiträgen trans Personen, Geflüchtete, queere Menschen und Frauen“ zu diffamieren. „Warnungen vor den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels nennt er Panikmache. Greenpeace ist für ihn ein ,Extremistenverein’. Der Bundesregierung unterstellt er, dass sie monogame Liebe, Treue und Kinder verachte.“ Und das für die Zeit vielleicht Schlimmste: „In seinen Videos kritisiert Marc-Philipp L. häufig Fernsehsendungen der öffentlich-rechtlichen Programme oder die Pandemie-Maßnahmen der Bundesregierung.“
Die Familie wurde von Böhmermanns Team aufgesucht. Die Mitglieder der Band, in der der Youtuber war, haben sich wegen der Recherche von ihm getrennt. Was die Zeit einst verurteilte, das Veröffentlichen persönlicher Daten gegen den Willen der Betroffenen und die Einschüchterung, betreibt sie nun also selbst. Und sieht sich dabei moralisch auch noch im Recht.