
Die wirtschaftspolitische Punchline von Donald Trump ist simpel: Entlastung der Mittelschicht, Deregulierung der Märkte und Rückbau des aufgeblähten Staatsapparats. Die Rückbesinnung auf die produktiven Kräfte der Gesellschaft soll ein neues Wohlstandskapitel in den Vereinigten Staaten aufschlagen. Teil seines Programms sind auch die vieldiskutierten Zölle.
Wenn sich der Nebel verzogen hat und erste Verhandlungslösungen gefunden sind, dürften diese sich auf einem niedrigeren Niveau einpendeln. Wie hoch ihr konsolidiertes Volumen ausfallen wird, können wir derzeit schlecht abschätzen, aber es dürften zwischen 100 und 200 Milliarden Dollar in die Kasse des Bundes fließen.
Trump hat nun zugleich einen radikalen Vorschlag: Eine äquivalente Senkung der Bundeseinkommensteuer für Einkommen unter der Schwelle von 200.000 US-Dollar. Das hatte Donald Trump vor kurzem auf seiner Medienplattform „Truth Social“ bekanntgegeben: „Wenn die Zölle greifen, werden die Einkommensteuern vieler Leute erheblich gesenkt, vielleicht sogar komplett abgeschafft. Der Fokus wird auf Leuten liegen, die weniger als 200.000 Dollar im Jahr verdienen.“
Kurz zu den Zahlen: Die Bundessteuer trägt etwa 51 Prozent zu den 4,1 Billionen Dollar Haushaltsvolumen bei, über die die Bundeskasse in den USA verfügt. Das Zollaufkommen wird also nicht ausreichen, um diese Lücke zu schließen, tiefgreifende Einschnitte in die Staatsausgaben müssen parallel erfolgen, um die Bürger spürbar zu entlasten. Mit dieser Arbeit wurde das „Department Of Government Efficiency (DOGE)“ betreut, dem bislang Elon Musk vorstand. Dem Team ist es in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung gelungen, kumulierte jährliche Ausgaben von 160 Milliarden Dollar einzusparen. Von den 2,4 Millionen Angestellten der Bundesbehörden wurden etwa 100.000 gekündigt oder mit einer Abfindung nach Hause geschickt.
DOGE strebt eine Reduzierung der Behörden in der laufenden Legislaturperiode um bis zu 10 Prozent an. Der Steuerzahler wurde bislang um etwa 1.000 Dollar im Jahr entlastet. Rechnet man nun die mögliche Steuersenkung in Höhe der Zolleinnahmen hinzu, entspricht dies einer Entlastung von jährlich 2.000 Dollar. Da die Regierung Trump den Fokus auf die Mittelschicht legt, dürfte sie deutlicher profitieren. Der vollständige Wegfall der Bundessteuer würde einen Durchschnittshaushalt um 9.600 – 10.000 US-Dollar entlasten, die fiskalische Entlastung in Höhe von 10-15 Prozent gäbe der Binnenökonomie der Vereinigten Staaten einen spürbaren Anschub.
Trumps Rückgriff auf Zölle als Finanzierungsquelle für Steuersenkungen ist kein Novum in der US-Geschichte. Es handelt sich eher um die Rückkehr zu den Wurzeln amerikanischer Fiskalpolitik. Bis zur Einführung der Einkommensteuer auf Bundesebene im Jahr 1913 zählten Zölle und Verbrauchssteuern zu den Haupteinnahmequellen des Staates. Das erste Mal erhob Washington eine Einkommensteuer zur Finanzierung der Kosten des Bürgerkriegs (1861–1865), um sie 1872 wieder abzuschaffen. Zwischen 1872 und 1913 stützte sich der Bundeshaushalt fast ausschließlich auf Zölle und Verbrauchssteuern, was die Staatsausgaben auf etwa 8% des BIP begrenzte. Es waren die fulminanten Jahre der Gründerzeit in den USA.
Die Wende kam mit der Ratifizierung des 16. Verfassungszusatzes im Jahr 1913. Dieser gestattete es dem Bund, eine Einkommensteuer ohne Aufteilung nach Bundesstaaten zu erheben. Der darauf folgende Revenue Act von 1913 führte eine progressive Einkommensteuer mit Sätzen von 1 bis 7 Prozent ein, die auf Einkommen über einem Freibetrag von 3.000 US-Dollar für Einzelpersonen erhoben wurde. Die Einführung der Einkommensteuer hat, ähnlich wie in Europa, zum massiven Ausbau des Staatssektors geführt. Die Eigendynamik wachsender Verwaltung und ihrer regulierend-invasiven Tendenzen hat auch in den USA die Staatsquote von 8 auf inzwischen 40% in die Höhe getrieben.
