Niederländische Pensionsfonds trennen sich von Staatsanleihen

vor etwa 7 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die Niederlande reformieren ihr Rentensystem von Grund auf. Seit Jahresbeginn stellen öffentliche und private Pensionsfonds von leistungs- auf beitragsorientierte Modelle um. Die Bezüge von acht Millionen Rentenbeziehern sind davon betroffen. Der systemische Switch hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Portfoliostruktur der Pensionskassen. In der Zukunft setzt man verstärkt auf die Investition am Aktienmarkt und reduziert zinstragende Produkte wie Staatsanleihen.

Gemeinsam halten die Kassen Staatsanleihen im Wert von 457 Milliarden Euro, darunter auch acht Prozent deutsche Papiere. Bis zum Jahr 2028 will man sich von Anleihen im Wert von 125 Milliarden Euro trennen und den Bestand damit um mehr als ein Viertel reduzieren.

Das bedeutet, dass sich die Niederlande in den kommenden Jahren auch von deutschen Staatsanleihen im Wert von etwa neun Milliarden Euro trennen werden. Angesichts der deutschen Gesamtverschuldung von über 2,5 Billionen Euro ist dies allerdings ein Betrag, der vor dem Hintergrund des Handelsvolumens am Anleihenmarkt nicht ins Gewicht fallen wird. Dennoch sollten im Bundesfinanzministerium von Lars Klingbeil die Alarmsirenen schrillen.

Größere Pensionskassen agieren an den Märkten gewöhnlich wie große Tanker. Rasche Richtungswechsel sind Aufgrund eng gesetzter gesetzlicher Rahmenbedingungen ausgeschlossen. Bei der treuhänderischen Verwaltung der Kundeneinlagen gilt das oberste Gebot der Risikovermeidung. Die Geschwindigkeit der Portfolioumstellung und die Hinwendung zu risikoreicheren Anlageklassen wie Aktien werfen daher Fragen auf.

Denn der Finanzplatz Amsterdam ist im Zusammenspiel mit der City of London das tonangebende Zentrum der europäischen Kapitalmärkte. Entscheidungen, die hier getroffen werden, fließen in der Regel in kurzer Zeit in die Lagebewertung andernorts in Europa ein. Diese fundamentale Portfolioentscheidung hat also Gewicht.

Mit ihrer investitionspolitischen Volte konterkarieren die niederländischen Pensionskassen die noch im April proklamierte Wende zu deutschen Anleihen als Safe Haven für globales Kapital. Deutschland war als sicherer Hafen von der Europäischen Zentralbank auserkoren worden – der Versuch eines Nadelstichs gegen die Anleihenmärkte der USA, die den Europäern soeben mit ihrem Zollangriff den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen hatten. Ein „Tit-for-tat“, das beim übermächtigen Gegner lediglich ein Achselzucken provozierte.

Das fußlahme geostrategische Manöver endete schließlich an Krücken, als der Anleihenmarkt am 15. April die Risiken, die mit dem Billionen Euro schweren deutschen Schuldenpaket verbunden sind, einpreiste. Die Rendite schoss binnen Tagen um 43 Basispunkte auf 2,84 Prozent nach oben – der stärkste Anstieg seit der Wiedervereinigung. Anleger antizipierten die bevorstehende Anleiheflut und trennten sich von Altbeständen; die Kurse fielen, die Zinsen stiegen. Ein Vorgeschmack auf das Marktumfeld, das einen Finanzminister erwartet, der in der Fiskalpolitik Maß und Mitte verloren hat.

Die Rentenumstellung in den Niederlanden und der mit ihr verbundene Portfolio-Umbau erinnert uns an die seit Jahren herrschende Krise am Anleihenmarkt. Es ist nicht zu übersehen, dass die über vier Dekaden anhaltende Phase sinkender Zinsen ihr Ende gefunden hat. Investoren ziehen sich, zunächst im Stillen, nun aber deutlich sichtbar, aus einem Markt zurück, der saturiert scheint und dessen steigendes Zinsniveau das Risikoprofil der Schuldnerstaaten neu bewertet.

Anders gesagt: In den Chefetagen der niederländischen Pensionskassen ist man sich der gestiegenen Ausfallrisiken bei Staatsanleihen bewusst geworden. Die geringen Kuponzahlungen, die kaum die Inflation decken können, sind kein Ausgleich für die wachsenden Risiken.

