
Italien hat ein Phantombild des ukrainischen Staatsbürgers Sehrii Kuznetsov veröffentlicht. Laut Bundesanwaltschaft soll der 49-Jährige, der früher für den ukrainischen Inlands-Geheimdienst SBU gearbeitet haben soll, hauptverantwortlich für die Sabotageakte an den deutsch-russischen Nord Stream-Pipelines im September 2022 in der Ostsee sein. Russland hat unterdessen eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats beantragt. Kann nur noch ein von der AfD immer wieder geforderter Bundestags-Untersuchungsausschuss wirklich Licht in das immer mysteriöser werdende Dunkel bringen?
Nachdem anfangs von deutscher Seite sehr schnell Russland als Schuldiger ausgemacht worden war, sollen die Sprengstoffanschläge auf die Hauptschlagader der deutschen Energieversorgung jetzt ganz offensichtlich einem Kommando von ukrainischen Hasardeuren zugewiesen werden. Es bleiben erhebliche Zweifel an der Version eines ukrainischen Piratenstücks.
Zudem wird in westlichen Medienberichten weiter der Eindruck erweckt, dass der ehemalige Oberbefehlshaber der Ukraine, Walerij Saluschnyj, die Sabotageakte eigenmächtig beauftragt habe – Präsident Wolodymyr Selenskyj sei „nicht involviert“, heißt es aus durchsichtigen Gründen. Saluschnyj, der stets jede Beteiligung an den Nord Stream-Sprengungen zurückgewiesen hat, ist heute Botschafter seines Landes in Großbritannien. Er gilt als schärfster politischer Rivale von Selenskyj bei möglichen Neuwahlen.
Die mutmaßliche Sabotagegruppe soll aus insgesamt sieben Personen bestanden haben, darunter vier zivile Taucher. Das von Kuznetsov angeführte Kommando soll von Rostock aus mit der unter falschem Namen gecharterten kleinen Segelyacht „Andromeda“ gestartet sein. An Bord sollen Taucheranzüge, Sauerstoffflaschen und Sprengsätze versteckt gewesen sein.
Während nächtlicher Tauchgänge sollen die Taucher mindestens vier Sprengsätze an den Pipelines angebracht haben. Jeder Sprengsatz wog Medienberichten zufolge zwischen 14 und 27 Kilogramm und habe Spezialsprengstoffe sowie Zeitzünder enthalten.
▶ Was spricht dagegen, dass ein Taucher-Kommando auf eigene Faust Nord Stream gesprengt hat?
FAZIT aus Sicht von Militärexperten: Ein kleines, konventionelles Taucherkommando wäre aufgrund der Tiefe, der nötigen Technik, der Sprengstoffmengen und der logistischen Anforderungen nicht in der Lage gewesen, die Anschläge auszuführen. Wahrscheinlicher sei deshalb, dass ein staatlicher Akteur mit entsprechender Marine- und Tauchtechnik beteiligt war.
Selenskyj soll vor Bundestags-Untersuchungsausschuss aussagen
Wie die AfD schon lange, so fordert jetzt auch BSW-Chefin Sahra Wagenknecht einen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. Sie sagte der „Berliner Zeitung“, dieser, so wörtlich, „staatsterroristische Akt“, müsse konsequent aufgeklärt werden. Es sei „komplett abwegig, dass der nun Festgenommene und seine Mittäter ohne Rückendeckung der ukrainischen Führung und der damaligen Biden-Administration in den USA handelten“.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sollte laut Wagenknecht vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages „aussagen müssen“. Es sei „völlig absurd, dass Deutschland viele Milliarden für Ukraine-Hilfen ausgibt, aber niemals Aufklärung von Selenskyj einforderte“. Auch die Frage nach einer Entschädigung müsse gestellt werden.
Der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, sagte der „Berliner Zeitung“: „Die russische Seite besteht weiterhin auf einer objektiven und vollständigen Ermittlung des Terroranschlages auf die Nord-Stream-Pipelines, der Feststellung und Ahndung der Täter und Organisatoren.“ Die Sprengungen seien „eklatante Akte des internationalen Terrorismus“.
Auslieferung an Deutschland ungewiss
Italienische Behörden haben inzwischen ein Phantombild des angeblich Hauptverantwortlichen veröffentlicht. Da gegen den mit internationalem Haftbefehl gesuchten Kuznetsov in Italien selbst ermittelt wird, dürfte seine Überstellung an Deutschland vorerst ungewiss sein.
Der Ukrainer steht im Verdacht, im Februar dieses Jahres den Öltanker „Seajewel“, bei dem es sich angeblich um ein Schiff der sogenannten russischen „Schattenflotte“ handeln soll, vor der Küste Liguriens attackiert zu haben. An Bord des Tankers ereigneten sich zwei Explosionen. Bei einer Verurteilung drohen Kuznetsov in Italien bis zu 15 Jahre Haft.
Der Ukrainer wurde festgenommen, als er mit seiner Familie Urlaub in Italien machen wollte. Die örtlichen Carabinieri in San Clemente in der Provinz Rimini erkannten ihn aufgrund des internationalen Haftbefehls nach seiner Anmeldung in einem Hotelkomplex.
Russland beantragt Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates wegen Nord Stream
Nach der Festnahme des Ukrainers hat Russland eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in New York beantragt. Hintergrund ist ganz offensichtlich, dass die Führung in Moskau mit dem Tempo und der Transparenz der Ermittlungen in Deutschland unzufrieden ist. Dmitri Poljanski, der erste Vize-Botschafter Russlands bei der UNO, ließ dies auf Telegram deutlich durchblicken: „Wir werden darauf aufmerksam machen, dass die Ermittlung durch Deutschland in die Länge gezogen wird und für den UN-Sicherheitsrat undurchsichtig ist.“