Mord an Philipos: Verteidiger spricht von Rassismus bei Ermittlungen

vor 2 Monaten

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Bildquelle: Apollo News

Es ist ein Verhandlungstag, der kaum jemanden unberührt lässt. Vor dem Landgericht Bielefeld geht es um den gewaltsamen Tod von Philippos Tsanis, einem 20-jährigen jungen Mann, der im Juni 2024 brutal zusammengeschlagen wurde und zwei Tage später starb.

Der Angeklagte ist der zum Tatzeitpunkt 18-jährige Syrer Mwafak A., vertreten wird er von Strafverteidiger Burkhard Benecken. Dieser hatte am Freitag vor Gericht eine Erklärung seines Mandanten verlesen, in der dieser andeutete, er könne gezielt als Täter präsentiert worden sein: „Da passt der Syrer doch bestens ins Bild!“ Die Staatsanwaltschaft reagierte empört. Von einer „üblen, bodenlosen Unterstellung“ war die Rede, von einem Vorwurf, wie ihn der Staatsanwalt in seiner Laufbahn noch nie erlebt habe.

Benecken hingegen hält an seiner Kritik an den Ermittlungen fest. Er sieht Hinweise darauf, dass die Polizei einseitig ermittelt und andere Verdachtsmomente ignoriert hat. Insbesondere der Mitangeklagte Nick R. rückt in seinen Fokus – er habe nach der Tatnacht auffällige Google-Anfragen gestellt und sei mit Insiderwissen aufgefallen. Dennoch beteuert Benecken später, dass er den Rassismusvorwurf in seiner Erklärung lieber gestrichen hätte. „Ich habe es übersehen. Ich möchte das auch gar nicht rechtfertigen.“

Auch der Vorsitzende Richter Carsten Glashörster beschäftigt sich noch einmal mit den Vorgängen des vergangenen Prozesstages. Seine Einschätzung ist eindeutig: Die Behauptungen in der Einlassung von Mwafak A. seien „mit dem Akteninhalt nicht wirklich in Einklang zu bringen“. Doch seine Worte richten sich nicht nur an den Hauptangeklagten. Auch Nick R., der sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert hat, wird eindringlich aufgefordert, zu sprechen. „Je früher, desto besser“, mahnt Glashörster. Wer erst am Ende des Prozesses rede, hinterlasse einen weniger glaubwürdigen Eindruck. R. berät sich mit seinem Anwalt, der anschließend erklärt, sein Mandant könnte aussagen – aber nicht heute.

Als der rechtsmedizinische Gutachter zu Wort kommt, verändert sich die Stimmung im Saal. Richter Glashörster kündigt an, die Aufnahmen der Obduktion zeigen zu lassen. Er gibt allen Anwesenden die Möglichkeit, wegzusehen. Philippos’ Vater kann nicht bleiben – er verlässt den Saal. Seine Mutter hingegen bleibt sitzen und blickt auf die Bilder, die das brutale Ende ihres Sohnes dokumentieren.

Laut dem Rechtsmediziner erläutert könne ein einzelner Faustschlag nicht ausgereicht haben, um die tödlichen Kopfverletzungen zu verursachen. Vielmehr deuteten die Brüche darauf hin, dass Philippos nach dem ersten Schlag zu Boden ging und dort weiter attackiert wurde. Spuren auf der Haut lassen vermuten, dass mindestens ein Tritt mit einer Schuhsohle ausgeführt wurde.

Nach einer kurzen Pause wird der Blick auf den Menschen hinter dem Opfer geworfen. Philippos‘ Eltern werden gebeten, über ihn zu sprechen. Sein Vater, Dimitris Tsanis, schildert ihn als liebevollen, ruhigen Jungen mit einer besonderen Wärme. „Ich nenne ihn meinen Engel“, sagt er. Seit dem Tod seines Sohnes sei er in psychologischer Behandlung. Er hoffe, dass alle Angeklagten aussagen, damit er endlich abschließen könne. „Mein Wunsch ist, dass es bald vorbei ist.“

Seine Mutter Joanna beschreibt einen jungen Mann, der sich für Musik begeisterte und gerade seinen Platz im Leben gefunden hatte. Er hatte eine Ausbildung im Hotelgewerbe begonnen, seine neue Wohnung war noch nicht vollständig eingerichtet. Es war der Beginn eines neuen Kapitels – das brutal beendet wurde.

Besonders eindrücklich schildert sie die Nacht des Verbrechens. Am 22. Juni hatte Philippos’ Schwester ihren Abiball gefeiert, und er war einer der wenigen Gäste, die sie mitnehmen durfte. Es war ein ausgelassener Abend, mit Wodka-Shots und Musik. „Das war das erste Mal, dass wir auf einer Feier zusammen getanzt haben“, erinnert sich die Mutter.

Doch während seine Familie noch im Festsaal war, verließ Philippos die Veranstaltung mit zwei Freunden. Wenige Minuten später stand ein Rettungswagen vor dem Gebäude. Sein ebenfalls attackierter Freund war blutverschmiert, auf dem Boden lag Blut. In Panik versuchte Joanna, von den Polizisten Informationen zu bekommen, während ihre Tochter – eben noch im Freudentaumel der Schulabschlussfeier – nicht verstand, was geschehen war.

Im Krankenhaus angekommen, mussten die Ärzte bereits um das Leben ihres Sohnes kämpfen. „Ich habe noch gesehen, wie Philippos mit blutenden Ohren aus dem CT gefahren wurde“, sagt sie leise. „Für mich war klar, dass mein Sohn das nicht überlebt.“ Zwei Tage später wurde er für tot erklärt. An diesem Tag hätte er eigentlich seine Führerscheinprüfung gehabt.

Zum Abschluss ihrer Aussage richtet sich Joanna Tsanis direkt an Nick R. Sie bittet ihn inständig, zu erzählen, was er über die verhängnisvolle Nacht wisse. „Vielleicht kann ich dir ein bisschen Druck wegnehmen. Wenn du es so sagst, wie es war, hast du nichts zu befürchten.“ Während ihrer gesamten Ansprache hält er ihrem Blick stand. Sein Gesichtsausdruck verrät Unsicherheit, vielleicht auch innere Zerrissenheit. Am 19. Februar wird der Prozess fortgesetzt.

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