
Das Grundgesetz ist hier eindeutig. In Artikel 33 (2) heißt es: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“ Eignung, Befähigung und fachliche Leistung: Darum geht es bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst bzw. bei Beförderungen. Das ist der Verfassungstext. Man weiß zur Genüge, dass die Wirklichkeit oft eine andere ist. Dass politische Haltungen, Parteinähe, Parteizugehörigkeit und Spezlfreundschaften ebenfalls eine Rolle spielen, ist leider Alltag. Bis hinauf in höchste Beamtenränge.
Dass ein Bundesland jetzt aber auch noch per Landesgesetz solche Hintertürchen öffnet, ist dennoch ungewöhnlich. Die schwarz-grüne Koalition in NRW unter Führung des Merkelianers, Mediendarlings und gefühlten Kanzler-Kronprinz Henrik Wüst (CDU) will nun qua Hauruck-Verfahren das NRW-Beamtenrecht ändern: zugunsten von einfacheren Besetzungen und Beförderungen.
Allein der Ablauf ist skandalös: Man hat die NRW-Kommunalwahl abgewartet und will nun ohne das übliche Anhörungsverfahren die Einstellungs- und Beförderungspraxis bei Beamten radikal vereinfachen. Der Trick: Ursprünglich sollte über ein „Viertes Gesetz zur Änderung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst“ im Oktober 2025 entschieden werden. Dann zogen die Koalitionäre die Abstimmung in das Plenum am 17. September vor. Nur zwei Tage vor der Sitzung tauchte dann ein Änderungsantrag auf. Man will, dass ergänzend zu den dienstlichen Beurteilungen weitere Auswahlinstrumente herangezogen werden könnten. Dabei geht es um – angeblich – „wissenschaftlich fundierte Auswahlmethoden, insbesondere Personalgespräche, strukturierte Interviews, computerbasierte Tests, Assessment-Center und Potenzialanalysen“.
Transparent ist all das nicht mehr; Einstellungen und Beförderungen verschwinden hinter einer nebulösen Wand. Der Beamtenbund fürchtet denn auch, dass nicht mehr die Qualifikation ausschlaggebend für eine Besetzung ist, sondern Parteibuch oder persönliche Sympathie. FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel kritisiert: „Das bereits chaotische Verfahren unter Abkürzung der vom Parlament beschlossenen Beratungsfolge wird durch CDU und Grüne immer dreister verändert. Jetzt sollen sachfremde, aber entscheidende Veränderungen im Landesbeamtengesetz vollzogen werden, die nie Debattengegenstand gewesen sind.“ Inhaltlich werde es dadurch erleichtert, Parteigänger oder sonstige Günstlinge vorbei an formalisierten Personalbeurteilungen leichter auf Stellen zu hieven.
Schließlich dann der Salto rückwärts: Schwarz-Grün zog den entsprechenden Antrag zurück. Der Sachverhalt solle in einer der kommenden Plenarsitzungen behandelt werden. Doch inhaltlich will man an dem Vorhaben festhalten. Simon Rock (Grüne), Sprecher für Haushalts- und Finanzpolitik, erklärte gegenüber der Rheinischen Post: „Ziel der geplanten Gesetzesänderung ist es, gesetzlich klarzustellen, dass bei der Einstellung und Beförderung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Landesverwaltung neben der reinen Aktenlage auch Vorstellungsgespräche, Einstellungstests und Assessment-Center eingesetzt werden dürfen.“
Ina Blumenthal, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, ging indes hart mit der Koalition ins Gericht. „Was auch immer die schwarz-grüne Koalition zu diesem parlamentarischen Foulspiel veranlasst hat: Es war hinterlistig und doch durchsichtig. Schwarz-Grün verlässt die Grundlagen des soliden Regierungshandwerks immer wieder. Aber wir passen auf und lassen der Koalition solche Unverschämtheiten nicht durchgehen.“ FDP-Fraktionsvize Witzel kam zu dem Schluss, die Einsicht zum „Verzicht auf den aktuellen Überfall im Beamtenrecht in letzter Sekunde“ sei offenbar rechtlich bedingt und beziehe sich leider wohl nur auf das Verfahren und nicht auf den Inhalt. „Die fachliche Kontroverse wird daher weitergehen. Wir sollten dabei die sachdienlichen Hinweise aus der Beamtenschaft berücksichtigen.“
Die Pläne und das Vorgehen von Schwarz-Grün erinnern daran, dass diese schwarz-grüne NRW-Koalition – die eigentlich eine grün-grüne ist – sich zuletzt jahrelang blamiert hat, als es um die Besetzung der vakanten Stelle des Präsidenten am Oberverwaltungsgericht ging. Da war nach der Landtagswahl 2022 nachträglich eine Abteilungsleiterin aus dem Innenministerium nach Ablauf der Bewerberfrist in das Verfahren nachgerückt, nachdem sie mit ihrem Duz-Bekannten, Justizminister Benjamin Limbach (Ex-SPD, jetzt Grüne), bei einem Abendessen ihr Interesse an der Stelle bekundet hatte.
Unterlegene Bewerber hatten gegen das Verfahren geklagt. Selbst das Bundesverfassungsgericht hatte Limbach gerügt. Inzwischen hat sich die Sache anders gelöst: Die Bekannte des Ministers ist ins Bundesfamilienministerium gewechselt und ein ursprünglich unterlegener Mitbewerber nachgerückt.