Die „Europäisierung“ der Vereinigten Staaten, die mit dem Aufbau sozialstaatlicher Strukturen unter Präsident Franklin D. Roosevelt Fahrt aufnahm, steht nun also vor einer Revision – zumindest wenn es nach Trump geht. Was 1933 mit dem New Deal begann, ist gegen eine Mauer des Machbaren geprallt. Mit einer Staatsverschuldung von 120 Prozent und Zinslasten von 1,5 Billionen Dollar in diesem Jahr, nimmt der Schuldendienst den größten Posten des öffentlichen Haushalts ein. Eine Mehrheit der Amerikaner hat akzeptiert, dass sich das Land auf Crashkurs mit der ökonomischen Gravitation befindet und dass die Zeit für Reformen gekommen ist.
Allerdings dürfte der Weg steinig und konfliktreich sein. Gerichte versuchen immer wieder Budgetkürzungen wie im Falle von USAID oder Entlassungen von Staatsangestellten zu unterbinden. Gewerkschaften machen Druck und die Opposition wartet auf kollabierende Umfragewerte für die Trump-Regierung, um die Schwachstellen medial ins Visier zu nehmen. Solche radikalen Steuersenkungen im Kongress durchzusetzen, dürfte selbst mit republikanischen Mehrheiten schwierig sein.
Trump hat also wenig Zeit, die Wende in der Fiskalpolitik umzusetzen. Neben der Zollpolitik setzt die Administration auf ein Maßnahmenpaket zur Deregulierung, insbesondere des Energiesektors. Gasförderprojekte, der Ausbau von Pipelines und der Kernenergie besitzen nun wieder Vorrang. Genehmigungsverfahren werden per Sondergenehmigung beschleunigt – Wahlen gewinnt man an der Tankstelle. Das weiß man im Land der langen Wege. Positiver Nebeneffekt: Eine Politik der nationalen Energiestrategie wird die Abhängigkeit von globalen Lieferketten reduzieren und die geopolitische Position der USA festigen.
Weiteres Kernstück der Politik Trumps ist der sogenannte „United States Investment Accelerator“, ein Programm zum Onshoring privater Investitionen. Laut dem Handelsministerium haben sich seit Jahresbeginn 2025 bereits über 200 Unternehmen verpflichtet, neue Werke in den USA zu bauen, was etwa 150.000 Arbeitsplätze schaffen könnte. Gleichzeitig wird die illegale Einwanderung durch eine striktere Grenzpolitik bekämpft, um den Arbeitsmarkt für US-Bürger zu schützen und Löhne zu stabilisieren. Trumps Ziel ist es, die USA an die Spitze der neuen Technologien zu setzen. Eine Re-Industrialisierung auf der Basis von KI, Robotik und modernster Energiegewinnung – ein Modell für Europa?
In Brüssel herrscht hektische Tatenlosigkeit. Weder die EU-Kommission, noch die sie stützenden Regierungschefs in den Hauptstädten der EU haben bislang eine sinnvolle Antwort auf die Zollpolitik der Vereinigten Staaten präsentiert. Hier spielt man auf Zeit, zerstreut die Zolldrohung mit dem Angebot, die eigenen Zölle zu senken, während nichts materielles angeboten wird. In Deutschland werden Steuererhöhungen vorbereitet, Brüssel hält am Regulierungskatalog seiner Klimaagenda fest – nichts scheint sich zu bewegen.
Pokert man in Brüssel? Hofft man darauf, dass Trump am Ende des Zollmoratoriums von 90 Tagen angesichts einer sich abzeichnenden Rezession einknickt? Aus Sicht der EU bleibt in den kommenden Wochen zu hoffen, dass Trump mit dem Versuch scheitert, die US-Wirtschaft im internationalen Geschäft besser zu positionieren und Deals auszuhandeln. Mit jedem erfolgreich abgeschlossenen Handelskontrakt würde die Verhandlungsposition Brüssels weiter geschwächt. Sie sollten sich jetzt bewegen. Europa benötigt die Abkehr vom Bürokratenstaat mindestens so sehr wie die USA.