„Klar“ bringt Fakten – und löst Panikwellen im Haltungsapparat aus

vor etwa 1 Monat

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Bildquelle: Tichys Einblick

Am 9. April betritt die ARD journalistisches Brachland, das sie seit Jahren hat veröden lassen: Die Doku-Reportage „Klar – Migration: was falsch läuft“ ist die erste asylkritische Dokumentation nach der Grenzöffnung für Flüchtlinge 2015 und Merkels „Wir schaffen das“. Produziert vom Norddeutschen (NDR) und dem Bayerischen Rundfunk (BR), soll die Pilotfolge ein neues, konservatives Magazinformat in der ARD etablieren. Weitere Folgen sind für den 21. Mai (Thema Bauern) und 11. Juni (Wirtschaft). geplant. Autorin der gesamten Staffel ist die Journalistin Julia Ruhs. „‚Klar‘ greift große Streitfragen auf, die in der Mitte der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“, verspricht der NDR. Doch er hat die Rechnung ohne die eigenen Mitarbeiter gemacht. Dazu später mehr.

Schon kurz nach der Ausstrahlung kochen auf X und in anderen Netzwerken wie LinkedIn, Facebook und Twitch die Emotionen hoch. Während die Sendung von Zuschauern mit Lob und großer Verwunderung aufgenommen wird, schießen andere Journalisten sofort scharf. Sie stammen ausnahmslos aus dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und der Mainstream-Presse, die seit 2015 brav auf Regierungslinie ist und steigende Kriminalitätsraten und andere Probleme mit Asylbewerbern und Migranten bestenfalls kleinredet, meistens aber negiert oder sofern irgend möglich komplett verschweigt. Dieser Eindruck jedenfalls hat sich beim Publikum verfestigt. Das Vertrauen in den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk schwindet permanent.

Dass nun jemand aus der eigenen ÖRR-Bubble plötzlich quer schießt und beim Thema Migration auch (auch!) die Gegenseite zu Wort kommen lässt, passt der Systempresse erkennbar gar nicht. Und das, obwohl sogar eine Grünen-Sprecherin in der Sendung zu Wort kommt. Aber Jette Nietzart ist mit ihren empathiefreien Schock-Aussagen („Kinder werden nicht mehr von afghanischen Attentätern ermordet als von deutschen Vätern“) offenbar eine zu authentische Figur. Ein tragisches Abziehbild all dessen, was bei den Grünen falsch läuft.

Georg Restle, Redaktionsleiter des Politmagazins Monitor, antwortet im WDR mit einer Sendung namens „Volk in Angst – wie mit Verbrechen Politik gemacht wird.“ Anders als die ursprüngliche „Klar“-Doku wird dieser Beitrag nicht am späten Abend versteckt, sondern zur Hauptsendezeit ausgestrahlt. Restle kann darin gar nicht oft genug betonen, dass Deutschland eines der sichersten Länder weltweit sei. Dass die polizeiliche Kriminalstatistik etwas anderes aussagt, negiert er einfach und behauptet stattdessen, sie würde „kein realistisches Bild der Kriminalität im Land abbilden“. Er bezeichnet sie sogar als „Statistiken, die die Realität verzerren“. Restle kritisiert auch die Medien: Sie würden „die Stimmung anheizen“ und machten Politiker zu „Getriebenen“. Grund: Über Ausländerkriminalität werde viel häufiger berichtet als über die Straftaten deutscher Staatsbürger.

Mit ihrer Reportage hat Autorin Julia Ruhs den Nerv getroffen und in den eigenen Reihen einen Kampf um die Deutungshoheit entfacht. Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk ist gesetzlich dazu verpflichtet, alle Meinungen im Land gleichberechtigt abzubilden. Doch tut er dies plötzlich, explodiert der Kessel im eigenen Lager, das mittlerweile seit Jahren geschlossen auf rot-grüner Linie arbeitet und dafür sämtliche journalistischen Standards geopfert hat. Das eigentliche Handwerk des „Berichten, was ist“, wird offenbar gar nicht mehr gelehrt. Und die Mitarbeiter nach Farben ausgesiebt. Bereits 2020 hat eine Umfrage ergeben: 92 Prozent der ARD-Volontäre wählen Grün oder Rot.

Schon vor Restle hat das ZDF das Feuer auf die Kollegin eröffnet. Korrespondentin Nicole Diekmann posaunt, Ruhs sei „innerlich noch ein Teenie“. Ebenfalls persönlich beleidigend wird das ehemalige Satireformat „ZDF-Magazin Royale“. Ausgerechnet der für seine Unflätigkeiten berüchtigte Chef-Pöbler Jan Böhmermann spricht von einer „großen Schweinerei“. Auf seinem typisch unterirdischen Niveau wirft er der Autorin Dummheit, Unmenschlichkeit und sogar Irrsinn vor.

