
Gerade erst konnte die linke Regierung in Spanien einen vermeintlichen, grünen Erfolg verbuchen: Wie der spanische Netzbetreiber Red Electrica am 16. April stolz mitteilte, deckten erneuerbare Energiequellen, vor allem Solar- und auch Windkraft, den gesamten Energiebedarf des iberischen Königreichs.
Zwei Wochen später saßen die Spanier plötzlich im Dunkeln. Im ganzen Land und auch im benachbarten Portugal fiel der Strom über Stunden aus, das Land versank in Dunkelheit und Chaos. Züge blieben stehen, Passagiere mussten aus U-Bahntunneln der madrilenischen Metro evakuiert werden. Menschen blieben in Aufzügen stecken, Krankenhäuser und andere elementare Infrastruktur konnten an vielen Orten nur noch durch Notstromaggregate notdürftig in Betrieb gehalten werden. Das Netz auf der iberischen Halbinsel war völlig kollabiert. Aber warum?
Zunächst von offizieller Seite verbreitete Theorien etwa über einen Hackerangriff oder Sabotage wurden schon zurückgenommen oder lassen sich bisher nicht beweisen. Mittlerweile kristallisiert sich eine wahrscheinliche Ursache heraus – sie hat auch mit der vermeintlichen Erfolgsmeldung über regenerative Energien zu tun. Demnach könnte eine massive Überproduktion von Solarstrom das Netz überlastet und zum Zusammenbruch geführt haben.
Schon Ende März führte ein Überangebot an Strom aus Sonne, Wind und Wasserkraft dazu, dass die Spanier plötzlich statistisch negative Strompreise zahlten. In weiten Teilen Europas kam es in diesen Wochen zu einer Überproduktion von Sonnen- und Windenergie. Statt „Dunkelflaute“ herrschte „Hellbrise“, strahlende Sonne und kräftiger Wind sorgten für zu viel Strom im Netz.
Ein ernsthaftes Stabilitätsrisiko, welches auch mit Blick auf Deutschland zuletzt diskutiert wurde. Frank Reyer, verantwortlich für Netzstabilität beim deutschen Netzbetreiber Ampirion, erklärte der FAZ Mitte April: „Wenn zu viel Solarstrom auf einmal ins Netz eingespeist wird, müssen wir aufpassen, dass das System stabil bleibt. Es besteht das Risiko, dass beispielsweise Leitungen oder Transformatoren überlastet werden.“
Dieses Szenario wird auch als Ursache für den iberischen Blackout immer wahrscheinlicher. Das Risiko einer möglichen Netzüberlastung seit langer Zeit ein ernsthaftes für das Energiewende-Land Spanien, wo die Regierung von Ministerpräsident Sanchez eine Energiepolitik nach deutschem Vorbild vorantreibt, Atomkraftwerke abschaltet und auch der Gaskraft Lebewohl sagen will. Offenbar überlastete eine massive Einspeisung von Solarstrom das Netz derart akut, dass das Netz schließlich kollabierte.
Vor genau dieser Gefahr hatte Red Electrica schon gewarnt: Der Energieversorger berichtete seinen Aktionären vor Monaten über das „kurzfristige Risiko“ von „Erzeugungsabschaltungen aufgrund der hohen Marktdurchdringung der erneuerbaren Energien“. So steht es im aktuellen Jahresbericht, den der Energieversorger im Februar an die spanische Börsenaufsicht übermittelt hatte. Die Abschaltung konventioneller Kraftwerke stelle ein Risiko für die Versorgungsstabilität dar, heißt es dort weiter.
Diese Versorgungsstabilität kommt für Spanien in relevanten Teilen aus Frankreich, wo eine verlässliche Grundlast insbesondere durch Atomkraftwerke garantiert wird. Die plötzliche Spannungsfluktuation im spanischen Netz triggerte jedoch wohl eine vorübergehende Trennung vom französischen Netz, wobei gerade in dieser Situation eine verlässliche Grundlast vonnöten gewesen wäre. Das beschleunigte wohl den Verfall der Netzstabilität in Spanien.
Wie die spanische Zeitung El Mundo berichtet, gehen Techniker des Stromnetzbetreibers inzwischen von einem Kollaps der Photovoltaik-Versorgung aus. Eine relevante Menge Solarkraft sei plötzlich vom Netz gegangen, heißt es. In Portugal, wo man ebenfalls von großflächigen Stromausfällen betroffen war, hat die dortige Netzagentur eine erhebliche Spannungsschwankung im spanischen Stromnetz als Faktor für den Blackout ausgemacht.