
Die 600-Millionen-Euro-Frage lautet: Wo ist das Geld, wo sind die 620 Millionen Euro abgeblieben? Sobald man diese Frage stellt, entstehen aus jeder Antwort mindestens zwei neue Fragen. Noch immer hält das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) das Gutachten von PwC unter Verschluss, sind wesentliche Aspekte der Entscheidungsfindung nicht aufgeklärt, wurde mit unverständlichem Leichtsinn oder soll man schon sagen Fahrlässigkeit mit öffentlichen Geldern agiert.
Zwar ist das PwC-Gutachten, das auch dadurch traurige Berühmtheit erlangte, dass es nachträglich als geheim eingestuft worden ist, immer noch völlig unverständlich unter Verschluss, handelt es sich doch um den Umgang mit öffentlichen Geldern – und das nicht zu knapp, doch der Bundesrechnungshof konstatiert in seinem ebenfalls als Verschlusssache eingestuften Gutachten (liegt TE vor):
„Bei der Wandelanleihe hingegen lag dem BMWE eine Stellungnahme vor, die erkennbar auf unvollständigen Informationen basierte (Wettbewerbsfähigkeit der Produkte, Produktivitätsentwicklung). Wesentliche Aspekte betrachtete sie nur eingeschränkt (Werksaufbau). Zudem bildete sie die Risiken des Engagements unvollständig ab (Rückzahlungsanalyse ohne Berücksichtigung Start-Up-spezifischer Risiken, keine Szenariobetrachtung)“, und kommt zu dem eindeutigen Schluss: „Das BMWE hätte die Stellungnahme daher in mehrfacher Hinsicht nicht als hinreichende Entscheidungsgrundlage betrachten dürfen.“
Im Gutachten wurden die Vorstellungen und Wünsche von Northvolt für bare Münze, für Realität genommen, doch die Annahmen von Northvolt, die PwC möglicherweise auf Wunsch des Bundeswirtschaftsministeriums allzu freundlich als „ambitioniert“ einstufte, waren bei Lichte besehen illusionär, denn Northvolt als Start-up wollte in einem hart umkämpften Markt mit erfahrenen Unternehmen konkurrieren und bis „zum Jahr 2030 eine Profitabilität weit über dem industrietypischen Niveau erreichen und in wenigen Jahren zu den größten Batterieherstellern zählen“. Wünschen kann man sich viel, doch muss man für seine Wünsche dann auch mit eigenen Mitteln oder privatem Kapital, nicht mit öffentlichen Geldern einstehen.
Immer deutlicher erhebt sich der Verdacht, dass Habeck in Großmannssucht auf Gedeih und Verderb ein politisches Prestigeprojekt bei der Errichtung seiner klimaneutralen Gesellschaft durchboxen wollte und PwC ein Gefälligkeitsgutachten lieferte. Denn der Plan von Northvolt beruhte zwar auf einer Steigerung der Absatzmenge, doch laut Bericht des Bundesrechnungshofs blieb im Gutachten von PwC unberührt, was geschähe, wenn sich „der Verlust einzelner Aufträge oder geringere Absatzmengen je Auftrag, ein langsamerer bzw. teurerer Aufbau und Anlauf von Werken, oder eine langsamere bzw. geringere Verbesserung der Produktivität“ eintreten würde und sich „bestandsgefährdend auf Northvolt auswirken und die Rückzahlung der Wandelanleihe gefährden“ würden.
Auffällig ist und der eigentliche Skandal besteht wohl darin, dass man sich anscheinend im Bundeswirtschaftsministerium der Informationslücken hinsichtlich der Bewertung der Risiken bewusst war. Das belegen „eine Vielzahl kritischer Fragen, die im Vorfeld von Videokonferenzen gesammelt wurden“. Doch über den Ablauf der Diskussion zwischen dem Bundesministerium, dem Land Schleswig-Holstein, der KfW und den Wirtschaftsprüfern in den drei Videokonferenzen im Mai und Juni 2023 liegt keinerlei Dokumentation vor, nichts wurde darüber vermerkt, was dort beschlossen wurde, nichts wurde in einem Protokoll, in einer Notiz und in keinerlei Aufzeichnungen dokumentiert. Allem Anschein nach dienten die Videokonferenzen dem Zweck, mit den Wirtschaftsprüfern zu einer Bewertung und einem Verfahren zu kommen, das die Förderung von Northvolt mit deutschen Steuergeldern unter allen Umständen ermöglicht, weil Robert Habeck und wohl auch Daniel Günther es so wollten.