Dass man sich in den Niederlanden für ein verstärktes Engagement in Aktienanlagen entschieden hat, steht in keinem Spannungsverhältnis zur Fluchtbewegung zahlreicher Notenbanken in Gold als alternative Form des Safe Havens. In einem geldpolitischen Umfeld, in dem die Staatsanleihe unter Druck gerät, wächst die Wahrscheinlichkeit monetärer Expansion. In diesem Falle gilt das Börsensprichwort: „Die Flut hebt alle Boote.“

Vor allen Dingen die Eurozone steckt fest in einer stagflatorischen Phase. Während die Ökonomie stagniert, ist es der Politik nicht gelungen, die Sozialbudgets unter Kontrolle zu bringen. Die fiskalischen Lücken werden im Zweifelsfalle mit der Druckerpresse der Notenbank (Anleiheemissionen, die unmittelbar auf der Bilanz der EZB enden) gefüllt. Das ist es, was Anleihen entwertet. Und das ist es auch, was die Verantwortlichen in den niederländischen Pensionskassen auf den Plan gerufen hat.

Diese neu geschöpfte Liquidität wird sich über die übrigen Vermögensklassen verteilen, unter denen gerade die boomenden Techsektoren wie Robotik oder Künstliche Intelligenz eine entscheidende Rolle spielen.

Auch Bitcoin, von der ETF-Wirtschaft als digitales Gold proklamiert, für Freunde der individuellen Souveränität ganz einfach echtes Geld, wird bei der Neuordnung des weltweiten Kapitals eine entscheidende Rolle spielen. In den USA genießt Bitcoin den Stellenwert eines nationalen Reserve Assets. Etwa 50 Millionen Amerikaner partizipieren bereits heute an diesem neuen monetären Ökosystem.

Der bemerkenswerte Richtungswechsel der niederländischen Pensionskassen folgt einer rationalen Neubewertung von Kreditrisiken, Wachstumspotentialen und der Tiefe und Liquidität von Märkten.

Die Welt hat eine historische Schwelle überschritten: Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg übersteigen die globalen Staatsschulden die Marke von 100 Prozent der Weltwirtschaftsleistung.

Es ist eine bedrohliche Entwicklung, zumal in einem nach wie vor relativ stabilen makroökonomischen Umfeld. Man mag sich im Falle einer globalen Rezession das Armageddon an den Anleihenmärkten gar nicht ausmalen.

Der Anstieg des globalen Zinsniveaus war der Startschuss für eine Neubewertung aller Asset-Klassen. Und er hat auch die Epoche volatiler Anleihenmärkte eingeläutet. Macht die Entscheidung der Niederländer Schule, worauf der Anstieg bei Gold und Bitcoin hindeutet, geraten die Haushalte der überschuldeten Staaten massiv unter Druck.

Gut möglich, dass Politik reflexhaft große Kapitalsammelstellen wie Banken und Pensionskassen zur Absorption überschüssiger Anleihevolumina per Gesetz zwingen wird. Dies war gängige Praxis in der Vergangenheit. Ein anderes Ventil, Druck vom Schuldenkessel zu nehmen, bleibt die jeweilige Zentralbank. Ihr käme die ehrenvolle Aufgabe als „Lender of Last Resort“ zu dienen und die überschießende Menge an Staatsanleihen auf die Bilanz zu nehmen, die keinen Abnehmer mehr findet.

Die Zeche zahlen später die Verbraucher in Form von steigender Inflation. Diese Camouflage einer versteckten Steuer in die Tat umzusetzen, entspricht der originären Funktion einer Zentralbank.

Wie auch immer die Notfallpolitik der Schuldenstaaten ausgestaltet wird, am Ende läuft es auf eine massive Geldentwertung hinaus. Dies geschah nach dem Zweiten Weltkrieg ebenso wie während der Inflationsphase der 70er Jahre. Und die Geschichte wird sich wiederholen. Das wissen auch die Verantwortlichen der niederländischen Pensionskassen.

Während sie also unter anderem deutsche Staatsanleihen abstoßen, sind die Anleger hierzulande gut beraten, den wachsenden Risiken des deutschen Schuldenbergs Rechnung zu tragen. Zum Schutz des eigenen Vermögens sei mir ein kleiner Hinweis gestattet: Zu jeder Zeit, in allen Ländern und an allen Märkten gilt die Regel: „Follow the smart money“. Und genau dieses Kapital kehrt den Anleihenmärkten gerade klammheimlich den Rücken.

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