
Ab 11:00 Uhr tritt der neu gewählte Bundestag zusammen. Während der konstituierenden Sitzung im Reichstag werden unter anderem der Bundestagspräsident und seine Stellvertreter gewählt. Das Grundgesetz schreibt die Konstituierung des Bundestages innerhalb von dreißig Tagen vor. Diese Frist hat schwarz-rot mit dem heutigen Dienstag komplett ausgereizt – auch, um noch die Sondersitzung des abgewählten Parlamentes möglich zu machen.
Als Alterspräsident wird Gregor Gysi die konstituierende Sitzung eröffnen und eine lange Rede halten. Er ist das dienstälteste Mitglied des Bundestages und leitet die Wahl des Bundestagspräsidenten. Für diese Rolle ist die CDU-Politikerin Julia Klöckner vorgesehen – es gilt als sicher, dass sie gewählt werden wird. Gysis Rolle ist umstritten – sowohl aufgrund seiner politischen Vergangenheit als letzter SED-Chef als auch wegen Verfahrensfragen.
Um einen Alterspräsidenten aus den Reihen der AfD zu verhindern, bricht der Bundestag nämlich seit 2017 mit der seit 1848 bestehenden deutschen Parlaments-Tradition, dass der Alterspräsident der nach Lebensjahren älteste Abgeordnete ist. Auch in dieser Legislatur wäre der demnach eigentliche Alterspräsident ein AfD-Politiker, der Parteigründer Alexander Gauland. Die AfD wird Gysis Rolle anfechten, hieß es bereits im Vorfeld.
Zu Beginn der Sitzung erhält deshalb auch der AfD-Politiker Baumann das Wort. Er kritisierte zunächst das Sondersitzungs-Verfahren des alten Bundestages und attackierte die Union zunächst politisch. Dann sprach er zur Geschäftsordnung: Dass man diese aus parteipolitischen Überlegungen so geändert habe, sei „erbärmlich und perfide“.
Die CDU/CSU in Form von ihrem parlamentarischen Geschäftsführer Thorsten Frei widersprach Baumann: Die Anti-AfD-Novelle von 2017 sei ein „vernünftiger Ansatzpunkt“. Auch die SPD-Geschäftsführerin Katja Mast stieß ins gleiche Horn und erklärte, sie sei „froh“, dass Gysi den Vorsitz führe. In diesem Zusammenhang erklärte sie, so würde „die Würde“ der Demokratie und des Bundestages gewahrt.
„Ich denke, dass der Alterspräsident Gregor Gysi, so wie wir ihn kennen, seine Worte weise, klar und mit seiner ganz eigenen persönlichen Note ausfüllen wird. Also halten wir an dieser bewährten Regelung fest“, so Mast. Die Linke in Form ihres Geschäftsführers Christian Görke lobte Gysi auch wegen seiner „politischen Biographie“. Der Antrag der AfD wurde schließlich abgelehnt. Gysi eröffnete daraufhin auch offiziell die Sitzung.