
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußert sich während seines Besuchs im Irak zur Stabilisierung der Lage im Nahen Osten. Irritierend: Er hält eine Zusammenarbeit mit den neuen islamistischen Machthabern in Syrien für denkbar.
Pistorius zufolge sollte sich Deutschland in der Region verstärkt engagieren, nachdem der syrische Präsident Baschar al-Assad gestürzt wurde und sein Machtapparat zerfallen ist. „Wir dürfen uns keinesfalls zurückziehen“, sagte gegenüber den ARD-Tagesthemen. „Durch den Sturz Assads in Syrien ist nicht klar, in welche Richtung sich die Region, in welche Richtung Syrien sich entwickelt.“
„In den kommenden Monaten wird es jetzt natürlich darum gehen, neue Formate der Sicherheitskooperation zu gestalten in der Region, um deutlich zu machen, dass wir hier Verantwortung übernehmen, weiter übernehmen wollen, auch in Zukunft. Auch mit Blick auf Syrien“, so Pistorius.
Deutschland und Europa dürften sich laut Pistorius „nicht erlauben, hier nur Zuschauer zu sein. Dafür ist die Region zu wichtig.“ Für die Bundesrepublik könne das auch heißen, mit der neuen syrischen Regierung in einem „neuen Syrien“ zusammenzuarbeiten, „wenn sie denn die Chance nutzen, die sich ihnen jetzt bietet und sie schnell für etwas Ruhe sorgen können, auf der man dann aufsetzen kann“.
Pistorius wird von seinem irakischen Amtskollegen Thabet Al-Abbasi empfangen.
Pistorius ordnete während einer Zwischenlandung in Jordanien auch die israelischen Angriffe auf syrische Militäreinrichtungen und Waffenlager ein. Er betonte, dass diese angesichts der instabilen Lage in Syrien „in einem größeren Kontext“ gesehen werden müssten. Pistorius bezeichnete die Angriffe als Maßnahme zur regionalen Sicherheit und darüber hinaus. „Denn die Vorstellung, dass beispielsweise Giftgaswaffen aus syrischen Fabriken in die falschen Hände geraten und eine Rolle spielen könnten bei islamistisch motivierten Anschlägen irgendwo auf der Welt, ist eine Vorstellung, die kaum erträglich wäre“, so der Minister.
Pistorius führte in Bagdad Gespräche mit dem irakischen Ministerpräsidenten Mohammed al-Sudani und dem irakischen Verteidigungsminister Thabet al-Abbasi. Beide bestätigten im Anschluss Berichte über die andauernde Bedrohung durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Anschließend führte Pistorius Gespräche im nordirakischen Kurdengebiet. Im Januar plant er eine Reise in die Türkei, um dort Gespräche zu führen. Die türkische Regierung ist bestrebt, den Einfluss der von den USA unterstützten Kurdenmilizen in Syrien so gering wie möglich zu halten.
In Bagdad besuchte Pistorius das schwer geschützte Militärcamp „Union III“, in dem etwa 50 deutsche Soldaten untergebracht sind. Die meisten von ihnen sind als Militärberater in Institutionen tätig. Angriffe auf das unmittelbare Umfeld der Soldaten haben seit Monaten nicht stattgefunden. Allerdings wurde über Drohnenüberflüge und Ausspähversuche berichtet.
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