Norwegen plant Mini-Reaktor auf Spitzbergen

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Auf Svalbard leben rund 2500 Menschen. Bis 2023 versorgte ein Kohlekraftwerk die Hauptinsel Spitzbergen mit dem Verwaltungszentrum Longyearbyen die einzige bewohnte Insel des Archipels im hohen Norden, die zu Norwegen gehört. Seitdem mühen sich Dieselgeneratoren um eine sichere Versorgung. Das empfindet das Land als Schande, denn es ist die einige Stromerzeugungsanlage des Landes, die mit ihren Emissionen das Klima belastet.

Doch wahrscheinlich nicht mehr lange. Der Reaktorentwickler Blykalla in der schwedischen Hauptstadt Stockholm und der norwegische Kernenergieprojektentwickler Norsk Kjernekraft in Bergen haben im Juni gemeinsam das Unternehmen Svalbard Kjernekraft gegründet, um auf Spitzbergen einen kleinen Reaktor (SMR, Small Module Reactor) zu errichten, der die Insel mit „erschwinglicher und sauberer Energie“ versorgen soll, wie die Partner betonen. Jetzt haben sie ihren Plan dem Gouverneur von Svalbard vorgelegt. Das ist der erste formelle Schritt zum Bau der Anlage. Der Reaktor soll nicht nur Strom erzeugen, sondern auch Wärme, die ins Fernwärmenetz der Insel eingespeist wird. Diese Aufgabe übernahmen die Dieselgeneratoren ebenfalls vom stillgelegten Kohlekraftwerk. Allerdings sind sie nicht allzu zuverlässig. Im Winter 2023/24 mussten Generatoren der norwegischen Armee eingeflogen werden, um die Energieversorgung aufrechtzuerhalten.

Gebaut werden soll ein SMR vom Typ SEALER (Swedish Advanced Lead Reactor) mit einer elektrischen Leistung von 55 Megawatt. Die Wärmeenergie, die im Reaktorkern durch die Spaltung von Uran erzeugt wird, transportiert flüssiges Blei ab. Sie landet in einem Wärmetauscher, in dem Dampf erzeugt wird. Ein Teil davon wird zur Stromerzeugung genutzt, ein anderer zum Beheizen von Wohnungen, Flughafen, Raketenstartplatz, Museum und Verwaltungsgebäuden.

Der Bericht, den der Gouverneur bekommen hat, beschreibt das Projekt und die örtlichen Gegebenheiten und schlägt weitere Untersuchungen zu den Themen Umwelt und Biodiversität, Sicherheit, Abfallentsorgung, Auswirkungen auf die Gesellschaft sowie Auswirkungen auf lokale Unternehmen und Arbeitsplätze vor. Der endgültige Standort des Kernkraftwerks wird im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung festgelegt.

„Nach Einreichung der Planungsinitiative ist es nun Aufgabe des Gouverneurs von Svalbard, den Umfang der Umweltverträglichkeitsprüfung festzulegen“, so Blykalla, das von Absolventen der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm gegründet worden ist. „Sobald dies geschehen ist, können detaillierte Studien und Konsultationen mit den Interessengruppen beginnen, die den Weg für das Genehmigungsverfahren und den späteren Bau ebnen.“ Die Anlage soll bereits 2029 in Betrieb gehen.

Der Reaktor ist „inhärent sicher“, beteuert das Unternehmen, er kann also nicht „hochgehen“. Das hat mehrere Gründe. Blei siedet erst bei einer Temperatur von 1700 Grad Celsius. Würde sie erreicht verdampfte das Schwermetall und baute einen hohen Druck auf, der das Reaktorgefäß bersten lassen könnte. Diese Temperatur kann jedoch bei weitem nicht erreicht werden. Zweiter Vorteil: Wenn die Pumpen, die das Blei durch den Kern treiben, ausfallen, schaltet sich der Reaktor nach einer Weile selbst ab, ganz ohne Eingriff von außen. Das Schwermetall wird zwar heißer. Die Folge: Die Kernspaltung schläft langsam ein, sodass keine neue Wärme produziert wird.

Gewaltige Abschirmungen aus Beton, wie sie bei heutigen Kernkraftwerken üblich sind, braucht der SEALER nicht. Blei ist ein hervorragender Strahlenschutz.

Derzeit baut Blykalla am schwedischen Kernkraftwerksstandort Oskarshamn einen Prototyp seines SEALER, um die Zuverlässigkeit des Konzepts, vor allem der Pumpen für flüssigen Blei zu testen. In dieser Anlage wird das Schwermetall nicht durch Kernspaltung, sondern elektrisch verflüssigt. „Zuverlässige und bezahlbare Energie ist eine Voraussetzung für die weitere Wahrung der Souveränität Norwegens in Svalbard, insbesondere angesichts der aktuellen geopolitischen Lage“, sagt Jonny Hesthammer, CEO von Norsk Kjernekraft. „Nach der Schließung des Kohlekraftwerks in Longyearbyen ist die Kernenergie die einzige langfristige Lösung, um die Energiesicherheit ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe aufrechtzuerhalten.“

Norwegen, das seinen Strom fast ausschließlich aus Wasserkraftwerken bezieht, will sich – ebenfalls mit Kernenergie, um das Klima zu schonen – gegen den vor allem durch Rechenzentren wachsenden Strombedarf wappnen, siehe auch

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