Nächstes Unternehmen kehrt Deutschland den Rücken:  Hartmetall-Hersteller Ceratizit ergreift die Flucht

vor 18 Tagen

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Ceratizit hat Anfang März bekanntgegeben, zwei seiner deutschen Werke stilllegen zu wollen. Betroffen sind die Betriebe in Besigheim (Landkreis Ludwigsburg) und Empfingen (Landkreis Freudenstadt), beide in Baden-Württemberg gelegen. Insgesamt stehen 650 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die Werksschließungen sollen bis spätestens zum 31. Dezember 2026 vollzogen werden. Gegen den geplanten Rückzug formiert sich nun allerdings Protest – zumindest an einem der beiden Standorte.

Für den Erhalt des Werks in Empfingen wurde eine Online-Petition ins Leben gerufen. Sie läuft über die Plattform Campact. Ziel der Aktion ist es, mit einer breiten Unterstützung der Öffentlichkeit Druck auf die Eigentümerfamilie des Unternehmens auszuüben. Die gesammelten Unterschriften sollen dem Ceratizit-Vorstand überreicht werden.

Bis zum 27. Mai haben laut dem Nachrichtenportal Merkur bereits 826 Menschen die Petition unterzeichnet – das ursprünglich gesetzte Ziel von 1.000 Unterstützern ist damit greifbar nah. In der Petition heißt es, der Standort Empfingen sei wirtschaftlich solide aufgestellt und schreibe schwarze Zahlen. Es gebe keinerlei nachvollziehbaren Grund für eine Schließung. Von der Unternehmensführung werde ein Umdenken gefordert. „Die geplante Schließung ist weder wirtschaftlich noch sozial nachvollziehbar“, heißt es in dem Begleittext. „Sie gefährdet nicht nur die berufliche Existenz zahlreicher Familien in der Region, sondern erschüttert auch das Vertrauen in die soziale Verantwortung und langfristige Strategie des Unternehmens.“

Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass die geplanten Werksschließungen weniger aus einer akuten wirtschaftlichen Notlage heraus erfolgen, sondern vielmehr eine strategische Vorabmaßnahme darstellen. Ceratizit verlagert seine Produktion ins Ausland und reagiert damit auf die zunehmend ungünstigen Standortbedingungen in Deutschland – und versucht, einer drohenden Unternehmenskrise frühzeitig entgegenzuwirken.

Besonders die hohen Energiekosten sowie der massive bürokratische Aufwand und die dichte Regulierungslandschaft stellen für das Unternehmen eine erhebliche Belastung dar.

In einer Unternehmensmitteilung vom 5. März 2025 kündigte Ceratizit an, die Standorte in Besigheim und Empfingen im Zuge einer Neuausrichtung nach Luxemburg und Italien zu verlegen. Beide neuen Standorte haben einen entscheidenden Standortvorteil: deutlich niedrigere Strompreise. Während der Industriestrompreis in Deutschland im Jahr 2024 bei durchschnittlich 23,3 ct/kWh lag, betrug er in Italien 20,9 ct/kWh und in Luxemburg sogar nur 20,5 ct/kWh.

Insbesondere Luxemburg gilt seit Langem als unternehmensfreundlicher Wirtschaftsstandort. Die schlanke Verwaltung und eine digitalisierte Behördenstruktur  machen das Land für Unternehmen attraktiv. Im Vergleich zu Deutschland haben Firmen dort mit deutlich weniger bürokratischen Hürden zu kämpfen. Auch steuerlich, bieten Luxemburg und Italien für Unternehmen günstigere Bedingungen als Deutschland.

Im Kern spiegelt sich bei Ceratizit ein Muster wider, das längst kein Einzelfall mehr ist. Der Hartmetallhersteller reiht sich ein in eine wachsende Liste von Unternehmen, die sich aus Deutschland zurückziehen. Eine aktuelle Erhebung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), bei der 1.700 Industrieunternehmen befragt wurden, liefert ein deutliches Bild: 40 Prozent der Betriebe beabsichtigen, ihre Investitionen ins Ausland zu verlagern. Der Beweggrund „Kostensenkung“ erreicht dabei mit 35 Prozent den höchsten Stand seit der globalen Finanzkrise im Jahr 2008.

„Deutschland droht den Anschluss zu verlieren!“, warnt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. „Wenn Unternehmen zunehmend ins Ausland abwandern, weil hohe Energiekosten, lähmende Bürokratie und eine steigende Steuerlast ihnen hierzulande die Luft abschnüren, ist das ein gefährliches Signal.“

Auch deutsche Großkonzerne folgen inzwischen dem Trend und verlagern in wachsendem Ausmaß ihre Investitionen ins Ausland. Ein prominentes Beispiel: der Chemiekonzern BASF mit Hauptsitz in Ludwigshafen. Der DAX-Riese verlegt derzeit einen erheblichen Teil seiner Investitionen nach China. In der südchinesischen Provinz Guangdong entsteht derzeit ein neuer Verbundstandort. Es handelt sich um die größte Auslandsinvestition in der Unternehmensgeschichte. Für das Projekt sind rund 10 Milliarden Euro eingeplant.

Während in Fernost expandiert wird, schrumpfen zugleich die Kapazitäten am Stammsitz in Ludwigshafen. Dort gilt mittlerweile rund ein Fünftel der Produktionsanlagen – angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen – als nicht mehr wettbewerbsfähig. Bereits seit zwei Jahren läuft vor Ort ein umfassendes Sparprogramm. Unter dem Strich sollen 1.800 Stellen wegfallen. Der Konzern will eine Milliarde Euro einsparen.

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