Neuauflage der Eurokrise droht: Frankreichs Staatsverschuldung ist eine tickende Zeitbombe

vor 7 Monaten

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Der Staatshaushalt in Frankreich ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Das Land hat Schulden in Höhe von rund 3,2 Billionen Euro angehäuft – und damit Italien von Platz eins der EU-Mitgliedstaaten mit der höchsten Verschuldung verdrängt. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt beträgt die Verschuldung in Frankreich nun 110 Prozent. Die Verschuldungsquote ist nur noch in Italien und Griechenland höher.

Besonders belastet den französischen Staatshaushalt aktuell das Ende der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Knapp 60 Milliarden Euro muss Frankreich in diesem Jahr nur für die Zahlung der Zinsen aufbringen. Das entspricht mehr als fünf Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes. Michel Barnier, Frankreichs neuer Regierungschef, scheint sich über die prekäre Lage des Haushalts im Klaren zu sein und will nun mit aller Kraft umsteuern.

Barnier will dem Haushalt einen Sparkurs verordnen. 40 Milliarden Euro sollen an Ausgaben gestrichen werden. Außerdem hofft er 2025 auf steuerliche Mehreinnahmen in Höhe von 20 Milliarden Euro. Diese Mehreinnahmen will Barnier durch höhere Steuern für obere Einkommensschichten sowie für Großkonzerne erzielen. Zudem plant er eine Anhebung der Sozialabgaben und eine Verdoppelung der Steuer auf Elektrizität.

Bei der Senkung der Ausgaben zielt er vor allem auf die Rente. Für die kommenden Jahre eigentlich geplante Rentenanpassungen sollen eingefroren werden. Um diesen Haushalt durchzusetzen, benötigt Barnier jedoch eine Mehrheit im Parlament – und die ist alles andere als in Sicht. Gerade das Einfrieren der Renten stößt auf erheblichen Widerstand. Sowohl Marine Le Pen und ihr Rassemblement National als auch die linke NFP lehnen die Maßnahmen ab. Selbst innerhalb des Regierungslagers sind skeptische Töne zu vernehmen. Der ehemalige Premierminister Attal, Mitglied in Macrons Partei, fordert, die Renten unangetastet zu lassen.

Doch selbst, wenn es Barnier gelingen sollte, seinen Sparkurs durchzusetzen, würde das zur Sanierung des französischen Staatshaushaltes noch lange nicht ausreichen. Insgesamt liegt das Defizit des Haushalts bei sechs Prozent. Durch Einsparungen und Mehreinnahmen könnte das Defizit jedoch lediglich um rund fünf Prozent verringert werden. Mittelfristig wäre dies für Frankreich dennoch von äußerster Wichtigkeit. Gelingt es Frankreich nicht, seinen Haushalt einigermaßen solide aufzustellen, könnte sich die Staatsverschuldung Frankreichs als tickende Zeitbombe erweisen.

Dass Frankreich die Maastricht-Kriterien deutlich verfehlt, ist schon fast unnötig zu erwähnen. Mit deren Einführung wurde festgelegt, dass ein Staat sich maximal ein Defizit von drei Prozent und eine Verschuldungsquote von 60 Prozent im Verhältnis zum BIP leisten darf. Die hohe Staatsverschuldung in Kombination mit dem heftigen Defizit von sechs Prozent dürfte die Marktteilnehmer jedoch zunehmend an der Zahlungsfähigkeit Frankreichs zweifeln lassen. Dies wiederum dürfte dazu führen, dass die Zinszahlungen, die Frankreich an private und institutionelle Akteure zahlen muss, schon bald sprunghaft ansteigen könnten.

Zinsunterschiede zwischen Staatsanleihen können durch mehrere Faktoren erklärt werden. Zunächst spielt die Liquidität einer Anleihe eine wichtige Rolle. Bei gleicher Bonität ist der Markt für Anleihen Frankreichs deutlich größer als der für Anleihen der Republik Zypern. Dies führt dazu, dass die französische Anleihe leichter verkauft werden kann, was ihren Kurs erhöht und somit die Verzinsung senkt. Als weitere Faktoren kommen die erwartete Inflationsrate sowie das Wechselrisiko hinzu.

