
Der Aufschwung der AfD nach der Bundestagswahl sorgt bei den Verhandlern von Union und SPD für Unruhe. Nachdem die Partei in einer Insa-Umfrage am Samstag gleichauf mit CDU und CSU gewertet wurde, haben sich zahlreiche Vertreter der möglichen Koalitionäre zu Wort gemeldet und versprochen, schnellstmöglich Ergebnisse vorzulegen.
„Sobald die Regierung steht, stellen wir die Weichen in der Wirtschafts-, Migrations- und Verteidigungspolitik um“, versprach der CDU-Bundestagsfraktionsvorsitzende Thorsten Frei in der Bild am Sonntag. „Der Neustart wird in jedem Dorf und in jeder Stadt zu spüren sein.“ Dabei hat das Vorgehen der Union in den Sondierungen in eben jenen Bereichen für Kritik gesorgt.
Nicht nur haben Union und SPD gemeinsam mit den Grünen eine Grundgesetzänderung im alten Bundestag beschlossen, mit der die Neuverschuldung für ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro ermöglicht werden soll – das nicht für Verteidigungsausgaben, sondern Infrastruktur vorgesehen ist. Auch in der Migrationspolitik ist die Union weitgehend von den im Wahlkampf versprochenen Maßnahmen abgerückt.
Dennoch versprechen Unionspolitiker nach dem Erstarken der AfD jetzt weitreichende Änderungen und machen das Ausbleiben des Koalitionsvertrags für die Umfragewerte verantwortlich. Diese seien „bitter“, weiß auch der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Deswegen käme es neben einem „guten Koalitionsvertrag“ auch „auf die Taten der neuen Regierung“ an. „Es darf kein ‚Weiter-so‘ geben“, erklärte er gegenüber der Bild am Sonntag.
Dabei ist genau das der Hauptvorwurf, den sich die Verhandler der Union immer wieder anhören müssen. Im Wahlkampf hatte Friedrich Merz die Schuldenbremse gelobt und eine Reform abgelehnt – diese dann nach der Wahl aber doch mit dem alten Bundestag durchgeführt. Nach dem Attentat in Aschaffenburg kündigte der CDU-Vorsitzende außerdem eine kompromisslose Migrationspolitik an, zu der Abschiebungen und Ablehnungen von allen Drittstaatlern ohne gültige Papiere und Einreisedokumente zählten.
Letztlich herrscht zwar noch keine Einigkeit, im Sondierungspapier von Union und SPD geht es aber vor allem um Zurückweisungen an den Grenzen – und auch das nur nach Absprache mit den Nachbarländern. Spitzenpolitiker von CDU und CSU machten für den Kurswechsel immer wieder die zugespitzte Weltlage infolge des Eklats im Weißen Haus verantwortlich, bei dem Donald Trump ein Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aufgrund von Unstimmigkeiten abgebrochen hatte.
Obwohl sich beide Seiten in der Folge wieder annäherten, blieb das Argument bestehen. Teilweise wurde in diesem Kontext sogar vor einer russischen Invasion in Deutschland gewarnt (Apollo News berichtete). Währenddessen erklärten etwa Frei und auch Merz, weil die Wähler die Union bei der Bundestagswahl nicht mit der absoluten Mehrheit ausgestattet hätten, müssten nun eben Kompromisse gefunden werden. Auch damit rechtfertigten die Parteiköpfe den Kurswechsel.
CSU-Generalsekretär Martin Huber wiederholte nach der einschlägigen Insa-Umfrage, die die AfD gleichauf mit der Union sieht, einen Großteil der bereits bekannten Argumente. „Trump stürzt mit seinen Zöllen die Weltwirtschaft in eine Krise, und die AfD ist ihm treu ergeben“, erklärte der CSU-Politiker der Bild am Sonntag. Für ihn ist klar: „Wer AfD wählt, wählt Trump und Putin.“
Nach der Bundestagswahl, bei der die Union auf 28,6 Prozent und die AfD auf 20,8 Prozent kam, zeigten sich CDU und CSU von dem eingeschlagenen Weg überzeugt – das wurde eben immer wieder mit dem Blick auf die Weltlage argumentiert. Doch jetzt, da die AfD der Union nicht nur auf den Fersen ist, sondern sie in absehbarer Zeit überholen könnte, begreifen auch die Spitzenpolitiker, dass der Kurswechsel der Union nicht einfach am Wähler vorbeigehen wird – doch für Einsicht ist es aufgrund der fortgeschrittenen Koalitionsverhandlungen längst zu spät.