Staatsfunk mit Selbstbedienung – Innenansichten eines verfilzten Systems

vor 25 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Am 9. Juni 1950 gründeten die Landesrundfunkanstalten die „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“, kurz ARD. Am 1. April 1963 nahm schließlich auch das ZDF seinen Sendebetrieb auf.

1997 nahm ich an einer Sitzung des Rundfunkrats des Hessischen Rundfunks teil – gemeinsam mit meinem damaligen Vorgesetzten, dem Geschäftsführer der HR-Werbetochter TAUNUSFILM, Wolfgang Graß. Dort berichtete ich Vertretern aus Kirche, Politik, Gewerkschaften und Medien, welche Projekte bei TAUNUSFILM aktuell in Vorbereitung waren. Als ich die SAT.1-Produktion „Natalie – Endstation Babystrich“ vorstellte, stieß die Thematik auf Missfallen. Man war der Ansicht, der Stoff sei „anrüchig“ und wir sollten gegebenenfalls auf die Realisierung verzichten. Ich entgegnete der Runde, ob man denn noch alle Tassen im Schrank habe – denn der HR selbst gab uns kaum Aufträge, und wir waren auf jede Produktion angewiesen, die wir akquirieren konnten. HR-Intendant Berg forderte Umsatz und Erträge, weshalb die Kritik des Rundfunkrats vollkommen weltfremd war. Nach der Sitzung teilte Berg meinem Chef mit, man solle mich künftig besser nicht mehr mitbringen.

Einige Monate später befand ich mich auf Lanzarote, um eine Musiksendung für den SWR zu produzieren. Unter dem Titel „Urlaub vom Alltag“ traten Karel Gott und andere Schlagersänger in den Dünen der Kanarischen Inseln auf. Der verantwortliche Redakteur des SWR war mit seiner Frau angereist und bat mich täglich um „Taschengeld“, damit sie beide gut essen und einkaufen gehen könnten. Zunächst weigerte ich mich, da er ohnehin Spesen vom SWR erhielt. Doch mein Chef Graß sagte mir am Telefon nur: „So ist das nun einmal!“ – und so zahlte ich täglich 200 D-Mark Handgeld, ohne Quittung.

Einige Zeit später produzierte ich den Kinderfilm „Das Geheimnis der Kormoraninsel“ unter der Regie von Frank Schleinstein. Diese Koproduktion mehrerer ARD-Anstalten wurde maßgeblich realisiert, weil Schleinsteins Ehefrau beim ORB arbeitete und die nötigen Türen öffnete.

Diese Erinnerungen illustrieren sehr deutlich, wie das System in Deutschland funktioniert – insbesondere die Finanzierung von Fernseh- und Filmproduktionen. Mehr dazu findet sich in meinem Buch Tabula Rasa.

Meine direkten Erfahrungen sind der Grund, weshalb ich seit Jahren deutliche Kritik an ARD, ZDF und der staatlichen Filmförderung übe. Dieses System ist offenkundig korrupt und ungerecht gegenüber Produzenten, die nicht „vernetzt“ sind, sondern unabhängig mit guten Ideen und Projekten bestehen wollen. Die Redaktionen arbeiten stets mit denselben Produktionsfirmen zusammen und kontrollieren gemeinsam Filmförderungen, Verbände, Festivals und Filmpreise. Ein in sich geschlossenes, sich selbst nährendes System wurde etabliert, das sich durch Zwangsgebühren finanziert – ein weltweit einzigartiges Konstrukt.

Die ARD (rund 9,5 Mrd. €) und das ZDF (rund 3 Mrd. €) verbrauchen gemeinsam über 12,5 Milliarden Euro jährlich. Davon stammen rund 9 Milliarden aus Beiträgen, die wir alle – ob wir wollen oder nicht – zu entrichten haben. Etwa 40 % dieses Budgets entfallen auf Personal- und Pensionskosten. Wer nun meint, die übrigen 60 % flössen ins Programm, irrt: Ein Blick etwa in die Bilanz des WDR zeigt, dass weitere 20 % unter „Sonstige Aufwendungen“ gelistet werden, mit Begründungen wie:

