
Ob sich dieses vor einem Monat gefallene wegweisende Urteil zur Meinungsfreiheit schon bis nach Bamberg zum Amtsgericht herumgesprochen hat? Laut dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG) durfte ein Demonstrant im konkreten Einzelfall Kanzler Olaf Scholz (SPD) sogar als „Volksschädling“ bezeichnen. Das Gericht verneinte eine „Politikerbeleidigung“.
Im Zusammenhang mit der Verurteilung von DK-Chefredakteur David Bendels zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung wegen eines satirischen Faeser-Memes hat FDP-Vize Wolfgang Kubicki auf ein bisher weitgehend untergegangenes Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) aufmerksam gemacht.
Kubicki, von Hause aus Anwalt, schreibt auf dem Kurznachrichtendienst X: Das seiner Meinung nach „schandhafte Urteil“ des Amtsgerichts Bamberg gegen David Bendels (sieben Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen eines satirischen Faeser-Memes) lasse sich mit der Rechtsprechung des obersten bayerischen Landesgerichts nicht in Einklang bringen.
Es kommt immer auch auf den Kontext an
Die Entscheidung des BayObLG konkretisiert nämlich die Auslegung des sogenannten „Majestätsbeleidigungs-Paragrafen“ und hebt die Hürden für den besonderen Ehrenschutz von Politikern nach § 188 des Strafgesetzbuches (StGB) an. Demnach zählen nicht nur der Inhalt einer scharfen Bemerkung, sondern u.a. auch der Kontext der Äußerung.
Im konkreten Fall blieb ein Demonstrant, der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als „Volksschädling“ bezeichnet hatte, daher strafrechtlich unbelangt (Urt. v. 06.03.2025, Az. 206 StRR 433/24). Dem wegweisenden Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Bei einer Demonstration in Ingolstadt im Frühjahr 2022, die sich gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung richtete, präsentierte ein Mann ein Plakat, auf dem unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz als „Volksschädling“ bezeichnet wurde. Neben Scholz fanden sich auf dem Pappschild auch Abbildungen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck („Grüne“) wieder. Auch sie kritisierte der Demonstrant scharf. Faeser bedachte er mit dem Untertitel „10-Punkte-Plan zur Volksvernichtung“ und Habeck mit der Aussage „Vaterlandsliebe findet er zum Kotzen“.
Freispruch durch alle Instanzen
Nach der Sicherstellung des Plakats durch die Polizei verzichtete das Bundeskanzleramt auf eine Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft erhob dennoch Anklage, allerdings wenig erfolgreich:
In erster Instanz sprach das Amtsgericht (AG) Ingolstadt den Angeklagten frei. Dabei wollte es die (politisch weisungsgebundene) Staatsanwaltschaft aber nicht belassen und legte Berufung ein. Doch auch das Landgericht (LG) Ingolstadt bestätigte den Freispruch. Das BayObLG, das über die Revision entscheiden musste, erkannte nun auch keine Strafbarkeit.
Im Mittelpunkt des Verfahrens vor dem BayObLG stand die Frage, ob die Bezeichnung „Volksschädling“ eine strafbare Beleidigung gegen Personen des politischen Lebens nach § 188 Abs. 1 StGB darstellt, also den besonderen Ehrenschutz für Politiker verletzt.
Die Urteilsbegründung lässt sich verkürzt wie folgt zusammenfassen: Nicht jede scharfe Kritik oder polemische Äußerung sei strafbar, es komme auf die Gesamtumstände an. Entscheidend sei dabei etwa nicht nur die Wortwahl an sich, sondern insbesondere auch der Kontext. War eine Äußerung zum Beispiel Teil einer politischen Debatte oder ein gezielter persönlicher Angriff?