Besonders wichtig ist jedoch das Solvenzrisiko des Schuldners. Dieses Risiko bezieht sich auf die Fähigkeit des Emittenten von Staatsanleihen, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Wenn ein Schuldner Zahlungsschwierigkeiten hat, können Zinszahlungen ausbleiben oder die Rückzahlung der Anleihe kann ganz oder teilweise ausfallen. Dieses Risiko wird entsprechend von den Erwerbern von Staatsanleihen einkalkuliert. Je wahrscheinlicher Zahlungsschwierigkeiten sind, desto höher ist grundsätzlich die Zinsbelastung für einen Staat. Und genau die könnte für Frankreich nun drastisch ansteigen.

Die US-Investmentbank Goldman Sachs warnt, dass eine zu langsame Konsolidierung des französischen Staatshaushalts die Märkte beunruhigen könnte. Die Rating-Agentur Fitch hat nun sogar bereits gehandelt und den Daumen für französische Staatsanleihen gesenkt. Die Bewertung des Landes als Schuldner wurde von „stabil“ auf „negativ“ angepasst.

„Die für dieses Jahr prognostizierte fiskalische Fehlentwicklung bringt Frankreich in eine schlechtere fiskalische Ausgangsposition, und wir erwarten nun größere fiskalische Defizite, die zu einem steilen Anstieg der Staatsverschuldung in Richtung 118,5 Prozent des BIP bis 2028 führen werden“, hieß es in einer Mitteilung der Agentur.

Auf die Entscheidung von Fitch werden bald die beiden anderen großen Rating-Agenturen folgen: Moody’s am 25. Oktober und S&P Global am 29. Oktober. Bisher hatte Moody’s Frankreich etwas besser eingestuft als die anderen beiden Agenturen, jedoch halten viele es für wahrscheinlich, dass man dort jetzt ebenfalls eine Herabstufung vornehmen wird.

Für Frankreich könnten die sinkenden Bewertungen einen fatalen Zyklus auslösen: Das schwindende Marktvertrauen und sinkende Ratings führen zu einer höheren Zinsbelastung für Frankreich. Dies wiederum führt dazu, dass der Staatshaushalt noch weiter in die roten Zahlen gerät. Dies wiederum würde das Marktvertrauen noch weiter senken und die Zahlungsfähigkeit Frankreichs weiter infrage stellen.

Genau diesem Kreislauf will Barnier nun zuvorkommen. Gelingt ihm die Durchsetzung seines Sparkurses nicht, könnten die Folgen fatal sein. In Frankreich ist schon von einem drohenden Staatsbankrott die Rede. Für Europa hätte dies kaum vorhersehbare Folgen. Ausgeschlossen ist dieses Szenario grundsätzlich nicht. 1788, im Vorjahr der Französischen Revolution, ging Frankreich bei einer Verschuldung von „gerade einmal“ 64 Prozent im Verhältnis zum Sozialprodukt und Zinsforderungen in Höhe von 12 Prozent pleite. Seitdem mögen weit über 200 Jahre vergangen sein, an der grundsätzlichen Wirkungsweise hat sich jedoch nichts verändert.

Wahrscheinlicher wäre jedoch wohl das Eingreifen der Europäischen Zentralbank. Sie könnte wieder mit dem Aufkauf von Staatsanleihen beginnen und damit die Zinsbelastung künstlich senken. Um einen Staat wie Frankreich zu stützen, wären jedoch noch deutlich drastischere Markteingriffe als im Falle der Griechenland-Krise notwendig. Eine Aufblähung der Geldmenge und die Inflationierung des Euro-Raums wären die logische Folge.

Auch könnte das Thema Euro-Bonds wieder Fahrt aufnehmen. Hierüber könnten die EU-Staaten gemeinschaftlich Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen. In Frankreich würde das die Lage erst einmal etwas entspannen. Im Gegenzug müssten jedoch insbesondere die nördlichen Staaten der EU (allen voran Deutschland) für die finanzpolitischen Verfehlungen Frankreichs den Kopf hinhalten.

Schafft es Frankreich nicht, seinen Haushalt einigermaßen solide aufzustellen, könnte eine Neuauflage der Eurokrise kurz bevorstehen. Dies würde nicht nur Frankreich, sondern auch die Stabilität der gesamten Eurozone gefährden.

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