„Die Sammelposition der sonstigen Aufwendungen enthält Positionen, die nicht die oben aufgeführten Aufwandsarten betreffen. Größere Positionen waren hier insbesondere verschiedene Fremdleistungen (76,1 Mio. €), Abschreibungen (54,2 Mio. €), Unterhalts- und Reparaturkosten (54,6 Mio. €), Kosten für den Einzug des Rundfunkbeitrags (38,9 Mio. €), Finanzierungsanteile an Gemeinschaftseinrichtungen (16,6 Mio. €) sowie Steuern (26,3 Mio. €).“

Wie solch hohe Summen – etwa für „Fremdleistungen“ – ohne detaillierte Offenlegung verbucht werden können, ist skandalös. Denn diese Leistungen sind nicht identisch mit den Programmkosten, die an Produktionsfirmen gezahlt werden. Diese wiederum werden separat als Urheber- und Leistungsvergütungen (343 Mio. €) sowie als Anteile an Programmgemeinschaftsaufgaben und Koproduktionen (204 Mio. €) ausgewiesen. Bei anderen ARD-Anstalten und dem ZDF sehen die Relationen ähnlich aus. Insgesamt geht es also um fast eine Milliarde Euro jährlich, deren konkrete Verwendung im Dunkeln bleibt. Für Privatflüge, Millionengagen von Markus Lanz, Maybrit Illner oder Marietta Slomka? Für Reisen nach Cannes, Berlin, Venedig, New York – oder exklusive Essen und Geschenke?

Deutschland leistet sich mit ARD und ZDF ein sehr teures Vergnügen. Doch was bekommt der Zuschauer dafür? In der Regel mittelmäßige bis schlechte Produktionen, die qualitativ oft hinter den Angeboten privater Sender oder internationaler Streamingdienste zurückbleiben. Filme, die im Ausland kaum Abnehmer finden. Das vielleicht deutlichste Armutszeugnis war die Nominierung des iranischen Films Die Saat des heiligen Feigenbaums als deutscher Beitrag für den Auslands-Oscar – einzig deshalb, weil der Regisseur als Asylbewerber in Deutschland lebt. Deutsche Filmschaffende waren an der Produktion nicht beteiligt. Von den über 120 jährlich geförderten Filmen in Deutschland schien offenbar keiner geeignet oder preiswürdig.

Im Bereich Nachrichten, Magazine und Information sieht es nicht besser aus. Noch vor 20 Jahren gab es ausgewogene Formate, die linke wie rechte Positionen reflektierten. Sendungen wie ZDF Magazin mit Gerhard Löwenthal, Frontal mit Kienzle und Hauser oder Monitor mit Klaus Bednarz lieferten kritischen Journalismus, der erst recherchierte und dann kommentierte. Heute hingegen sind laut Umfragen fast 80 % der Journalisten bei ARD und ZDF Anhänger grüner oder linksgerichteter Positionen. Talkshows und Satiresendungen sind einseitig besetzt. Konservative Perspektiven finden kaum statt – weder in Diskussionsrunden noch in Nachrichtensendungen.

Dabei war es einst das erklärte Ziel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die gesamte Bandbreite gesellschaftlicher und politischer Strömungen abzubilden. Um diesem Auftrag gerecht zu werden, müsste es auch Formate geben, die beispielsweise migrationskritisch oder atomkraftfreundlich sind – mit entsprechenden Redakteuren und Moderatoren. Stattdessen hat sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu einem einseitigen Meinungsmedium gewandelt und damit das moralische Recht auf Zwangsfinanzierung durch alle Bürger verspielt.

ARD und ZDF sollten sich künftig am freien Markt behaupten – ohne Beitragsfinanzierung. Dann wird sich zeigen, wie viele Zuschauer tatsächlich bereit sind, für das aktuelle Programmangebot zu zahlen. Im Wettbewerb mit Netflix, RTL & Co. werden die über Jahre verwöhnten Strukturen von ARD und ZDF schnell an ihre Grenzen stoßen. Ich persönlich wäre nur dann wieder bereit, zu zahlen – wenn das Programm besser und ausgewogener wird. Und wenn dort auch einmal Filme wie Hanau, die Bandidos-Dokumentation oder Assault on Wall Street gezeigt werden.

Dr. phil. Uwe Boll ist Autor, Film-Regisseur und Produzent.

X: @uweboll7 – Instagram: uwe_boll_films – Youtube: @uweboll9101

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