
Wenn man keine nukleare Abschreckung bereitstellen kann, wird man zum „Spielball der Weltpolitik“, sagte Spahn in einem Interview mit der Welt. Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag fordert, Europa müsse unabhängiger von den USA werden und langfristig eine eigene nukleare Abschreckungsstrategie entwickeln. Die bisherigen Vorkehrungen, etwa durch in Deutschland stationierte US-Atombomben, seien auf Dauer nicht ausreichend.
Spahn will, dass Deutschland entweder stärker an den Nukleararsenalen Frankreichs und Großbritanniens beteiligt wird – oder sogar gemeinsam mit anderen EU-Staaten eine eigene atomare Komponente aufbaut. „Das wird viel Geld kosten. Aber wer Schutz will, muss ihn auch finanzieren“, betonte der CDU-Politiker. Ein mögliches Modell sei eine „rotierende Verantwortung“ zwischen den EU-Mitgliedstaaten im Bereich nuklearer Abschreckung.
Mit seinen Äußerungen greift Spahn auf, was CDU-Chef und Kanzler Friedrich Merz bereits im Februar ins Spiel brachte. Damals forderte Merz Gespräche mit Großbritannien und Frankreich über „nukleare Teilhabe oder zumindest nukleare Sicherheitsgarantien“ für Deutschland.
Fachleute reagierten teils scharf auf Spahns Vorstoß. Stefanie Babst, ehemalige stellvertretende NATO-Generalsekretärin, nannte den Vorschlag „realitätsfern“. Dem Deutschlandfunk sagte sie: „Frankreich und Großbritannien warten sicher nicht darauf, dass Deutschland ihre Atomwaffen demnächst mitverwalten möchte.“ Bekanntlich haben diese beiden Nationen mehr als 500 Atomsprengköpfe für U-Boote und für ihre Luftstreitkräfte im Arsenal – sie könnten also theoretisch St. Petersburg und Moskau 250-mal vernichten.
Tatsächlich besitzt Deutschland keine eigenen Nuklearwaffen, ein Erwerb wäre nicht nur politisch höchst umstritten. Dennoch zeigt die Debatte: Innerhalb der CDU wächst die Sorge, dass Europa im Ernstfall zu abhängig von den USA ist – insbesondere angesichts der Unsicherheit über den außenpolitischen Kurs von US-Präsident Donald Trump.