Nein, die Boomer hatten es nicht leichter: Das Gen-Z-Genörgel nervt

vor etwa 7 Stunden

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Keine Generation der Menschheitsgeschichte ist mit so viel Wohlstand und so guten Startbedingungen aufgewachsen wie die Generation Z. Dennoch fühlt sie sich benachteiligt und beneidet die Generation der Boomer (circa 1955 bis 1969). Kann dieses Gefühl berechtigt sein?

Eigentlich bin ich kein Freund von Generationendebatten. Schon die Eingrenzung der Altersjahrgänge, die angeblich viele Gemeinsamkeiten haben, ist fragwürdig. So werden alle Deutschen, die von 1955 bis 1969 geboren wurden, der Generation der Babyboomer zugerechnet. Menschen, die zwischen 1997 und 2012 zur Welt kamen, werden zur Generation Z gezählt. Die großen Zeiträume sorgen für wenig Aussagekraft.

Wer beispielsweise 1997 geboren wurde, hatte eine Kindheit ohne großartige soziale Medien, ohne Smartphones und mit kaum Internet. Wer im Jahr 2012 sein Geburtsjahr hat, dürfte schon als Kleinkind Kontakt mit Smartphones und Internet gehabt haben. Auch bei den Boomern machte es natürlich einen erheblichen Unterschied, ob jemand Mitte der 50er-Jahre in ein Elternhaus geboren wurde, das den Weltkrieg als Erwachsene miterlebte oder ob jemand erst 1969 Kind von Eltern wurde, die den Krieg entweder gar nicht oder nur als Kinder miterlebten.

Kurz und knapp: Die Generationeneinteilung hat ihre Schwächen und ist zudem auch wenig freiheitlich, wenn Individuen kollektive Verhaltensweisen oder Umstände nur aufgrund ihres Geburtsjahres angedichtet werden. Dennoch möchte ich heute pauschal die Generation der Boomer gegen die Generation Z verteidigen. Man muss ja nicht immer konsistent sein und außerdem gibt es in „meiner“ Generation so ein raunendes Genörgel, das ich mal adressieren will.

Erklärtes Feindbild der Gen Z: Boomer am Smartphone

Die Gen-Z-These ist ganz leicht erklärt: Die Boomer hatten es leichter als wir. Sie hatten bessere Start- und Rahmenbedingungen, sie konnten leichter Eigentum erwerben und es ging ihr ganzes Leben lang nur bergauf. Sie können deshalb nicht nachvollziehen, wie schwer es die Generation Z hat. Dieser Vorwurf an die ältere Generation wird nicht von einer Partei oder einer politischen Bewegung vertreten. Es gibt auch nicht die Gruppe von Journalisten oder die konkreten Leitartikel, die diese Anschuldigung vertreten und auf die ich mich beziehen könnte.

Es handelt sich eher um ein omnipräsentes Geraune. Bei Familienfeiern, an Universitäten, in Kurzvideos und Texten in den sozialen Medien. Es ließen sich zehntausende Beispiele dafür finden, ohne institutionelle Hilfe ist die Erzählung von den weltfremden Hängematten-Boomern ein virales und beständiges Phänomen geworden.

Nur ein Beispiel: Jüngst schrieb ein X-User einen langen Text über die Boomer. Das Fazit: „Ihr hattet eure Zeit: günstige Häuser, fette Jobs, eine Welt, die euch den roten Teppich ausgerollt hat“. Dazu kam der Vorwurf, dass zu wenig an „uns“ weitergegeben worden sei. Fast 160.000 Aufrufe konnte der Tweet einsammeln.

