
In der Nacht auf Freitag griff Israel den Iran in großem Umfang und in mehreren Wellen an. Mit den Luftschlägen, bei denen mehr als 200 Kampfflugzeuge zum Einsatz kamen, wurden nach israelischen Militärangaben am Freitagmorgen mehr als 100 Ziele angegriffen. Die Bombardements richteten sich vor allem gegen das iranische Atomprogramm. Dabei wurden auch Militäreinrichtungen getroffen und hochrangige Militärführer getötet.
Irans Armeechef Mohammad Bagheri und der Chef der iranischen Revolutionsgarde, Generalmajor Hussein Salami wurden getötet, offenbar ebenso sechs Atomwissenschaftler. Zu den Zielen des Angriffs gehörte unter anderem die Atomanlage Natans im Zentrum des Landes. In der Anreicherungsanlage Natans wird Uran mit einem Reinheitsgrad von bis zu 60 Prozent produziert.
Sonderkommandos des israelischen Geheimdienstes Mossad bereiteten den Luftangriff auf den Iran mit mehreren verdeckten Einsätzen tief im Landesinneren der Islamischen Republik vor. Mossad-Agenten sollen demnach eine Drohnenbasis auf iranischem Boden in der Nähe von Teheran eingerichtet haben. In der Nacht auf Freitag wurden die Drohnen aktiviert und auf Israel gerichtete Boden-Boden-Raketenwerfer beschossen. Netanjahu erklärte in seiner ersten Reaktion, der Angriff auf den Iran werde so lange fortgesetzt, „bis wir die Mission abgeschlossen haben“.
Die Führung in Teheran wertete den Angriff Israels als „Kriegserklärung“. Das iranische Außenministerium teilte am Freitag mit, Außenminister Abbas Araghtschi habe in einem Brief an die Vereinten Nationen den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, „sich sofort mit diesem Thema zu befassen“.
Die Regierung in Tel Aviv erwartete am Freitag einen schnellen Gegenschlag und ermahnte die Bevölkerung, sich womöglich über längere Zeit in Luftschutzbunkern aufzuhalten. Der Iran schlug nach israelischen Angaben als erste militärische Reaktion mit Drohnen zurück – Iran dementierte. Offenbar ist es Israel mithilfe seiner Verbündeten gelungen, alle Drohnen abzufangen, bevor diese in den israelischen Luftraum eindringen konnten. Mit der israelischen Militäraktion hat sich am Persischen Golf die Hoffnung zerschlagen, dass eine neue, womöglich größere militärische Konfrontation zwischen Israel und Iran abgewendet werden kann. Laut US-Außenminister Marco Rubio waren die USA nicht in Israels Angriffe involviert. Viele Beobachter gehen jedoch davon aus, dass der Angriff nicht gegen die Abstimmung mit USA geschah.
Es ist nämlich schwer zu glauben, dass Israel einen Angriff dieser Größenordnung ohne Wissen und Zustimmung der USA durchgeführt hätte und hätte durchführen können – einschließlich der Abstimmung mit dem CENTCOM. Ob Trump über das Ausmaß der Angriffe informiert war, bleibt erst einmal unklar. Der US-Präsident hat sich zu den israelischen Angriffen auf Iran schon geäußert: „Iran muss einen Deal machen, bevor nichts mehr übrig ist, und das retten, was einmal als iranisches Reich bekannt war“, schrieb Trump auf der Plattform Truth Social.
Im Wahlkampf versprach US-Präsident Trump, die aktuellen Konflikte der Welt zu beenden und den Weltfrieden einzuleiten. Doch nach fast fünf Monaten, in denen Israel den Iran angegriffen hat und die Kriege in Gaza und der Ukraine unvermindert andauern, sind diese Hoffnungen zunichte gemacht worden. Seit Freitag sind die Ölpreise sprunghaft angestiegen. Dies ist auch ein Rückschlag für Trump, der die niedrigen Ölpreise im Zuge des Handelskonflikts als Erfolg seiner Wirtschaftspolitik bezeichnet hatte. Vor diesem Hintergrund hätte Trump ein Interesse daran, den Iran-Israel-Konflikt so schnell wie möglich zu beenden und Teheran wieder an den Verhandlungstisch zu bringen.
Wie viel Schaden Israel an den tief vergrabenen iranischen Atomanlagen angerichtet hat, ist bislang unklar. Das enorme Ausmaß des Angriffs lässt eine aggressive Reaktion des Irans als nahezu sicher erscheinen. Im vergangenen Jahr startete der Iran zweimal massive Raketenangriffe auf Israel, die mit Hilfe der USA und anderer Länder abgewehrt werden konnten. Eine Option für den Iran wäre, diese Angriffe zu wiederholen und dabei stärker auf ballistische Raketen zurückzugreifen, die schwerer abzufangen sind als Drohnen. Bei der zweiten Angriffswelle im Oktober dürften aufgrund fehlender Abfangraketen mindestens 20 iranische Raketen ihr Ziel erreicht haben. Beide Länder arbeiten derzeit intensiv daran, ihre Raketenbestände für weitere Kämpfe aufzufüllen.
Der Schaden, den der Iran Israel zufügen könnte, hängt unter anderem davon ab, wie effektiv die ersten israelischen Angriffe auf iranische Raketenproduktionsstätten im Oktober waren. In diesen Anlagen wird der Treibstoff für die Raketen gemischt. Entscheidend ist, ob dem Iran noch genügend Munition zur Verfügung steht, um die israelischen und US-amerikanischen Verteidigungsbatterien zu überwältigen.
Der Iran könnte die Situation weiter eskalieren lassen, indem er US-Botschaften oder Militärstützpunkte in der Region angreift. Diese liegen näher am Iran und wären daher leichter und präziser anzugreifen. Aus Sicherheitsgründen hat die US-Regierung bereits sowohl das Botschaftspersonal als auch die Zahl der Militärangehörigen im Nahen Osten reduziert. Von den Maßnahmen sind neben US-Militärstützpunkten auch die Botschaften im Irak, in Kuwait und in Bahrain betroffen. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Schifffahrt in der Straße von Hormus anzugreifen und die Meerenge zu blockieren, durch die 21 Prozent der weltweiten Öllieferungen transportiert werden. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Angriff auf die Golfstaaten, um die Weltwirtschaft zu stören. All diese Optionen würden die USA jedoch direkt in einen Krieg hineinziehen und die iranischen Atomanlagen noch stärker beschädigen. Zudem ist die Zahl der Raketen, mit denen der Iran die israelischen Verteidigungsanlagen überwinden kann, begrenzt.
Sollte der Iran seine Verbündeten in den Konflikt einschalten, würde der Krieg zwischen dem Iran und Israel gefährlicher werden. Selbst wenn die mittlerweile massiv geschwächte Hisbollah einschreitet, wäre dies eine Herausforderung für Israel. Die Huthi stellen für Israel selbst keine militärische Bedrohung dar. Sie können jedoch für die internationale Schifffahrt, die amerikanische Marine oder die arabischen Golfstaaten zu einem Problem werden, sollte der Konflikt eskalieren.
Der Schlag Israels auf den Iran wurde über Jahre hinweg geplant. Bisher hat Israel seine militärische und nachrichtendienstliche Überlegenheit unter Beweis gestellt. Die kommenden Tage werden zeigen, welches Land besser auf einen langen Konflikt vorbereitet ist und ob die USA unter Trump in einen Krieg hineingezogen werden, den er lange zu vermeiden suchte. Bereits jetzt ist jedoch klar, dass ein offener Krieg zwischen Israel und dem Iran ausgebrochen ist.