
Udo Lindenbergs Songklassiker „Sonderzug nach Pankow“ aus dem Jahr 1983 wird bei einem Auftritt in Berlin nicht in seiner Originalfassung zu hören sein. Im Rahmen des Konzerts „Vielstimmig 2024“ am 16. und 17. November im Humboldt-Forum, bei dem mehrere Berliner Chöre Songs deutscher Musikgeschichte singen, wird das Lied mit einer sprachlichen Anpassung dargeboten. Ausschlaggebend für die Entscheidung war die Verwendung des Begriffs „Oberindianer“ im Text; deshalb soll Lindenbergs Kultsong nun zensiert werden.
Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“ nimmt satirisch Bezug auf DDR-Staatschef Erich Honecker, den der Sänger als „Oberindianer“ bezeichnet. Diese Wortwahl galt damals als spielerische Satire, um die Autorität des DDR-Regimes und Honeckers Machtstellung zu kritisieren. Heute sieht die Leitung des Humboldt Forums darin Rassismus.
Die Stiftung Humboldt Forum, die im wiederaufgebauten Stadtschloss residiert und stark vom Bund gefördert wird, sieht in ihrer Entscheidung ein Zeichen für kulturelle Sensibilität und Rücksichtnahme gegenüber diversen Besuchergruppen. „Nach einer offenen Diskussion mit den Chören und der künstlerischen Leitung haben wir entschieden, das Lied ‚Sonderzug nach Pankow‘ zu singen und hierbei das Wort, das aus heutiger Sicht diskriminierend wahrgenommen werden kann, auszulassen,“ erklärt das Humboldt Forum auf Anfrage der Bild.
Weiter führt die Stiftung an, dass der Begriff in den 1980er Jahren zwar mit einer metaphorischen, kritischen Konnotation genutzt wurde, heute jedoch „die Gewaltgeschichte der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen nachklingt.“ Denn die Bezeichnung Indianer würde „von vielen indigenen Menschen, aber auch von vielen unserer nationalen und internationalen Besucher*innen als diskriminierend und rassistisch wahrgenommen [werden]. Diese Sichtweise nehmen wir ernst und respektieren wir“, heißt es weiter.
Das Lied entstand im Jahr 1983 als Parodie auf den Song „Chattanooga Choo Choo“ von Glenn Miller. In der Version von Lindenberg geht es um einen „Sonderzug“ zum damaligen Ost-Berliner Bezirk Pankow, wo viele Funktionäre und die politische Führung der DDR lebten. Lindenberg richtete das Lied direkt an Erich Honecker, den damaligen faktischen Staatschef der DDR, und machte ihn zur Zielscheibe seiner Kritik. Lindenberg singt darin: „Ich habe 1000 Fragen / warum sie den Boss da oben fragen“ und fordert Honecker heraus, ihm endlich die Genehmigung für ein Konzert in der DDR zu geben.
Tatsächlich gelang es Lindenberg durch den Song, die Aufmerksamkeit sowohl in West- als auch in Ostdeutschland auf die eingeschränkte Bewegungsfreiheit und Meinungsfreiheit in der DDR zu lenken. Der DDR-Staatsapparat reagierte zunächst mit Ablehnung, und ein Konzert Lindenbergs im Osten wurde erst viele Jahre später genehmigt. Schließlich durfte er 1987 ein Konzert in Ost-Berlin geben – eine Sensation.