
Im Wettstreit mit anderen Autonationen wie China, den USA, Japan und Südkorea läuft Deutschland Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Experten sind sich einig: Bei uns bauen zu viele Menschen zu wenige Autos.
Das Handelsblatt berichtet: Allein die Arbeitskosten summieren sich hierzulande im Durchschnitt auf mehr als 3.300 Dollar (im Jahr 2024) pro Fahrzeug. Nirgendwo sonst ist es so teuer, ein Auto herzustellen. Das hat ein Team der Strategieberatung Oliver Wyman ermittelt und dafür 250 Fahrzeugfabriken weltweit verglichen. Bei BMW ist der Gewinn im ersten Quartal um 26,4 Prozent eingebrochen.
Eine BMW-Produktionslinie in München. Bei BMW ist der Gewinn im ersten Quartal um 26,4 Prozent eingebrochen.
Die Studie belegt, dass die Ausgaben für Löhne, Gehälter, Altersvorsorge und Sozialleistungen pro produziertes Fahrzeug für Autokonzerne in Frankreich und den USA nicht einmal halb so hoch sind wie die in Deutschland. Im weltgrößten Neuwagenmarkt China sind die Arbeitskosten mit 597 Dollar pro Fahrzeug fünfeinhalb Mal niedriger. Auch in Japan und Südkorea, der Heimat großer Marken wie Toyota, Nissan, Hyundai und Kia, sind die Arbeitskosten deutlich niedriger. Die geringsten Kosten pro Fahrzeug gibt es in Marokko (106 Dollar), Rumänien (273 Dollar) und Mexiko (305 Dollar).
Eine Renault Fabrik in Casablanca. Die geringsten Kosten pro Fahrzeug gibt es in Marokko.
Diese Werte sind für die deutsche Autoindustrie alarmierend. Denn die Arbeitskosten stehen für etwa zehn bis zwanzig Prozent der Gesamtkosten eines Fahrzeuges. Zudem sind diejenigen Kosten, die Konzerne, Sozialpartner und Politik leichter beeinflussen können als Materialkosten. Diese machen mehr als die Hälfte der Kosten aus. „Wir beobachten teils extreme Unterschiede in den Fertigungskosten nach Land und Hersteller“, sagt Studien-Autor Daniel Hirsch. „In China lassen sich Pkw für lediglich 200 Dollar herstellen, in Deutschland fallen dagegen pro Fahrzeug schon mal bis zu 8.000 Dollar an.“
Neben den hohen Löhnen in Deutschland hadern Autobauer und Zulieferer von München bis Wolfsburg auch mit teurem Strom und Gas, mit sinkenden Stückzahlen, komplexen Strukturen sowie mit überbordender Bürokratie in Form von Dokumentationspflichten. „Es stellt sich die Frage, wie wir künftig in Deutschland überhaupt noch Fahrzeugbau ermöglichen können“, sagt Fabian Brandt, Deutschland-Chef von Oliver Wyman. „Wenn die Volumina noch weiter fallen, wandern uns viele mittelständische Lieferanten ab oder gehen gänzlich kaputt.“
Tatsächlich verlagern Volkswagen, Mercedes-Benz, BMW und Opel schrittweise immer mehr Fertigungskapazitäten ins Ausland. Die Folge: Von 2014 bis 2024 ist die jährliche Pkw-Produktion in den heimischen Fabriken um mehr als 27 Prozent auf 4,1 Millionen Fahrzeuge gesunken. Die Zeiten, in denen hierzulande beinahe sechs Millionen Pkw vom Band gelaufen sind, kommen wohl nie wieder.
Ein Mercedes wird in Indonesien zusammengebaut.
Um den Autostandort Deutschland mit seinen 800.000 Beschäftigten wieder wettbewerbsfähiger aufzustellen, empfiehlt Oliver Wyman den Herstellern, noch stärker zu sparen, Werksflächen zu komprimieren, die Anzahl und Modelle zu reduzieren und stärker zu automatisieren. Die Ausfallzeiten infolge von Krankenstand und Feiertagen müssten sinken, ebenso die Energiekosten. Denn solange Strom und Gas verhältnismäßig teuer sind, rechnen sich Investitionen in moderne Fabriken kaum.
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