
Aus Brüssel kommt eine neue Verordnung, die angeblich die Wälder retten soll, aber am Ende zu höheren Preisen für alle Kunden sorgen wird. Denn Unternehmen müssen dann umfangreich nachweisen, dass kein Wald unter der Herstellung von vielen verschiedenen Produkten leidet oder gerodet wird. Kritik kommt nicht nur aus der Wirtschaft, sondern auch von NGOs. Doch Ursula von der Leyen hält unbeirrt an ihrem Kurs fest.
Die neue EU-Verordnung für „entwaldungsfreie Produkte“ (EUDR) soll ab dem 31. Dezember 2025 gelten – und zwar nicht nur für tropische Regenwälder, sondern auch für europäische Waldflächen. Die Regelung verlangt von Unternehmen künftig eine Sorgfaltserklärung, dass für ihr Produkt nach dem 31. Dezember 2020 kein Wald gerodet oder geschädigt wurde. Firmen müssen also ein halbes Jahrzehnt rückwärts nachweisen können, dass irgendwo auf der Welt kein Baum gefällt und kein Busch gerodet worden ist, um ihre Produkte oder auch nur Teile davon anzubauen.
Trotz massiver Kritik beharrt Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, auf dem irren Bürokratie-Kurs.
Die EUDR verbietet per EU-Verordnung Nr. 1115/2023, bestimmte Rohstoffe und daraus gefertigte Produkte in der EU in Verkehr zu bringen oder aus der EU zu exportieren, wenn sie:
(a) mit Entwaldung/Waldschädigung nach dem Stichtag 31.12.2020 in Verbindung stehen, (b) nicht legal im Erzeugerland produziert wurden, oder (c) ohne eine vorherige Sorgfaltserklärung (sogenanntes „due diligence statement“) gemeldet werden.
Davon betroffen sind grundsätzlich sieben Rohstoffe: Rind – und Rinderwaren –, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Naturkautschuk, Soja und Holz. Aber auch zahlreiche Produkte, die aus diesen Rohstoffen hergestellt werden wie beispielsweise Leder, Schokolade, Reifen, Möbel oder Zellstoff und Papier. Das bedeutet, dass die Kosten für alle diese Produkte wegen der verordneten – immensen – Bürokratie durch Kontrollen, Tests und Beglaubigungen massiv steigen werden.
Diese Kosten geben die Unternehmen weiter. Und zwar an die Kunden und Verbraucher. Damit ist der nächste Preisschock im Supermarkt und an vielen anderen Stellen schon programmiert. Oder genauer: von der EU-Kommission um Ursula von der Leyen mit einem genauen Datum beschlossen.
Auch Rindfleisch und Rinderprodukte sind vom nächsten Preisschock betroffen.
Der Aufwand für die Unternehmen ist enorm. Und es sollen Informationen geliefert werden, die es zum großen Teil gar nicht geben kann, weil sie vor Ort nicht erfasst, geschweige denn irgendwie digital gespeichert werden. Vor dem Inverkehrbringen oder Export verlangt die EU eine umfassende „Sorgfaltspflicht“. Unternehmen müssen relevante Informationen einsammeln, die Risiken bewerten und nachweisen, dass sie diese Risiken mindern. Bevor irgendeine der genannten Waren in den Verkehr gebracht oder ausgeführt wird, ist eine elektronische Sorgfaltserklärung abzugeben. Diese umfasst unter anderem genaue Produktangaben, das Erzeugerland mit genauer Geolokation sämtlicher Flächen der Rohstoffproduktion, den Produktionszeitraum sowie Nachweise für Entwaldungsfreiheit und Rechtmäßigkeit. Für die Rückverfolgbarkeit verlangt die Verordnung ganz präzise Geodaten: Koordinaten mit mindestens sechs Dezimalstellen. Bei Flächen über vier Hektar muss die Fläche „als Polygon erfasst“ werden. Bei Rindern sind zudem die Haltungsbetriebe anzugeben. Die Abgabe der Sorgfaltserklärung läuft natürlich über ein zentrales und kompliziertes EU-Informationssystem.
