Neue Plagiatsvorwürfe gegen SPD-Richterkandidatin Brosius-Gersdorf

vor etwa 18 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Am Team „Dr. Stefan Weber – Plagiats-, Titel- und Gutachtenprüfung“ scheiden sich sogar die bürgerlichen Geister. Für die FAZ ist Weber „umstritten“, für die NZZ ist er ein „bekannter Gutachter“. Wie auch immer: Nun hat Weber zum zweiten Mal ein – erheblich ausführlicheres – Gutachten zur Dissertation der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf für das Amt einer Verfassungsrichterin vorgelegt. Ein erstes Mal tat Weber das auf noch schmaler Basis unmittelbar vor der für den 11. Juli geplanten Wahl von drei neuen Verfassungsrichtern.

Diese Wahl wurde dann kurzfristig auf unbestimmte Zeit verschoben: zum einen, weil 50 bis 60 Unionsabgeordnete ankündigten, Brosius-Gersdorf nicht wählen zu wollen und damit die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit zu kippen, für die sich eine schwarz-rot-dunkelrot-grüne Koalitionsgemeinschaft vorab stark gemacht hatte. Zum zweiten, und das war erst einmal der Rettungsanker für Merz/Spahn und Co., weil Zweifel an der Dissertation der Kandidatin aufgekommen waren. Weber hatte bemängelt, dass es in der Dissertation von Brosius-Gersdorf „23 Verdachtsstellen auf Kollusion und Quellenplagiate“ gebe. Konkret ging es um sogenannte Textidentitäten in der Doktorarbeit der SPD-Kandidatin aus dem Jahr 1997 und der Habilitationsschrift ihres Ehemannes Hubertus Gersdorf aus dem Jahr 1998 und früheren Schriften von Hubertus Gersdorf. Siehe unten!

Die Gefolgschaft von Brosius-Gersdorf witterte umgehend eine „rechte“ Verschwörung – wegen der Plagiatsvorwürfe, aber auch eine Verschwörung gegen die liberalen Vorstellungen der Kandidatin in Sachen Abtreibung, gegen ihr Liebäugeln mit einem Verbot der AfD usw. ARD, ZDF und DLF gossen Öl ins Feuer, indem sie eine „rechte Kampagne“ (inklusive TE) unterstellten. 300 Juristen sprachen sich für die „hochkarätige Juristin“ Brosius-Gersdorf aus, Kanzler Merz wollte die Wahl von Brosius-Gersdorf mit seinem Gewissen vereinbaren können, Bischöfe entschuldigten sich für den Umgang mit der Kandidatin. ZDF-Mann Markus Lanz gewährte der Kandidatin einen Soloauftritt, wie ihn nur ein Bundespräsident oder ein Kanzler bekommt. Die SPD hielt an dieser Nominierung fest und schlug einen Besuch von Brosius-Gersdorf in der CDU/CSU-Fraktion vor. Die Betroffene selbst ließ eilends ein Gutachten anfertigen, das die Plagiatsvorwürfe entkräften sollte. Führende Unionsleute sahen schon den Bundesrat am Zug für eine Wahl. Kurz: Die Wagenburg stand.

TE hat darüber und auch über die andere umstrittene SPD-Richterkandidatin Ann-Katrin Kaufhold ausführlich und regelmäßig berichtet. Über Frauke Brosius-Gersfeld zuletzt am 26. Juli:

Über Kaufhold zuletzt am 28. Juli:

Nun hat das „Team Stefan Weber“ nachgelegt. Und zwar tiefer schürfend. Es verglich zwei Arbeiten:

Auf 86 Seiten präsentierte das Weber-Team anhand von 91 Passagen Textübereinstimmungen, die – so das Weber-Team – im Gesamtbild die These stark plausibilisieren, dass Gatte Hubertus Gersdorf als Ghostwriter für die Dissertation von Frauke Brosius-Gersdorf tätig war. Die Indizien dafür seien nicht nur gemeinsame Zitierfehler und gemeinsame distinkte Formulierungen, sondern vor allem auch die Tatsache, dass sich unter den Quellen der Textübereinstimmungen auch Texte befinden, die Hubertus Gersdorf bereits vor 1997, also vor der Fertigstellung seiner eigenen Habilitationsschrift publiziert hatte.

TE hat einige Seiten aus dem Weber-Gutachten ins Netz gestellt:

Ungeklärt: Wie kann es in zwei thematisch völlig unterschiedlichen Arbeiten zu identischen Textbausteinen, Belegen und sogar Zwischenüberschriften kommen?

Zur Erinnerung: Bei der Dissertation von Frauke Brosius-Gersdorf geht es 1997 um das Thema „Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip. Eine verfassungsrechtliche Studie zur Bundesbankautonomie vor und nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion“. Bei der Habilitationsschrift des Gatten Hubertus Gersdorf geht es 1998 um „Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip. Eine Studie zur verfassungsrechtlichen Legitimation der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand“. Die Schnittmenge beider Themen dürfte überschaubar sein. Dennoch finden sich fast einhundert textgleiche Bausteine und viel gemeinsamer Zitatekorpus.

Gewiss wird es in der Ehe zweier Rechtsprofessoren tagtäglichen Austausch geben, der die eine oder andere gemeinsame Floskel, den einen oder anderen Gedankengang oder auch die eine oder andere gemeinsame und verwendete Hintergrundlektüre erklärt. Aber eben nicht die Identität etwa von gemeinsam falsch zitierten Belegen, gleichen Kapitelüberschriften bei unterschiedlichen Themen usw.

Das Gutachten des Weber-Teams ist erdrückend. Zu mauern oder zum Gegenangriff überzugehen bringt nichts mehr. Die Kandidatin Brosius-Gersdorf sollte als Juristin wissen, dass sie gegen diese Synopse des Teams Weber keine rechtliche Handhabe hat. Sie selbst und die sie tragende SPD sollten die Reißleine ziehen. Man stelle sich allein vor, die Universität Hamburg würde Brosius-Gersdorf in Kürze oder auch erst nach Monaten den Doktor-Titel entziehen. Es wäre dies für Frauke Brosius-Gersdorf ein Trauma und – falls sie dann schon gewählt wäre – ein Desaster für „Karlsruhe“. Für die Universität Potsdam ohnehin, denn ohne Promotion wäre für Brosius-Gersdorf auch die Professur hinfällig. Brosius-Gersdorf müsste/könnte dann – wo auch immer – als Anwältin arbeiten; die beiden Staatsexamina hat sie ja.

Wenn die SPD noch einen Rest an Realitätssinn und ein wenig Empathie für die Kandidatin hätte, würde sie sagen: „Frauke, lass gut sein! Wir haben uns verrannt.“

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