
Wie ihre beiden Ampel-Koalitionspartner SPD und FDP wurden auch die Grünen bei der Bundestagswahl an den Wahlurnen abgestraft. Nach den 14,7 Prozent erhielt die Partei dieses Mal nur noch 11,6 Prozent der Zweitstimmen. Franziska Brantner erklärte nun in einem Interview mit dem Spiegel, dass die Partei intern „schonungslos, aber nicht reflexhaft“ die Ursachen aufarbeiten werde.
Ungeachtet dieser noch ausstehenden internen Evaluation gab Brantner in dem Interview ihre eigene Interpretation der Ergebnisse zum Besten. Demnach trage vor allem die CDU und ihr Vorstoß in Sachen Migrationspolitik eine Mitverantwortung an der Abwanderung ehemaliger Grünen-Wähler zur Linken. „Offensichtlich müssen wir analysieren, warum wir so stark an die Linke verloren haben. Sie hat unter anderem profitiert von der Polarisierung, die die Union in den letzten Wochen betrieben hat“, so die Parteichefin.
Zudem sei der auf gemeinsame, konsensuelle Lösungen innerhalb der demokratischen Mitte ausgerichtete Koalitionswahlkampf mit dem „Bündnis-Kanzler“ Habeck am konfrontativen Auftreten der Union gescheitert: „Das konservative Lager hat sich nach rechts bewegt, hin zu einer härteren, kompromissloseren Politik. Die Mitte selbst ist in Bewegung.“
Auch wenn Brantner bedauert, dass der Ansatz, keine Koalitionspartner im Vorfeld auszuschließen und Polarisierung zu vermeiden, nicht aufgegangen sei, verteidigte sie ihn. Es brauche in Deutschland mindestens eine politische Kraft, „die unser Land zusammenhält und daran arbeitet, es zu reformieren“.
Insgesamt, so Brantner weiter, sei es das zentrale Problem der Grünen gewesen, mit dem eigenen, in der Selbstwahrnehmung betont pragmatischen, mittigen und nach allen Seiten gesprächsbereiten Auftreten im Wahlkampf zwischen einer kompromisslosen Union und einer radikalen Linken aufgerieben worden zu sein. Brantner sieht die Grünen deshalb in einer „Zwickmühle“: „Den einen sind wir zu radikal, den anderen nicht radikal genug.“
Aus ihrer Sicht gehe es künftig nicht darum, „weniger oder mehr zu machen, sondern es besser und mit mehr Freude zu machen“. Brantner betont, dass es nicht darum gehe, „schriller als die Linke und die AfD“ zu sein, sondern als künftige Oppositionspartei im Bundestag „machbare Alternativen“ zu bieten, kooperationsbereit zu bleiben und „das Gegengift gegen die autoritären Kräfte“ zu entwickeln.
Auch Co-Parteichef Felix Banaszak erklärte der Funke-Mediengruppe, dass sich die Grünen stärker auf ihren Kernbereich Klimaschutz konzentrieren müssen. „Die Grünen müssen nicht einfach entweder linker oder mittiger werden, sondern wieder grüner und die politische Debatte prägen, statt nur auf sie zu reagieren.“ Für ihn sei es entscheidend, die eigenen Prinzipien und Werte auch in schwierigen Zeiten hochzuhalten. „Trauen wir uns, in die Auseinandersetzung zu gehen“, forderte er.