
Der „Ökumenische Rat der Kirchen“ (ÖRK) mit Sitz in Genf ist der bislang größte Versuch, die Gräben zwischen Kirchen und Konfessionen zu überwinden. Ihm gehören 356 Kirchen aus 120 Ländern an, die weltweit 580 Millionen Christen vertreten. Die römisch-katholische Kirche ist nicht Mitglied.
Das zweithöchste Amt des ÖRK hat als „Generalsekretär“ der südafrikanische Theologe Jerry Pillay von der Presbyterianischen Kirche inne, die zur evangelischen Kirchenfamilie gehört. Pillay wurde 2022 in dieses Amt gewählt, obwohl er seit 2016 Israel immer wieder als Apartheidsstaat diffamiert. Dabei haben 20% der Israelis arabische Wurzeln mit weitgehender rechtlicher Gleichstellung zu den jüdischen Israelis.
Auf dem höchsten Amt des ÖRK sitzt als „Vorsitzender des Zentralausschusses“ seit 2022 der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, ebenfalls aus der evangelischen Kirchenfamilie. Er ist ein unermüdlicher Verfechter dafür, dass die Kirchen politisch – wie er es selber ausdrückt – „jenseits aller Kompromisse (!) und Klugheitserwägungen (!) in der Tradition biblischer Prophetie (!) ein klares Wort sprechen“. Zu den Aufgaben des 158 Mitglieder umfassenden Zentralausschusses zählen die Umsetzung der Aufträge der Vollversammlung und das Treffen von Grundsatzentscheidungen.
Am 24. Juni hat der Zentralausschuss des ÖRK in Johannesburg (Südafrika) einen Konsens-Beschluss veröffentlicht, in dem Israel auf das schärfste beschuldigt wird. Dabei fallen alle Schlagworte, die für die weltweite Israelkritik charakteristisch sind: – „System der Apartheid“ – „Genozid“ – „völkerrechtswidrig“ – „illegale Siedlungen“ – „eskalierende Gewalt und Unterdrückung“ – „Islamophobie“ – „Besatzung“ – „Verletzung der Menschenrechte“ – „Verletzung der grundlegenden Prinzipien der Moral“ – „Recht auf Freiheit, Rückkehr und Selbstbestimmung der Palästinenser“.
Es fällt auf, dass der ÖRK alle Schuld am Nahost-Konflikt ganz allein bei Israel sucht und finden will. An keiner Stelle wird die Mitverantwortung der palästinensischen Araber an der misslichen Lage auch nur angedeutet. Die Botschaft ist klar: Israel ist der Rechtsbrecher und Übeltäter. Die palästinensischen Araber sind die unschuldigen Opfer.
Die Erklärung betont: Natürlich haben man nichts gegen die Juden als „Geschwister des Glaubens“; aber man verurteile die israelische Regierung. Dabei scheint der ÖRK vergessen zu haben, dass die demokratische Regierung Israels mehrheitlich von arabischen Israelis und „Geschwistern im Glauben“ gewählt worden ist.
Selbstverständlich wird die Erklärung noch mit einem prophetischen Bibelvers garniert, mit dem man meint, seine eigene einseitige Meinung in der Bibel bestätigt zu bekommen: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“ (Amos 5,24). Dem meint der ÖRK gerecht zu werden, indem er Sanktionen, Desinvestitionen und ein Waffenexportverbot gegen Israel fordert. Worte wären genug gefallen; jetzt sei es Zeit, aktiv zu werden.
Die Erklärung des Zentralausschusses passt ideal zu dem altbekannten Stil von Bedford-Strohm, sich immer wieder durch vermeintlich prophetische Aussagen „jenseits aller Kompromisse und Klugsheitserwägungen“ auf politische Minenfelder zu begeben: „Impfen ist für Christen moralische Pflicht“, „die deutsche Grenzöffnung 2015 hat mich stolz auf mein Land gemacht“ und „Christen müssen klare Kante gegen Rechts zeigen“. Bedford-Strohm ist das freundlich lächelnde Gesicht des alternativlos gutmenschlichen Links-Populismus, der die Welt eindeutig in Schwarz und Weiß und Gut und Böse aufzuteilen weiss.
Der ÖRK hat zwei Leute an seine Spitze gewählt, die in ihrer einseitigen Sichtweise für ein Christentum stehen, das mit erschreckender kognitiver Unterkomplexität meint, sich immer wieder in ausgewählte politische Konflikte auf dieser Welt einmischen zu müssen; sicherlich immer, wenn Israel an dem Konflikt beteiligt ist. Aber Bedford-Strohm beruhigt: „Mit Antisemitismus hat der Beschluss nichts zu tun“; „das Eintreten für die Menschen in Gaza und in den besetzten Gebieten kommt aus (…) universalistischen Werten.“ Bei diesen Aussagen Bedford-Strohms strömt die Selbstgerechtigkeit wie Wasser und die selbstherrliche Gutmenschlichkeit wie ein nie versiegender Bach.