Die Rettung von Robert Habeck ist angelaufen

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Zwar haben 5000 Mitarbeiter von Northvolt ihren Job verloren, zwar missglückte das Sanierungsverfahren nach Chapter 11 in den USA, weshalb Northvolt Insolvenz in Schweden beantragen musste. Zwar türmt sich in den Finanzhimmel ein Schuldenberg von 5,8 Milliarden Euro, davon 600 Millionen oder 1,1 Milliarden Euro, die der deutsche Steuerzahler finanziert. Doch wenigstens muss man sich um den Gründer von Northvolt, Peter Carlsson, keine Sorgen machen. Früher nahm sich ein Geschäftsmann, wenn er fallierte, das Leben, heute gründet er eine neue Firma und sammelt wieder Geld ein, wohl auch von Ministern, für die Steuergeld nur ein anderes Wort für Spielgeld ist.

Dem Zeitgeist entsprechend macht Peter Carlsson nicht mehr in grüner Industrie, sondern jetzt in KI. Wie Bloomberg berichtet, heißt die Firma Aris Machina AB und will sich um die Optimierung von Produktionsprozessen kümmern, auch in der Batteriefertigung, wie Business Insider weiß. Der Mann hat Humor, denn gescheitert ist Northvolt nicht am Geld, das floss reichlich, sondern an der Optimierung von Produktionsprozessen, dort, wo nicht die Versprechen von Marktführerschaft und grünen Batterien verzaubern, sondern ganz banal Qualität und Menge der hergestellten Batterien zählen.

Im Herbst soll Habeck im Haushaltsausschuss Rede und Antwort stehen. Zeit also, Habeck zu entlasten. Schuld sind für Habeck und für das Handelsblatt immer die anderen, mal Putin, dann Viktor Orbán, und wenn gar nichts mehr hilft, dann eben Angela Merkel, die in der Tat für Deutschland den Sargnagel mit der Energiewende und den Novellierungen des rotgrünen EEGs einschlug. Für Habeck war dieser Sargnagel nur nicht dick und groß genug – und vor allem nicht tief genug. Das Handelsblatt behauptet nun, dass Angela Merkel schuld sei, in deren Regierungszeit Deutschland eine Haftung für Garantien für Ungebundene Finanzkredite (UFK) in Höhe von 480 Millionen US-Dollar übernahm. Ganz im Sinne Habecks verbreitet die Zeitung, um der Union mit Blick auf die nächste Sitzung des Haushaltsausschusses zu drohen, dass das „Risiko für den deutschen Steuerzahler wegen der Krise des Batterieherstellers Northvolt höher sein“ könnte „als bislang angenommen“.

Das ist schlicht Unfug oder Unkenntnis oder nur Dienst für Habeck, denn im Bericht des Bundesrechnungshofes „Finanzielles Engagement des Bundes bei Northvolt und Auswirkungen auf den Bundeshaushalt“ vom 17. Juni 2025 (liegt TE vor) wird dieses Risiko bereits benannt: „Vertieft betrachtet der Bundesrechnungshof im Anschluss die zwei finanziellen Engagements, bei denen ein finanzieller Schaden möglich (UFK-Garantie, Tz. 3) oder bereits eingetreten ist (Wandelanleihe, Tz. 4).“ Bereits einen Tag später, am 18. Juni hatte ich über das Gutachten und über die UFK-Garantie auf TE geschrieben. Der Bundesrechnungshof kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass die Erteilung der UFK-Garantie, es mag einem gefallen oder auch nicht, im Gegensatz zu Habecks und Günthers Wandelanleihe „einer etablierten Praxis“ entsprach und wiederum im Gegensatz zu Habecks Wandelanleihe der „Entscheidungsprozess und die Entscheidungsgrundlagen … dokumentiert“ sind.

Das Handelsblatt will nun in der Aktion „Rettet Habeck“ davon ablenken, in dem es ein Protokoll der Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages vom 4. Dezember 2024 hervorzuzaubern scheint, laut dem ein Fachreferent des Bundeswirtschaftsministeriums im Wirtschaftsausschuss des Bundestags berichtet haben soll, dass die Risikoposition des Bundes „gegenwärtig 376 Millionen US-Dollar zuzüglich Finanzierungskosten“ betrage. Armes Handelsblatt, das wäre im Dezember 2024 eine Neuigkeit gewesen, aber beileibe nicht mehr nach dem 17. Juni 2025 und schon gar nicht nach dem 18. Juni 2025. Worum es der Zeitung wirklich geht, wird deutlich, wenn sie schreibt: „Die Erkenntnis, dass nicht nur Habeck und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), sondern auch die schwarz-rote Vorgängerregierung der Ampel den Steuerzahler Hunderte Millionen Euro kosten könnte, ist auch politisch heikel.“ Nein, ist sie nicht!

