„Nicht als Satire erkennbar“: Die absurde Urteilsbegründung im Fall Bendels

vor 3 Monaten

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Bildquelle: Apollo News

„Ich hasse die Meinungsfreiheit“ – für dieses Faeser-Meme wurde der Chef des AfD-nahen „Deutschland Kuriers“, David Bendels, am 7. April vom Amtsgericht Bamberg zu sieben Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf Bewährung, verurteilt. Apollo News konnte nun die gesamte Urteilsbegründung einsehen. Darin heißt es, dass der Leser angeblich nicht fähig wäre, das Meme – den „verächtlich machenden Post“ – als Satire zu erkennen. Deshalb sei der Beitrag „nicht durch die Meinungs- und Kunstfreiheit des Art. 5 GG gedeckt“.

„Der Angeklagte hat sich mithin der gegen Personen des politischen Lebens gerichteten Verleumdung gemäß […] schuldig gemacht“, heißt es in der siebenseitigen Urteilsbegründung, die sich auf den Paragrafen 188 des Strafgesetzbuchs, also Politiker-Beleidigung, beruft. Es handle sich um „eine bewusst unwahre Tatsachenbehauptung“. Denn aus einem „Vergleich des Posts mit dem Original-Bild“ habe sich ergeben, dass „das dort abgebildete und echt wirkende Geschehen in Wirklichkeit so nicht stattgefunden“ habe.

Der Beitrag, den Bendels im Kontext von Faesers Ankündigung, gegen vermeintliche Staatsverhöhnung vorzugehen, am 28. Februar 2024 auf X veröffentlicht hatte, sei einem „Betrachter nicht als verändertes Bild erkennbar“ gewesen. Dies hätte Bendels „zumindest billigend in Kauf genommen“. Der „einzelstehende Post, der auf kein vorangegangenes Geschehen Bezug nimmt“ würde „keine Hinweise auf eine satirische Darstellung“ enthalten. Eine solche sei außerdem „nicht ohne Weiteres erkennbar, da Nancy Faeser tatsächlich im Original ein Blatt Papier vor dem Körper hält und sich der abgeänderte Text damit nahtlos an die Körperhaltung und Umgebung des Originalbildes einfügt“.

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Auf dem Original-Bild, das anlässlich des Holocaust-Gedenktages einen Monat zuvor erstellt wurde, ist der Schriftzug „We Remember“ zu sehen – in einer deutlich anderen Schriftart, sichtbar nicht digital nachgefügt. Laut dem Amtsgericht könne die „Aufmachung, Schrift, Farbe und Inhalt“ bei Bendels Meme aber durchaus „als echt wahrgenommen werden“. Die „geringfügige Abweichung des Winkels der Schrift zu den Kanten des fast waagerecht von der Betroffenen gehaltenen Blattes und der die Schrift unmittelbar umgebenden Hintergrundfarbe zur sonstigen Farbe des Blattes“ würde „bei einer flüchtigen Ansicht“ nicht auffallen. Erst bei „genauer Betrachtung oder gar Vergrößerung“ sei die Abweichung „erkennbar“.

So könne laut dem Gericht ein „unbefangene[r] Leser“ durchaus glauben, dass Faeser „tatsächlich ein Blatt Papier mit einem solchen Text in die Kamera“ halten würde. Die „Wiederholung des auf dem Schild stehenden Textes ‚Faeser HASST #Meinungsfreiheit!‘ als Überschrift des Posts“ stelle „zwar eine Wertung dar“, doch wenn „solche Werturteile durch Anführung von Tatsachen wie hier mit dem veränderten Bild belegt werden, liegt der Schwerpunkt bei der Tatsachenbehauptung“.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser selbst hatte sich durch die satirische Abänderung des Bildes offenbar angegriffen gefühlt und stellte selbst den Strafantrag gegen Bendels. Den entscheidenden Hinweis lieferte damals die staatliche Meldestelle „Hessen gegen Hetze“, wie die Staatsanwaltschaft gegenüber Apollo News Anfang April bestätigte (mehr dazu hier). Das Amtsgericht Bamberg gibt der Ministerin derweil mit seinem Urteil recht: Betrachtet man die „Gesamtumstände“, sei der „verächtlich machende Post geeignet, das öffentliche Wirken der damaligen Innenministerin Nancy Faeser als Person des politischen Lebens erheblich zu erschweren“.

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Von „einer falschen Tatsachenbehauptung“ gehe „regelmäßig die Gefahr aus, dass sie sich gerade im Internet auf unüberschaubare Weise verbreitet und dadurch das Vertrauen in die Integrität der Betroffenen untergraben“ könnte. Dies sei aufgrund des von Faeser „zum damaligen Zeitpunkt geführten Amtes“ als „besonders schwerwiegend zu bewerten“.

Der Beitrag von Bendels sei „nicht durch die Meinungs- und Kunstfreiheit des Art. 5 GG gedeckt“. Denn die „Belange der Meinungsfreiheit“ würden „der bei der Wahrnehmung berechtigter Interessen eine Verurteilung wegen ehrverletzender Äußerungen“ ausgeschlossen sein. Die Meinungsfreiheit finde dort „ihre Schranken“ und sei nicht „nicht vorbehaltlos garantiert“, wenn die „persönlichen Ehre“ verletzt werden würde.

So greifen bei dem Post von Bendels weder die Meinungs-, noch die Kunstfreiheit, „da der satirische oder künstlerische Charakter des Posts dem unvoreingenommenen und verständigen Betrachter nicht erkennbar“ sei. Das Gericht erachtete daher eine „Freiheitsstrafe von 7 Monaten für tat- und schuldangemessen“. Dass Bendels vorher „strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten“ sei, hätte man zu seinen Gunsten „berücksichtigt“.

Da bei Bendels „eine positive Sozialprognose“ vorliege, würde das Urteil zudem „zur Bewährung ausgesetzt“. Es sei „zu erwarten, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung gereichen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird“, formuliert das Gericht abschließend.

Die Begründung des Gerichts wurde von verschiedenen Juristen als absurd abgetan – denn offensichtlich ist der Post als Meme intendiert, zumal ähnliche Collagen vielfach geteilt wurden. Die Haftstrafe kommt auch allein durch diesen konstruierten Vorwurf zustande – denn eine solche ist tatsächlich im Paragraf 188 die Mindeststrafe, sofern Verleumdung besteht. Verleumdung kann hier aber nicht mit einer Beleidigung, sondern nur mit dem skurrilen Vorwurf argumentiert werden, Bendels habe Faeser ein falsches Zitat in den Mund gelegt und es als echt ausgegeben. Ein Revisionsverfahren in dem Fall steht aus, das Bayerische Justizministerium wollte die Frage bislang nicht beantworten, inwiefern der Fall untersucht oder geprüft werde. Die Bamberger Justiz zieht jedenfalls immer mehr Kritik rund um diesen Vorgang auf sich.

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