Ihr Boomer, wir müssen mal Klartext reden.Ihr seid die Generation, die sich benimmt, als hättet ihr die Welt erfunden, aber in Wirklichkeit chillt ihr in eurer Blase aus Nostalgie, Esoterik und Internetmüll und macht uns allen das Leben schwer. Euer Geheule über die Rente, eure…

Ich kann dieses Genörgel nicht mehr hören. Es ist nervig, aber vor allem ist es falsch. Nein, die Boomer hatten es nicht leichter als die nachfolgenden Generationen. Sie hatten es schwerer. Sie wuchsen mit verschmutzter Luft und zwischen dreckigen Flüssen auf. Sie wurden in der Schule und daheim vielfach noch geschlagen, für sie war harte Arbeit von Kindheit an selbstverständlich. Im Haushalt, in der Landwirtschaft, im Handwerk. Sie hatten gar keine Wahl. Sie hatten nicht den Luxus des täglichen Duschens, keinen Zugang zu vielen Haushaltsgeräten, keine Verlängerung der Kindheit bis tief in ihre 20er-Jahre hinein. Im Gegenteil: Nach der Schule erstmal ein entspanntes Jahr im Ausland verbringen? Von wegen, ab zur Bundeswehr! Wer schwul war, hatte verloren. Wer Kind einer Mutter war, die sich auf Contergan verließ, hatte halt Pech.

Sie hatten es auch nicht leichter, ein Haus zu kaufen. Zwar gab es geringere Grunderwerbsteuern und relativ zum Einkommen niedrigere Hauspreise, dafür aber weitaus höhere Zinsen. Und was waren das für Häuser? Häuser, in die in unverändertem Zustand heute kaum noch jemand freiwillig einziehen würde. Nicht oder kaum isoliert, schlecht beheizt, miese Elektronik und viel kleiner als in der Gegenwart. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person lag in Westdeutschland 1970 bei etwa 39 Quadratmetern, heute stehen im Schnitt knapp 48 Quadratmeter pro Person zur Verfügung.

Jugendliche im zerstörten Dresden 1948. Die Boomer wuchsen mit Eltern auf, die diese Zeit noch selbst miterlebt haben.

Die Boomer sind auch nicht in einem sicheren Deutschland aufgewachsen, in dem die Welt noch in Ordnung war. Ja, es gab das heutige Problem der importierten Gewalt damals natürlich nicht in diesem Ausmaß, aber insgesamt war die Bundesrepublik 1970 sicherer als sie es im Jahr 2025 ist. 1970 gab es nur in Westdeutschland 2403 Fälle von Mord und Totschlag, einschließlich von Versuchen. 2024 gab es in Gesamtdeutschland mit 21 Millionen zusätzlichen Einwohnern 100 weniger dieser Fälle in der polizeilichen Kriminalstatistik.

Boomer sind in durch den Krieg traumatisierten und zerrissenen Familienstrukturen aufgewachsen. Sie haben viel häufiger Familienmitglieder, Freunde und Bekannte bei Autounfällen verloren, die heute dank der besseren Technik nur zu leichten Verletzungen führen würden. Und noch schwerer hatten es die ostdeutschen Boomer, die direkt in der nächsten Diktatur landeten, noch weniger Wohlstand und keine Freiheit hatten. Tja, früher war eben nicht alles besser.

Ich kann schon angesichts dieser wenigen Beispiele, die nur einen Bruchteil der Gesamtherausforderungen an diese Generation darstellen, keinen „roten Teppich“ sehen, den das Leben den Boomern ausgerollt hat. Ich kann den Neid „meiner“ ehrlicherweise ziemlich wohlstandsverwahrlosten Generation auf die Boomer deshalb überhaupt nicht nachvollziehen.

Der „Ihr hattet es doch so leicht“-Vorwurf ist grober Unfug. Der politische Vorwurf an die Boomer ist allerdings richtig:

Jedoch: Die Anspruchshaltung der jüngeren Generationen, ihre eigenen Nachwuchsraten und ihr Wahlverhalten – Man schaue sich nur die Beliebtheit der Mauermörderpartei bei jungen Menschen an – lassen nicht gerade darauf schließen, dass sie an der Stelle der Boomer klügere Politik und eine kinderreichere Gesellschaft hervorgebracht hätten.

Vielleicht sollte sich „meine“ Generation erstmal auf mehr Demut konzentrieren, mehr Respekt für den Lebensweg der Boomer zeigen, selbst etwas leisten und vor allem politisch vernünftig und freiheitlich werden. Dann wäre die Kritik an der tatsächlich zukunftsvergessenen Boomer-Politik auch glaubwürdiger.

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