Denn war nicht erst Robert Habeck, sondern schon Angela Merkel auf falschem wirtschaftspolitischem Weg, so bleibt die Tatsache bestehen, dass zumindest formal bei den UFK-Garantien alles regelkonform und ausreichend dokumentiert gehandhabt wurde. Hinzu kommt, dass erstens die UFK-Garantie nichts mit dem Bau des Werkes in Habecks Heimatbundesland Schleswig-Holstein, wo Habecks Bruder die lokale Wirtschaftsförderungsgesellschaft leitet, zu tun hatte, sondern mit dem Werk im schwedischen Skelleftea. Zweitens hätte Robert Habeck aus der Garantie aussteigen können, denn, was das Handelsblatt vergisst zu erwähnen, ist, dass „dreimal, trotz Änderungen der Grundlagen des abgesicherten Kredits“ durch die kreditgebende Bank, beantragt wurde, zu bestätigen, dass die Garantie fortgelte. Dreimal, das erste Mal im Januar 2022, das zweite Mal Ende 2022 und das dritte Mal im November 2023, dreimal bestätigten das Habeck-Ministerium und das Lindner-Ministerium die Anpassung. Grund für die Anpassung, man lese und staune, war, dass es „in den Jahren 2022 und 2023 zu einer deutlichen Reduzierung der Verkaufsmengen kommen“ würde. „Ursache seien Verzögerungen bei der Fahrzeugentwicklung des Kunden sowie Verschiebungen bei der Inbetriebnahme der Batteriezellenproduktion.“

Die Frage der UFK-Garantie hat nichts mit der Wandelanleihe zu tun. Wie aus dem E-Mail-Verkehr im Habeck-Ministerium, mit der Beraterfirma und mit Northvolt hervorgeht, war es der starke politische Wille, ein Finanzierungsinstrument zu schaffen, das Northvolt davon überzeugt, das neue Werk nicht in den USA, sondern in Heide, Schleswig-Holstein zu errichten. Und man wollte Northvolt mit „Eigenkapital“ versorgen. Nicht ungeschickt, aber für alle, außer für Robert Habeck und Daniel Günther, erkennbar, baute Northvolt den nötigen Druck auf, dass im Bundeswirtschaftsministerium ein Finanzierungsinstrument geschaffen wurde, das eben nicht als Fremdkapital, sondern als Eigenkapital von Northvolt AB gebucht werden konnte.

So heißt es in einer Mail der Leiterin des Referats IVA6 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz am 28. Juli 2023: „Wir haben keine andere Konstruktion als die Wandelanleihe. Diesen Weg müssen BMWK und Northvolt weiter verfolgen. Andere Alternativen einer Hybridfinanzierung hatten wir anlässlich der Einigung zwischen St Philipp und St Gatzer im April/Mai geprüft und nicht gefunden, da Northvolt auf ein eigenkapitalähnliches Instrument angewiesen ist. Fremdkapitalfinanzierung wird erst zeitlich nachgeordnet möglich werden.“ Das ganze Jahr 2023 war das BMWK damit beschäftigt, von einer bereits bewilligten EU-Förderung im Rahmen des IPCEI-Programms zu einer Zuwendung durch die Bundesregierung und durch das Land Schleswig-Holstein überzugehen, weil die „rd. 155 Mio. Euro nicht ausreichen würde(n), um die finale Investitionsentscheidung pro Heide abzusichern“, wie es im Brief des damaligen Ministerialdirektors Bernhard Kluttig, Leiter der Abteilung Industriepolitik, an den Chef der Staatskanzlei Schleswig-Holsteins, Dirk Schrödter, vom 5. September 2023 heißt.

Das Handelsblatt beschrieb Kluttig als Mann Habecks: „Der parteilose Beamte kann dem Transformationsgedanken viel abgewinnen und entwickelte sich vermutlich zu dem Abteilungsleiter, der am engsten mit Habeck zusammenarbeitet … Der Minister schätze vor allem Kluttigs industriepolitische Expertise und, dass dieser Vorhaben schnell und konsequent umsetzen kann …“ Denn Habeck verfolge die „Idee einer aktiven Industriepolitik … Er hält Milliarden an Fördersummen für nötig, um der altehrwürdigen Industrie den Weg in die Klimaneutralität zu ermöglichen.“ Im Fall Northvolt, aber auch Intel, Wolfspeed, Thyssen Krupp und Arcelor Mittal zeigen sich die „Erfolge“ der „aktiven Industriepolitik“ Habecks und seines Adlatus eindrucksvoll. So wurden aus den 155 Millionen Euro schließlich 600 Millionen Euro. Am 26. Oktober 2023 konnte das Büro des Staatssekretärs Philipp an die KfW schreiben: „in der Anlage übersende ich Ihnen im Auftrag der Herren Staatssekretäre Udo Philipp und Werner Gatzer das durch beide gezeichnete Zuweisungsschreiben bezüglich Northvolt. Das Original folgt per Post.“

