
Luisa Neubauer war auf der Berlinale 2025 – denn natürlich war sie das, sie ist doch überall außer im Hörsaal. Ihren Auftritt vor den Kameras nutzte sie für ein politisches Statement. Sie trug ein edles, weißes und figurbetontes Seidenkleid mit Wasserfallkragen, doch die schlichte Eleganz wird durch etwas durchbrochen, das auf den ersten Blick aussieht wie ein Aufdruck – von der Welt sehr treffend als „Copyshop-Couture“ bezeichnet – und bei näherem Hinsehen wohl ausgeschnittene und aufgeklebte Filzbuchstaben sind.
In Schwarz steht da: „Donald & Elon & Alice &“ und dann in Grau darunter „Friedrich?“. Eine Rückseite hat das Kleid auch: „Democracy dies in daylight“, zu Deutsch: „Demokratie stirbt bei Tageslicht“. Es ist nicht ihre erste Aktion dieser Art. Auf dem Bundespresseball Mitte Januar kam sie noch in einem schwarzen, schulterfreien Kleid, auf das in Weiß „HOT HOTTER DEAD“, zu Deutsch: „Heiß, heißer, tot“ aufgedruckt war, auf ihrer Schulter dann ein kleines temporäres Tattoo: „2024: 1,6 Grad“.
Nein, was sind die Medien nicht hin und weg. Vom Spiegel bis zur Vogue, alle berichteten über das mutige Statement von Luisa Neubauer. In einem Pressestatement, das Neubauer vorab der Vogue Germany zuspielte, erklärte sie, die ersten drei Vornamen – natürlich sind hier Donald Trump, Elon Musk und Alice Weidel gemeint – seien bewusst „als Provokation gewählt. Sie repräsentieren eine gefährliche Dynamik aus autoritären Tendenzen, rechtsextremer Normalisierung und Klimazerstörung.“ Der Spruch zur sterbenden Demokratie soll klarmachen, dass „demokratische Erosionen“ nicht mehr im Geheimen geschehen würden, „sondern sichtbar, mitten am Tag, während alle zusehen.“
Dass der Vorname von Friedrich Merz grau ist, soll ihm wohl eine Art Ausweg geben aus dem, was sie als „Dammbruch“ und „erschreckendes Warnsignal“ bezeichnet. „Er hat bewusst Mehrheiten mit der AfD in Kauf genommen – und damit eine politische Grenze verschoben, die nicht verschiebbar sein darf.“ Bei der Vogue rennt Luisa Neubauer damit offene Türen ein. Sie bezeichnet es als „ein wichtiges Statement für die Demokratie“.
Im Matsch gegen die Klimakrise demonstrieren bei Tag, in Designer-Kleidern über den roten Teppich bei Nacht – Luisa Neubauer lebt den Barbie-Traum, von dem kleine Mädchen träumen. Zumindest die der nächsten Generation, denn man muss ja annehmen, dass die durchweg politisch gefärbten Kindersendungen ihren Effekt haben werden. Es wirkt erst einmal wie eine ungewöhnliche Kombination.
Klimaaktivismus – überhaupt Meteorologie oder Aktivismus – ist nichts, was man mit Glamour verbinden würde. Man denkt an dicke Hornbrillen, Rasterlocken, Strickwesten, Pamphlete und seltsame verwaschene Grüntöne. Models auf der anderen Seite sind eigentlich dafür bekannt, weder was im Magen noch was im Kopf zu haben. Und doch kann Luisa beides.
Sie würde wahrscheinlich bestreiten, dass sie ein Model ist. Sie selbst bezeichnet sich viel lieber als Bestseller-Autorin. Doch man kann nur eine bestimmte Anzahl an Fotoshootings für Modezeitschriften machen, extra für sie angefertigte Designerkleider tragen und auf den roten Teppichen dieser Welt vorführen, egal was da vorne oder hinten drauf steht. Zumal das Kleid nicht einmal Luisas eigene Idee war. Die stammt von Claas Engels, der das Projekt mit der Designerin Johanna Perret und der Stylistin Leena Zimmermann als Creative Direktorinnen umsetzte – eingekleidet, wie ein Model eben.
Inspiriert sind die Kleider-Protestaktionen wahrscheinlich von der US-amerikanischen Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez. Jedenfalls verfolgte das Statement-Kleid, das sie 2021 zur Met Gala trug, genau das gleiche Konzept. Auf dem angesagtesten und exklusivsten Ball der Modeszene trug sie ein schulterfreies, tailliertes Ballkleid, auf dessen Rückseite vom unteren Rücken bis über den Po in knallrot „TAX THE RICH“ prangerte.
Bei ihrem Auftritt auf dem Presseball erklärte Neubauer ihre Aktion: „Mit diesem Kleid bringen wir die Klimakrise dorthin, wo sie hingehört: ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Das machen wir auf kreativem Wege, mit ungewöhnlichen Stilmitteln und der Macht der Mode.“ Das klingt so uneigennützig. Schon AOC hatte damals so getan, als hätte sie mit den anderen Gästen der Met Gala, den Kardashians, den Topmodels und Hollywood-Schauspielern gar nichts zu tun.
Und doch entscheiden sie sich nicht dazu, die Veranstaltungen medienwirksam zu boykottieren. Das würden sie wohl damit begründen, dass sie so nicht die gleiche Aufmerksamkeit bekommen würden, vielleicht glauben sie das auch und vielleicht haben sie sogar recht. Doch sie können beide nicht erzählen, dass das der einzige Grund ist.
Als junge hübsche Frau sticht man mit politischem Engagement hervor. Und ist damit sehr erfolgreich. Luisa Neubauer geht auf die exklusivsten Bälle, lässt sich regelmäßig von einer Stylistin einkleiden, die sonst die größten Stars aus Film und Fernsehen in Cartier, Prada, Dior und Chanel einkleidet, sie kennt in der Politik, im Journalismus und im Entertainment alles, was Rang und Namen hat. Sie war schon an den schönsten Urlaubsorten. Sie genießt den Luxus, die Anerkennung und die Aufmerksamkeit, die ihr das gibt.
Auf beiden Seiten – der des Aktivismus und der der Mode – sticht sie als etwas Besonderes hervor. Im Aktivismus mit ihrem Aussehen und ihrer antrainierten Ausstrahlung, die sie zur unangefochtenen Spitze von Fridays for Future in Deutschland gemacht haben – ihr Erfolg ist sogar nachhaltiger als der von Gründerin Greta Thunberg. In der Mode gibt es dagegen viele hübsche Gesichter, doch hier gilt sie als intelligent, gebildet, meinungsstark und bewundernswert. Und das, obwohl ihr Trump, Musk, Weidel und Merz Vergleich nicht nur hinkt, sondern gar nicht laufen kann.
Doch dem Klimaaktivismus mit Abstechern in linke Positionen zu anderen Themen hat sie sich auch ein gutes Gebiet ausgesucht. Es gilt als neutrale, unangefochtene Wahrheit und alle Erkenntnisse sind bereits bekannt. Alles was sie machen muss, ist sich das, was alle sagen, kurz und knackig auf ihren Busen nähen zu lassen und schon sind in ihrer Szene wieder alle hellauf begeistert. Denn etwas haben Klimaaktivismus und das Modeldasein dann eben doch gemeinsam: Inhaltsleere und Selbstdarstellung.