Moloch Staat: regeln statt fördern

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Regulator ist keine bayerische Starkbiersorte, sondern ein anderes Wort für Regierungsmitglied. Denn Regierungshandeln bedeutet in Deutschland in erster Linie Reglementierung. Von was auch immer. Regulieren ist die übliche Methode, eine Gesellschaft zu lenken. Der Regulator sitzt selbst nachts aufrecht im Bett und lauscht dem Schrei nach dem Gesetzgeber. Immer ist irgendwo einer zu hören.

Die Regierenden und die sie tragenden Parteien messen ihren Erfolg ganz und gar am Ausstoß neuer Gesetze, Richtlinien und Vorschriften. Nur in Ausnahmefällen ist die Regierung bereit, vorhandene Regeln durch andere Regeln zu ersetzen. Eine Regulierung auszusetzen oder gar ersatzlos abzuschaffen, haben die Regierenden nicht auf dem Schirm. Deregulierung bedeutet in ihrem verschrobenen Verständnis die Schwächung des Staates. Wo Regulieren zum eigentlichen Zweck des Regierens wird, ist Überregulierung unvermeidlich. Da jede Regel Lücken aufweist, schreit jede Regel nach neuen Regeln. Viele Gesetze sind hierzulande wie aus Stein gemeißelt. Und noch jeder Kanzler hat sich in seinen feuchten Träumen für Moses gehalten.

Dass der Staat stark zu sein habe, ist der einzige Grundsatz, in dem sich Regierende und Opposition einig sind. Dabei verwechseln sie jedoch einen starken Staat mit einem (über)regulierten Staat. In Wahrheit ist der notwendigerweise bürokratische Monsterstaat schwach. Er lenkt davon ab, dass er die wenigen Kernaufgaben, für die man ihn wirklich braucht – innere und äußere Sicherheit, Vorsorge, Infrastruktur – vernachlässigt. Der wirklich starke Staat setzt nur den großen Rahmen, die Ordnung, die alle Staatsbürger in größtmöglicher Freiheit nutzen sollten. Ordnungspolitik wurde jedoch abgelöst von der Praxis des Gouvernantenstaats. Dauernd ermahnt er den Bürger und haut ihm auf die Finger.

Ein großes Missverständnis besteht in der allgemein akzeptierten Auffassung, nur Bürger (und ihre Vereinigungen) könnten gegen Gesetze verstoßen. Der Staat aber verstößt dauernd gegen die eigenen Regeln – und die Grundwerte – ohne dafür haftbar gemacht zu werden. Oft wird die Regel zu Willkür. Die Beispiele reichen von den Coronamaßnahmen (nicht zu reden von deren Missbrauch durch Spahn & Co.) bis zu den systematischen Einengungen der Meinungsfreiheit („Hass & Hetze“, Delegitimierung des Staates). Es sind keine Ausnahmen, der Staat vergreift sich systematisch am Bürger (den der Steuerstaat fortwährend enteignet). Die Verfassung sollte alle Bürger vor der Übergriffigkeit des Staates schützen. In Wahrheit schützen die meisten Gesetze die Regierenden vor den Bürgern. Wo reguliert wird, muss überwacht werden. Der Staat unterhält eine gigantische Überwachungsbürokratie.

Zu den Standardphrasen der politischen Rede, nicht bloß sonntags, gehört in Deutschland, dass Freiheit nur in Grenzen zulässig sei. Der sogenannte freiheitlich-demokratische Rechtsstaat ist stolz auf das Dogma, wonach Freiheit nur im Rahmen eines engen Regelwerks möglich sei. Das Ziel ist die Gleichschaltung der Bürger. Deshalb ist das Bekenntnis, Leistung müsse sich lohnen, verlogen. Wer die Leistungsbereitschaft fördern will, muss auf Reglementierung verzichten. Der Staat setzt dem Leistungsbereiten unentwegt neue Pflichten und Auflagen in den Weg. Er behauptet, Gleichheit und Gerechtigkeit schaffen zu wollen. Am Ende erscheint das, was an Freiheit übrig bleibt, als Privileg – also als etwas, was wegreguliert werden muss. Regulatoren hassen Privilegien, es sei denn, es handelt sich um die eigenen.

Reglementierung ist Machtausübung – und damit Teil einer großen Täuschung. Dem Regulierten wird vorgegaukelt, das Gesetz schütze ihn. Jede vermeidbare Regel aber bedeutet Freiheitsentzug. Der Bürger, der nicht frei handeln darf, kann letztlich auch nicht frei denken. Der Bürger soll nicht begreifen, sondern folgen. Vielleicht ist auch deshalb das Bildungssystem in der Krise. Der regulierende Staat braucht keine verantwortungsvollen, also notwendigerweise gebildeten Bürger. Er braucht Untertanen. Es reicht, wenn er Vor-Schriften lesen kann. Vor „Sozialuntertanen“ warnte einst Ludwig Erhard. Der Staat hat sie längst geschaffen. Man muss das im Zusammenhang sehen: Das ständige Bekenntnis zur Entbürokratisierung ist ebenso unglaubwürdig wie die Forderung nach Bildungsreform. Bürokratie und Volksverblödung sind zwei Seiten derselben Medaille.

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