Neue Meldestelle für Desinformation: Correctiv träumt von 8 Millionen Inoffiziellen Faktencheckern

vor 5 Monaten

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Nicht nur „Hass und Hetze“ können in Deutschland gemeldet werden: Mit einem neuen Projekt ruft das Medienportal Correctiv nun dazu auf, auch sogenannte Desinformation zu melden.

Das Projekt trägt den Titel „Faktenforum“ und richtet sich an die Normalbevölkerung, die beim Faktenchecken helfen soll: „Ein Gerücht in der Messengergruppe, eine Parole am Stammtisch, ein gefälschtes Video in einem sozialen Netzwerk – Desinformation hat viele Gesichter und begegnet uns an unterschiedlichen Orten.“

Beim „Faktenforum“ können sich Bürger auf unterschiedliche Weise einbringen, etwa, indem sie „verdächtige Behauptungen“ melden, Quellen recherchieren, Bilder verifizieren oder in der Community mitdiskutieren. Das Medienportal hat eigens eine Maske eingerichtet, in der die „verdächtigen“ Behauptungen eingereicht werden können, inklusive Link oder Screenshot.

Hier können die „verdächtigen Behauptungen“ gemeldet können.

Desinformation fängt laut Correctiv schon dort an, wo eine Schlagzeile „gezielt Emotionen schürt“ oder Inhalte „emotional und polarisierend“ sind – dies „bedroht demokratische Prozesse ebenso wie die gesellschaftliche Debattenkultur“, so Correctiv. Mit „demokratischen Prozessen“ sind auch Wahlen gemeint, die demnach schon durch emotionale Überschriften in Zeitungen gefährdet sind.

Umso besorgter blickt das Medienhaus auf die kommenden Bundestagswahlen: „Nicht ohne Grund war zuletzt jeder Urnengang begleitet von Sorgen um die Folgen von Desinformation. Im Superwahljahr 2024 ließ sich in mehr als 60 Ländern weltweit beobachten, wie leicht wichtige gesellschaftliche Themen zum Gegenstand manipulativer Informationskampagnen werden können. Diese Erfahrungen sind auch eine Warnung für die vorgezogene Bundestagswahl“, schreibt Correctiv auf seiner Website.

Anfang des Jahres hatte Correctiv, das seit seiner Gründung 2,5 Millionen Euro staatliche Förderung erhielt, mit seiner Geheimplan-Recherche über ein Treffen von rechten Akteuren in Potsdam für Aufsehen gesorgt. Das Medienportal hatte den Teilnehmern unterstellt, die Deportation von Migranten nach ethnischen Kriterien geplant zu haben – eine Behauptung, die später von Gerichten einkassiert wurde. Dennoch löste die Recherche eine Protest-Bewegung aus, Millionen Menschen gingen „gegen Rechts“ auf die Straße.

Das Bündnis gegen Rechts des Kreises Herford hatte im Februar unter dem Motto „Schulter an Schulter gegen Faschismus“ zu einer Kundgebung aufgerufen.

Teilnehmer der Demonstration „Nie wieder ist jetzt!“ des Bündnisses „Gera gegen rechts“ im Februar.

Diese Bewegung will Correctiv nun für den Wahlkampf erneut mobilisieren: „Schnell kam die Frage auf, wie man dieses Momentum in ein nachhaltiges Engagement verwandeln kann. Hier setzt Correctiv mit seinem Faktenforum an, Deutschlands erster Faktencheck-Community“, so das Medienhaus.

Im Wahlkampf soll also die Deutungshoheit über den Diskurs erhalten werden. Dabei ist die Rolle von Correctiv nicht zu unterschätzen, denn das Portal kooperiert, ähnlich wie die Deutsche Presseagentur, mit Meta, dem Mutterkonzern von Facebook und Instagram. Für die sozialen Netzwerke prüft es Inhalte auf ihre Richtigkeit und kennzeichnet Falschinformationen als solche. So nimmt Correctiv indirekt auch Einfluss auf die Verbreitung von Inhalten, denn Beiträge, die als „falsch“, „verfälscht“ oder „teilweise falsch“ gekennzeichnet werden, werden aus Empfehlungen und Vorschlägen der Netzwerke entfernt. Bei wiederholter Veröffentlichung von Beiträgen, die als „Falschinformation“ klassifiziert werden, müssen Nutzer mit Sperrung oder anderen Einschränkungen rechnen.

Dies könnte auch mit Blick auf die Bundestagswahl relevant werden. Das Beispiel Rumänien zeigt, welche politische Wirkmacht der Begriff „Desinformation“ mittlerweile hat. Dort annullierte der Verfassungsgerichtshof vor wenigen Tagen die jüngste Präsidentschaftswahl – mit Verweis auf TikTok und angebliche Desinformation. Der Digital Services Act (DSA) räumt den zivilgesellschaftlichen Organisationen eine entscheidende Rolle bei der Überwachung der Netzwerke ein. Correctiv ist zwar kein zertifizierter Trusted Flagger, die Meldungen von Desinformation gehen aber in die internen Statistiken von Meta ein. Meta wiederum ist gegenüber der EU zu regelmäßigen Berichten verpflichtet.

Die Leiterin der Faktencheck-Abteilung von Correctiv, Alice Echtermann, erklärte bei einer Veranstaltung anlässlich des „Faktenforum“-Launchs, Deutschland sei schon „mittendrin“ in der Wahlkampf-Desinformation. Auf sämtlichen Plattformen habe Correctiv bereits Falschbehauptungen entdeckt, die sich direkt in den Wahlkampf einmischen würden. Echtermann beobachtet einen „ziemlich starken Anstieg von Falschbehauptungen“: „Das richtet sich tatsächlich gegen Robert Habeck viel und auch gegen Friedrich Merz.“

Echtermann, Caroline Lindekamp und Justus von Daniels bei der Veranstaltung von Correctiv.

Correctiv-Chefredakteur Justus von Daniels rechnete bei der Veranstaltung scherzhaft aus, es brauche acht Millionen Faktenchecker in Deutschland: „Dann hätten wir einen, der zehn Leute aufklären muss, und ich glaube, das war auch das Ziel vom Faktenforum.“ Tatsächlich aber ist diese Vision nah an dem, was Correctiv vorschwebt, wie bei der Veranstaltung deutlich wurde. Denn das Faktenforum soll weit ins Privatleben hineinreichen: Correctiv-Journalistin Caroline Lindekamp erklärte auf der Bühne, die Faktenforum-Community helfe auch in Fällen wie diesen: „Ich habe diesen einen Nachbar, und der hört einfach nicht auf, die Klimakrise zu leugnen. Wie redet ihr denn mit solchen Leuten?“

Auch auf die Frage, wie man mit Menschen umgehe, die Correctiv misstrauten, hatte Lindekamp eine Antwort: „Diese Menschen haben unter Umständen auch Leute in ihrem Umfeld, mit denen die mal diskutieren, und vielleicht hat eine von diesen Personen in dem Umfeld Lust, in unsere Community zu kommen.“

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