Bereits zum Verfahren der Förderung erheben sich erhebliche Fragen. Nachdem in den Videokonferenzen mutmaßlich zur vollsten Zufriedenheit das Gutachten als Entscheidungsgrundlage für das Wirtschaftsministerium abgestimmt worden ist, wurde am 30. Oktober 2023 der Vertrag mit Northvolt AB unterzeichnet. Das wirft bereits die Frage auf, warum wurde der Vertrag mit Northvolt AB, die ein Jahr später Insolvenz in den USA beantragten, geschlossen und nicht mit der Northvolt Drei Project GmbH in Heide? Laut North Data ist, wenn ich das richtig lese, Alleingesellschafterin der Northvolt Drei Project GmbH die Northvolt Drei HoldCo GmbH, an der zu 100 Prozent die Northvolt Germany TopCo GmbH in Hamburg beteiligt, an der wiederum zu 100 Prozent die Northvolt AB Stockholm beteiligt ist.
Laut BMWE wurden „Die Mittel … auf ein von der KfW kontrolliertes Konto überwiesen. Northvolt kann und konnte darüber nicht frei verfügen. Die Mittel unterliegen der vertraglichen Zweckbindung für das Projekt bei Heide und können nur schrittweise entsprechend des Projektfortschritts abgerufen werden. Der noch nicht genutzte (noch nicht ‚verbaute‘) Teil des Geldes ist nach wie vor strikt zweckgebunden für den Ausbau von Northvolt Drei bei Heide.“ Die KfW teilt mit, dass die „600 Millionen Euro aus der Emission der Wandelanleihe … zunächst die schwedische Konzernmutter Northvolt AB von der KfW erhalten hat“ und sie dann „gemäß vertraglicher Regelungen unmittelbar nach Erhalt von Northvolt AB an die deutsche Projektgesellschaft Northvolt Drei Project GmbH mit Sitz in Norderwöhrden bei Heide in Schleswig-Holstein ausgezahlt“ wurden.
Warum wurde der Vertrag nicht gleich mit der Northvolt Drei Project GmbH geschlossen und die Mittel an die Northvolt Drei Project GmbH überwiesen? Räumt der Umstand, dass der Vertrag mit Northvolt AB geschlossen wurde dem Insolvenzverwalter einen Zugriff auf die noch vorhandenen Mittel ein, denn laut KfW ist bereits ein Teil der Mittel „schon in das Projekt investiert“?
In der Auskunft des BMWE liest es sich so, als ob das Konto bei der KfW wäre, bzw. die KfW Zugriff auf das Konto hätte und sie die Mittel gemäß des Projektfortschritts freigeben kann. Doch laut KfW liegen die Mittel auf einem Konto der Northvolt Drei Project GmbH. Wie kann und wie kontrolliert die KfW die Freigabe der Mittel gemäß des Projektfortschrittes? Wie viel der Mittel sind wofür bereits investiert?
All diese Fragen habe ich der KfW und Northvolt Deutschland gestellt, weil es bisher unklar ist, warum die Überweisung der Mittel mit welchen Konsequenzen über die Konzernmutter erfolgte und welche Mittel bereits wofür investiert worden sind und wie die Kontrolle, Freigabe und Zugriff sichergestellt sind. Die KfW, die darüber Bescheid weiß oder zumindest darüber Bescheid wissen müsste, weil sie die praktische Abwicklung vornimmt, teilte mir mit: „Hinsichtlich der Details der Zuweisung dürfen wir Sie bitten, sich an die Bundesregierung zu wenden.“
Das werde ich tun, 3. Teil folgt.