
ÖVP-Chef Christian Stocker steht womöglich vor dem größten Karrieresprung seines politischen Lebens. Der 64-Jährige gilt mittlerweile als ernsthafter Anwärter auf das Amt des Bundeskanzlers.
Noch vor wenigen Wochen schien Stocker, damals Generalsekretär der ÖVP, dem Ruhestand näher als dem Kanzleramt. Doch seit seiner Übernahme der Parteiführung genießt er zunehmend wachsende Unterstützung innerhalb der Partei.
Nach dem Wahlsieg der FPÖ im Herbst versuchten die Konservativen zunächst, gemeinsam mit der SPÖ und den NEOS eine Koalition gegen den Wahlsieger Herbert Kickl zu bilden. Die Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS scheiterten jedoch Anfang Januar 2025. Ausschlaggebend war der Rückzug der NEOS aufgrund mangelnder Reformbereitschaft, was schließlich auch das Scheitern der Gespräche zwischen der ÖVP und der SPÖ zur Folge hatte. Daraufhin wandte sich die ÖVP unter ihrem neuen Vorsitzenden Christian Stocker der FPÖ zu – entgegen früherer Zusicherungen, unter keinen Umständen mit Herbert Kickl zusammenzuarbeiten.
Doch auch die Koalitionsgespräche zwischen der FPÖ und der ÖVP blieben ergebnislos. Nach 37 Tagen scheiterten sie am 12. Februar 2025. FPÖ-Chef Herbert Kickl gab den Regierungsbildungsauftrag an Bundespräsident Alexander Van der Bellen zurück. Der zentrale Streitpunkt war die Verteilung der Ministerien: Sowohl die FPÖ als auch die ÖVP beanspruchten das Innen- und Finanzministerium für sich. Zudem gab es erhebliche inhaltliche Differenzen, insbesondere in der EU-Politik und bei Fragen der Rechtsstaatlichkeit.
Nun rücken erneut Gespräche mit der SPÖ in den Fokus. Eine offizielle Bestätigung gibt es zwar noch nicht, doch Signale aus der ÖVP deuten darauf hin, dass Stocker die Partei in mögliche Verhandlungen mit der SPÖ führen könnte. Ein hochrangiger ÖVP-Funktionär ließ durchblicken: „Wenn er es will, dann wird er es.“ Stockers Generalsekretär Alexander Pröll bekräftigte, dass Stocker „zu 100 Prozent“ als Verhandlungsführer fungieren werde.
Ähnlich wie sein Vorgänger Karl Nehammer könnte Stocker das Kanzleramt übernehmen, ohne als Spitzenkandidat in eine Nationalratswahl gegangen zu sein. In dieser Wahl belegte die ÖVP sogar nur den zweiten Platz. Ende März soll Stocker auf einem Parteitag offiziell zum ÖVP-Vorsitzenden gewählt werden.