Unternehmen müssen künftig nachweisen, dass für ihre Produkte nach dem 31. Dezember 2020 kein Wald zerstört wurde, ansonsten drohen drakonische Strafen.
Wenn Unternehmen den Pflichten nicht nachkommen, kann es sehr teuer werden. Oder die Waren dürfen nicht in die Geschäfte. Behörden können Sendungen aus dem Ausland einfach anhalten, die Rückrufe oder die Vernichtung der Waren anordnen. Geldbußen müssen laut Verordnung „abschreckend“ sein. Der Mindest-Höchstbetrag für Unternehmen liegt bei mindestens vier Prozent des EU-Jahresumsatzes des Vorjahres. Und Unternehmen, die nicht mitmachen und vorschriftsmäßig melden, droht der Ausschluss von Vergaben und Förderungen der EU. Auch „temporäre Vermarktungsverbote“ sind möglich. Das bedeutet dann, dass die Waren für unbestimmte Zeit nicht verkauft werden dürfen. Ein faktisches Geschäftsverbot.
Kritik an den neuen EU-Vorschriften kommt bereits von allen Seiten. Vom Einzelhandel bis hin zu NGOs. Für Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ist die ausufernde Bürokratie das eigentliche Problem – noch vor Steuern, Energiepreisen und Infrastruktur. Gegenüber Bild fordert er, die Nachweispflicht auf Importeure zu begrenzen, statt die ganze Lieferkette in die Pflicht zu nehmen.
Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer übt Kritik an der neuen Verordnung.
Auch der Handel schlägt Alarm. Ein Edeka-Sprecher warnt vor Millionen zusätzlicher Sorgfaltserklärungen und einer aufwendigen Erfassung von Geodaten. Dirk Heim (Rewe Group) ist bei der Preisfrage noch zurückhaltend. Die Folgen an der Kasse ließen sich derzeit nicht seriös beziffern. Doch eine Preissteigerung sei praktisch unabwendbar.
Kritik kommt sogar von Fairtrade Deutschland. Martin Schüller rechnet mit hohen Kosten und Lieferausfällen, besonders bei Bio- und Fairtrade-Ware. In Ländern des globalen Südens wirkten die Vorgaben wie eine „neokoloniale Fremdbestimmung“. Die EU versuche den Ländern mit den Verordnungen ihre Vorstellungen und Werte aufzudrücken und zerstöre damit die Existenzgrundlage vor Ort. Damit würde weder der Wald geschützt, noch die Wirtschaft gefördert und die Preise in Deutschland dürften explodieren.
Der Deutsche Kaffeeverband warnt explizit vor Versorgungsengpässen und steigenden Preisen. „Derzeit erfüllen nur etwa 20 Prozent der Farmer die Anforderungen“, sagte Geschäftsführer Holger Preibisch gegenüber der dpa. Politische Strukturen in Anbauländern und fehlende digitale Schnittstellen erschwerten die Datenerfassung.
Der Deutsche Kaffeeverband warnt, dass es zu Lieferproblemen und höheren Preisen kommen kann.
Auch die Süßwarenindustrie schlägt Alarm. „Wenn die Voraussetzungen für eine praktikable Umsetzung nicht gegeben sind, werden viele Rohstoffe aus Drittländern und daraus hergestellte Produkte in der EU nicht verkehrsfähig sein“, sagte BDSI-Geschäftsführer Torben Erbrath ebenfalls der dpa.
Kanzler Merz und Landwirtschaftsminister Alois Rainer haben in einem Brief die Verschiebung der Verordnung bei Ursula von der Leyen eingefordert. Um ein Jahr. Grundsätzlich ändern würde das also nichts. Die EU-Kommissionschefin hat diesen Brief auch gekonnt ignoriert und will die Verordnung durchziehen. Damit können sich Verbraucher und Unternehmen auf einen radikalen Kosten- und Preissprung zum neuen Jahr einstellen. Egal ob bei Kaffee, Gummi oder Möbeln.
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