Und im Geist des Gutachtens der PwC frönte man dem Prinzip Illusion: „Northvolt erhält mehr Eigenkapital, um die rasche Skalierung zu ermöglichen, die Steuergelder werden später mit Zinsen zurückgezahlt.“ Die Skalierung ist fehlgeschlagen, ob die Steuergelder zurückgezahlt werden, darf man bezweifeln. Auch wenn Habeck und Günther versuchten, den Eindruck zu erwecken, dass Optimismus für das Werk in Heide trotz der Insolvenz von Northvolt angesagt sei, wurde nicht kommuniziert, dass mit der Insolvenz von Northvolt der Bund und das Land Schleswig-Holstein hälftig die garantierten 600 Millionen Euro an die KfW für die Wandelanleihe überweisen mussten.

Das Geld war jedenfalls ab diesem Tag weg und befand sich nicht immer in der Staatskasse. Im November 2023 schrieb Dagens Industri unter dem Titel „Northvolts geheime Horrorzahlen“: „Die Probleme des Batterieherstellers Northvolt nehmen zu. Es drohen Milliardenverluste …“ Ungefähr zur gleichen Zeit kam die schwedische Regierung in einem Gutachten zu dem Schluss: „Northvolt hat jedoch keine Erfahrung mit Projekten dieser Größenordnung und Komplexität.“ Ihr Fazit lautete: „Die endgültige Bonitätseinstufung lautet daher Ba 1.“ Während im Jahr 2021 Northvolt einen Verlust von circa 98 Millionen Euro einfuhr, waren es 2021 bereits 297 Millionen Euro, im Jahr 2023 dann sage und schreibe 1.057 Millionen, also fast 1,1 Milliarden Euro.

Wie viel Geld des Steuerzahlers steht nun im Feuer oder ist bereits verbrannt? Da wäre Habecks famose Wandelanleihe mit Zins- und Finanzierungskosten von 620 Millionen Euro, die UFK-Garantie von insgesamt 420 Millionen US-Dollar, circa 360 Millionen Euro, deren Anpassung Habeck dreimal genehmigte. Macht insgesamt 980 Millionen Euro, also fast eine Milliarde Euro. Aber das ist noch nicht alles: Denn es steht noch eine Zuwendung bis zu 700 Millionen Euro im Raum. Die Zuwendung ist noch nicht ausgezahlt, aber genehmigt worden. Ausgezahlt wurde sie nur noch nicht, weil sie durch Northvolt AB nicht werthaltig besichert werden konnte. Am 7. August gab das US-Unternehmen Lyten bekannt, eine verbindliche Vereinbarung zum Erwerb der verbleibenden Vermögenswerte von Northvolt in Schweden und Deutschland abgeschlossen zu haben. „Die Übernahme umfasst Northvolt Ett und Ett Expansion (Skelleftea, Schweden), Northvolt Labs (Västeras, Schweden) und Northvolt Drei (Heide, Deutschland). Darüber hinaus erwirbt Lyten sämtliches verbleibendes geistiges Eigentum (IP) von Northvolt.“

Um das geistige Eigentum dürfte es weniger dabei gehen, denn Lyten produziert die Lithium-Schwefel-Batterie, die der von Northvolt hergestellten Lythium-Ionen-Batterie letztlich überlegen ist. Doch auch Lyten ist ein Startup, das eine günstige Situation zur Expansion nutzen will, die teils steuer- bzw. subventionsfinanziert sein soll. Nicht nur, dass die 600 Millionen der Wandelanleihe noch nicht völlig ausgegeben sind, am Horizont winken Zuwendungen bis zu 700 Millionen Euro, die bereits bewilligt sind. Wenig überraschend heißt es deshalb bei Northvolt: „Bei Northvolt Drei arbeitet Lyten mit Northvolt und der deutschen Regierung zusammen, um das Programm zum Bau einer Batterieproduktionsanlage mit einer Anfangskapazität von 15 GWh in der Nähe von Heide in Schleswig-Holstein fortzusetzen.“

Würde Robert Habeck noch Wirtschaftsminister sein, würden viele Medien, vom Handelsblatt bis zu den Öffentlich-Rechtlichen das Epos von Habeck, dem Helden, anstimmen, dem es durch Kraft, Klugheit und Mut gelungen sei, deutsches Geld und deutsche Zukunft zu retten. Skal!

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