
Wegen des Ampel-Bruchs und der relativ kurzfristigen Ansetzungen der Neuwahlen in Deutschland, werden sich Briefwähler ein wenig sputen müssen. Statt der gewöhnlich sechs bis sieben Wochen werden zur kommenden Bundestagswahl am 23. Februar wohl nur etwa zwei Wochen bleiben, sich Wahlunterlagen zuschicken zu lassen und die ausgefüllten Stimmzettel zurückzusenden. Dabei ist das Problem durch die Parteien selbst und durch das neue Postgesetz der Ampel hausgemacht.
Eine Sorge, die sich wegen der knappen Fristen nun im politischen Lager links der Mitte breitmacht: Vor allem die AfD könnte von Ungereimtheiten, liegengebliebenen oder zu spät abgeschickten (und somit nicht mitgezählten) Stimmzetteln profitieren. „Die Risiken der Briefwahl stärken vor allem eine Partei“ lautet der Titel einer entsprechenden Analyse der Zeit.
Denn: Die AfD ist die einzige Partei, deren Wähler deutlich häufiger den klassischen Gang zur Wahlurne am Wahltag selbst bestreiten. Der Unterschied zwischen Urnen-Wählern und Briefwähler beträgt bei der AfD knapp sieben Prozentpunkte. Im Gegensatz dazu wählt beispielsweise je die Mehrheit der Wähler von CDU (3 Prozent mehr) und den Grünen (3,7 Prozent mehr) per Brief. Bei SPD, FDP und Linke halten sich Urnen- und Briefwähler in etwa die Waage.
Briefwählern bleiben zur Bundestagswahl zwischen Beantragung der Unterlagen und Absenden der ausgefüllten Dokumente rund zwei Wochen.
Und: Das Wählen per Brief wird immer relevanter.
Schon bei der vergangenen Bundestagswahl im September 2021 war die Briefwahl so beliebt wie nie zuvor: 47 Prozent der abgegebenen Stimmen waren bereits vor dem Wahltag per Brief abgeschickt worden, wobei damals die Corona-Pandemie und die Sorge vor unnötigen Kontakten ihren Teil dazu beigetragen haben dürfte. 2017 hatten noch 28,6 Prozent der Wähler per Brief gewählt. Dennoch wird der Anteil der Briefwähler kontinuierlich größer.
Wahlleiter landauf, landab sehen die schmalen Zeiträume für die Briefwahl kritisch, die jedoch auch so kurz sind, weil die Parteien es versäumt hatten, rechtzeitig ihre Kandidaten aufzustellen. Die Stimmzettel werden deshalb erst nach dem 30. Januar gedruckt und können logischerweise erst dann versendet werden.
„Wer sichergehen will, dass sein Stimmzettel zählt und nicht am Montag nach der Wahl noch herumliegt, sollte im Wahllokal wählen oder die Unterlagen sofort nach dem Erhalt ausfüllen und zurückschicken“, sagte Thüringens Landeswahlleiter Holger Poppenhäger zu Bild. Dresdens Wahlleiter Sven Mania (54) rät gegenüber der Zeitung sogar ganz von der Briefwahl ab – er traue der Post nicht.
Die Post verspricht: Wer seine Wahlunterlagen bis zum Donnerstag (vor Leerung der Briefkästen) vor der Wahl abschickt, muss sich keine Gedanken machen.
Diese Sorge sei nachvollziehbar, aber „aus unserer Sicht unbegründet“, Hans-Christian Mennenga, Leiter der Kommunikation Post & Paket Deutschland, dem Spiegel. Bei der Sorge spielt jedoch auch eine Rolle, dass die Post nach dem neuen Postgesetz Sendungen nicht mehr innerhalb von zwei Tagen ausliefern muss, sondern drei Tage genügen. Noch viel länger, bis zu zehn Tage dauern in der Regel Sendungen aus dem Ausland – 2021 wählten etwa 130.000 Deutsche aus dem Ausland. Ihnen bleibt also noch weniger Zeit.
Bemerkenswert: AfD-Wählern und -Funktionären wird die Urnen-Treue nachgesagt, gerade weil sie häufiger die Sorge vor der Manipulationsanfälligkeit einer Briefwahl hätten. Nun wird die Briefwahl-Skepsis im politisch linken Lager befeuert, nachdem die kurzen Fristen zum Nachteil werden können.
Doch auch im Angesicht des Zustandes der Deutschen Post steht fest: Wer seine Briefwahlunterlagen, sobald es möglich ist, beantragt und kurzfristig ausgefüllt zurückschickt, dessen Unterlagen werden auch sicher im Wahllokal ankommen und dessen (gültige) Stimme wird auch gezählt – egal, wo das Kreuz gesetzt worden ist.
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