
Mathias Brodkorb, von 2016 bis 2019 Finanzminister von Mecklenburg-Vorpommern, ist heute ein erfolgreicher Autor. In seinem neuen Buch „Postkoloniale Mythen“ hat er untersucht, wie einseitig viele Völkerkundemuseen deutsche Geschichte darstellen.
NIUS dokumentiert wichtige Erkenntnisse, die Mathias Brodkorb in einem Interview mit der Berliner Zeitung formuliert hat:
„Das postkoloniale Denken hat zu falschen Darstellungen geführt. Erstens: Der Weiße ist schuldig und der Nichtweiße unschuldig. Zweitens: Die Schuld der Weißen und der Opferstatus der Nichtweißen haben sich auf die Nachfahren vererbt. Drittens: Daher müssen die heutigen Weißen Wiedergutmachung und Buße leisten. Das ist die Quintessenz des postkolonialen Denkens. Schuldige können aber nur Täter sein – und nicht die Nachfahren von Tätern. Außerdem geht es den Postkolonialisten wortwörtlich um eine regelrechte Beseitigung der historischen Schuld und eine Heilung der Welt. Mich erinnert das eher an einen Gottesdienst als an Wissenschaft. Die unangenehmen Teile unserer Geschichte sollen im Grunde ausradiert werden.“
„Es gibt zwar Anhänger des Postkolonialismus, aber es gibt auch Menschen, für die das gar keine Rolle spielt. Vor etwa zehn Jahren versuchte die Regierung von Namibia, den Ort Lüderitz umzubenennen. Adolf Lüderitz ist jener Mann, mit dem 1883 durch den Ankauf von Land die Geschichte des deutschen Kolonialismus in Afrika begann und wo sie mit der Niederschlagung des Aufstandes der Herero ab dem Jahre 1904 auch ihren moralischen Tiefpunkt erreichte. Aber die einheimische Bevölkerung wehrte sich gegen eine Umbenennung. Das Argument war: Auch der deutsche Kolonialismus gehört zur Geschichte Namibias. Es gibt keinen Grund, ihn auszuradieren. Entscheidend ist viel mehr, wie man mit diesem Teil der Geschichte umgeht. Wir Deutschen könnten von den Afrikanern vieles lernen.“
Der Bremer Tabakhändler Adolf Lüderitz hisste 1883 die deutsche Flagge in der Bucht von Angra Pequena, heute Lüderitz, und erwarb damit Deutsch-Südwestafrika, das heutige Namibia.
„Das postkoloniale Denken geht so weit, dass man das Wort Völkerkunde nicht einmal mehr in den Mund nehmen will. In Hamburg sagte mir die Direktorin, sie lehne das Wort ab, weil es keine Völker gebe. Sie nennt ihr Haus stattdessen ein ethnographisches Museum. Ethnographie heißt wörtlich übersetzt aber: Volksbeschreibung. Was beschreibt sie eigentlich, wenn es Völker gar nicht gibt? Die Völkerkundemuseen sind zu Heimatmuseen der weißen Schuld geworden, anstatt dass sie sich mit den Kulturen der Welt beschäftigen. Sultan Njoya (1876 bis 1933, Sultan des Königreiches Bamum im heutigen Kamerun, Anm. d. Red.) zum Beispiel hatte nicht nur rund 400 Frauen und 100 Kinder. Er erfand auch eine eigene Schrift, gründete eine Schule und unterrichtete persönlich. Es gäbe so fantastische, vielschichtige Geschichten zu erzählen – von den Kulturen der Welt.“
„Die Berliner Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, eine sehr bekannte Vertreterin des Postkolonialismus und Verfechterin von Rückgaben von Kulturgütern an die Herkunftsländer, hat einmal gesagt: Für mich ist es weniger wichtig zu wissen, welche Funktion ein Gegenstand in Namibia hatte, als zu erfahren, unter welchen Umständen er hierhergekommen ist.
Bénédicte Savoy
Das war ein intellektueller Offenbarungseid. Damit sagte sie im Grunde: Das Verstehen anderer Kulturen ist zweitrangig, das Kultivieren der eigenen Schuldkomplexe das Gebot der Stunde. Das kann man zwar so sehen, aber dafür sollte niemand Steuern bezahlen müssen.“
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