Hinzu kommen bizarre Kommentare aus anderen Teilen des polit-medialen Komplexes. Dara Marc Sasmaz, Social-Media-Berater der SED-Nachfolgepartei „Die Linke“, spricht von „Goebbels-Stürmer-Niveau“ und „Nazi-Shit“. Und auf der extrem linken Plattform „WeAct“ wurde sogar eine Petition gestartet. Titel: „Rassistische NDR/BR-Reportage absetzen!“. Verfasser ist der Klimakleber-Sprecher Torben Ritzungen von der „Letzten Generation“, der hoffentlich letzten dieser Art. Die Petition hatte bei Redaktionsschluss niedliche 748 Unterzeichner. Die Plattform gehört zum umstrittenen Verein Compact, der offen zur Wahl der Grünen aufruft, sie sogar mit sechstelligen Spendensummen pampert. So schließen sich die Kreise.

Besonders weit lehnen sich Ruhs’ direkte Kollegen aus dem Fenster. In einem internen Brief an Geschäftsführung, Programmdirektion und Chefredaktion des NDR fordern 20 feste und freie Mitarbeiter den Sender auf, sich öffentlich gegen „Klar“ und die Autorin Ruhs zu positionieren. Sie kreiden ihr ausgerechnet das an, was seit Jahren ihnen selbst vorgeworfen wird: unsaubere Arbeit. In dem Brief heißt es: „Wir haben diese gemeinsame Stellungnahme verfasst, weil uns die erste Folge des neuen Formats ‚Klar‘ irritiert. Sie verletzt in unseren Augen eine Reihe von Grundsätzen unserer journalistischen Arbeit und kommt unserem öffentlich-rechtlichen Auftrag gemäß NDR-Staatsvertrag nicht nach. Wir distanzieren uns daher von dieser Produktion.“ Die Sendung würde „spalten“ und „die Erfolge der Regierung“ nicht genug herausarbeiten. Darob verspüre man eine „anhaltende Verstörung“. Es folgt eine Aneinanderreihung allerlei linksextremer Kampfbegriffe, um kritische Geister möglichst umfangreich zu beschädigen und aus dem Diskurs zu schieben.

Direkt nach der Ausstrahlung der Pilotfolge sollen zwei Krisentreffen stattgefunden haben, wird berichtet. Dabei hätten sowohl die Verantwortlichen im NDR wie auch im BR eindeutig festgestellt, „dass keine journalistischen Standards verletzt worden seien“. Gleichwohl hätten viele Mitarbeiter die Dokumentation „heftig kritisiert“.

Mit dem durchgestochenen Brief entstellt sich das ganze Debakel des öffentlich-rechtlichen Propaganda-Systems bis zur Kenntlichkeit. Die 20 Journalisten unterstellen ihrer Kollegin Haltungsjournalismus, und damit kennen sie sich bestens aus. Sie betreiben ihn schließlich selbst seit vielen Jahren in Reinform. Mit jeder Erwähnung des Klimawandels in jedem Tatort, jedem Wetterbericht, jeder Nachrichtensendung. Mit jedem „Einzelfall, jedem psychisch kranken Attentäter, jedem Hakenkreuz, das Linksextreme auf AfD-Plakate schmieren und das anschließend als rechtsextreme Straftat gezählt wird.

„Einordnen“ nennen die woken, die erwachten Journalisten selbst diese Art von Berichterstattung. „Einnorden“ würde besser passen. Der Zuschauer soll auf ihre, die einzig wahre Haltung eingenordet werden. Und Nachrichten sind etwas, wonach man sich zu richten hat.

Auch die ständig weiter abstürzende Illustrierte Stern drischt auf die Doku ein: „Inzwischen ist die ARD nicht mehr Brandmauer, sondern wird immer öfter Brandbeschleuniger“, heißt es in einem Kommentar. Der Autor hat einen kühnen Verdacht: Ihn „beschleicht das ungute Gefühl, dass die Entscheidungsträger langsam versuchen, schon mal ihre Karriere abzusichern für den Fall, dass die AfD an die Macht kommen sollte. So haben Weidel und Höcke dann weniger Arbeit beim Gleichschalten.“

Die Selbstzerfleischung des Öffentlich-Rechtlichen Systems bleibt international nicht unbeachtet. Der britische Economist sieht bereits die Meinungsfreiheit in Deutschland bedroht. Denn das Problem bei einer ARD-Doku wie „Klar“ ist nicht etwa, dass die Autorin Haltung zeigen würde. Sondern die falsche.

Und vor allem: dass sie berichtet, was ist.

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