
Christen sind die am meisten verfolgte Religionsgemeinschaft der Welt – ein Umstand, der im Jahr 2024 eine neue Dimension erreicht hat. Laut dem Weltverfolgungsindex, der am 15. Januar von Open Doors veröffentlicht wurde, sind religiös motivierte Gruppen und autokratische Regime die Hauptverursacher des besorgniserregenden Anstiegs der Zahlen. Sie sind verantwortlich für Morde, (staatliche) Verfolgung, Folter und Ausgrenzung von Christen rund um den Globus.
Open Doors dokumentiert seit mehr als dreißig Jahren die systematische Verfolgung von Christen in aller Welt. Die Organisation ist in mehr als 70 Ländern tätig. Das mit Abstand christenfeindlichste Land ist dabei Nordkorea. Christen haben in Nordkorea keinen Platz in der Gesellschaft. Wer als Christ entdeckt wird, riskiert nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das seiner gesamten Familie – ihm droht die Verschleppung in eines der berüchtigten Straflager des nordkoreanischen Diktators. Dort müssen Häftlinge Zwangsarbeit leisten, erhalten kaum Nahrung oder medizinische Versorgung und sind körperlicher sowie psychischer Gewalt ausgesetzt.
Grundsätzlich sind willkürliche Inhaftierungen, Folter und Indoktrination an der Tagesordnung. Allein der Besitz der Bibel wird mit lebenslanger Haft und teilweise sogar mit öffentlichen Hinrichtungen bestraft. Laut Schätzungen von Open Doors leben in Nordkorea rund 400.000 Christen, sie machen etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung aus.
Auch in China betrachtet die Kommunistische Partei Religion als potenzielle Bedrohung für ihre Autorität. Die Regierung untersagt den etwa 281 Millionen Mitgliedern der Partei und ihrer Jugendorganisationen ausdrücklich jegliche spirituellen Aktivitäten. Dieses Verbot umfasst vielfältige religiöse Praktiken und verdeutlicht die antireligiöse Haltung der Partei.
Die politische Kontrolle der Kirchen ist eine zentrale Strategie der KPCh, um religiöse Institutionen zu kontrollieren und deren Lehren, Bräuche und Moralvorstellungen an die chinesische Kultur anzupassen. Ziel ist, Religion der Parteiführung unterzuordnen und als eigenständige gesellschaftliche Kraft zu eliminieren. Staatlich anerkannte Kirchen wie die Protestantische „Patriotische Drei-Selbst-Bewegung“ und die „Patriotische Katholische Vereinigung“ stehen unter direkter Kontrolle der Partei. Unabhängige Kirchen, auch „Hauskirchen“ oder „Untergrundkirchen“ genannt, sind nicht registriert, verfügen jedoch oft über viele Mitglieder.
In der Türkei hat sich die Situation für Christen unter dem Einfluss eines zunehmend islamistischen Nationalismus unter Führung des Präsidenten Recep Erdoğan weiter verschlechtert. Von den 86 Millionen Einwohnern sind nur rund 0,3 Prozent Christen. Im vergangenen Jahr kamen zwei Christen in der Türkei ums Leben. Christen werden hier besonders durch die Gesetzgebung des ursprünglich säkularisierten Staates unterdrückt. So ist die Ausbildung von Priestern im privaten Bereich untersagt. Die staatlichen Unterrichtsstätten für die griechisch-orthodoxe und armenische Kirche wurden bereits vor mehr als 50 Jahren geschlossen und seitdem nie wieder eröffnet. Katholische und evangelische Kirchen dürfen ihre Priester und Pastoren im privaten Bereich ausbilden, offizielle Stellen gibt es für diese jedoch nicht.
Zwar garantiert die Verfassung der Türkei eine freie Ausübung von Gottesdiensten und religiösen Riten, einschließlich der Freiheit von religiösem Zwang. Doch bringt eine Konversion zum Christentum oftmals soziale und familiäre Ächtung mit sich, von vielen wird ein Glaubenswechsel als nicht hinnehmbar angesehen.
Besonders in islamisch geprägten Staaten wie Somalia droht Christen nicht nur soziale Ächtung, sondern auch physische Gewalt oder der Tod. Dort agieren extremistische Gruppen, die sich gezielt gegen religiöse Minderheiten richten. Islamistische Milizen, wie die somalische Al-Shabaab, machen die Region zu einem der gefährlichsten Orte für Christen.
Al-Shabaab verfolgt eine radikale Interpretation der Scharia und hat offen erklärt, dass ihr Ziel die vollständige Auslöschung des christlichen Glaubens in Somalia ist. Die Konsequenzen für Christen, die ihren Glauben praktizieren, sind fatal: Werden Christen entdeckt, werden diese oftmals direkt hingerichtet. Die Situation hat sich im Laufe der Jahre zunehmend verschärft. Militante Islamisten unternehmen gezielte Anstrengungen, um christliche Gemeinden zu identifizieren und auszulöschen.
Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan ist das öffentliche christliche Leben nicht mehr existent. Durch dieses Abtauchen der Kirche haben die Taliban kaum noch die Möglichkeit, aktiv gegen öffentliches christliches Leben vorzugehen. Doch damit verbunden erschwert sich auch die Möglichkeit, die Verfolgung im zentralasiatischen Land zu dokumentieren. Afghanistan ist auf Platz 10 der Länder mit der höchsten Gefahr für Christen.
Auch in Subsahara-Afrika verschlechtert sich die Lage für Christen zunehmend. Besonders betroffen sind Nigeria, die Demokratische Republik Kongo und der Sudan, wo Massenvertreibungen und brutale Übergriffe an der Tagesordnung sind.
Im vergangenen Jahr wurden 4.476 Christen aufgrund ihres Glaubens getötet – eine erschreckend hohe Zahl, auch wenn sie im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückgegangen ist. Doch die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, da nicht alle Todesfälle in Zusammenhang mit religiös motivierter Gewalt erfasst werden. Auch die Angriffe auf Häuser von Christen nahmen zu: von 21.431 im Jahr 2023 auf 28.368 im Jahr 2024.
Trotz dieser düsteren Entwicklungen gibt es auch positive Nachrichten: Viele verfolgte Christen geben ihren Glauben nicht auf, auch wenn sie unter extremen Bedingungen leiden. Markus Rode, der Leiter von Open Doors Deutschland, betont, dass Millionen von Christen weltweit weiterhin standhaft im Glauben bleiben. „Ich bin dankbar, dass Millionen verfolgter Christen ihren Glauben nicht aufgeben oder verleugnen“, sagt Rode. Auch unter extremen Umständen finden immer mehr Menschen in Ländern wie Indien, Pakistan und Afghanistan zum christlichen Glauben, obwohl sie von ihren eigenen Familien und Regierungen verfolgt werden. „Ich wünsche mir, dass auch die freie Presse und demokratische Regierungen ihre Stimme für sie erheben und auf das Unrecht aufmerksam machen“, so der Open Doors-Leiter. Dies könne maßgeblich zum Schutz der verfolgten Christen beitragen.