„Ich weiß nicht, was daran ‚rechts‘ sein soll!“ – Gilt sachliche Kritik nun als Hass im Netz?

vor 26 Tagen

Blog Image
Bildquelle: Tichys Einblick

In den sozialen Medien legt die Journalistin Katharina Schmieder unter dem Namen critical cat handwerkliche Fehler öffentlich-rechtlicher Berichterstattung offen. Dabei bleibt sie sachlich und trennt ihr berufliches Schaffen von ihrer Tätigkeit auf X und YouTube, die sie als „hobbymäßig“ beschreibt. Dementsprechend überrascht ist sie, als sie eine Mail ihres ehemaligen Arbeitgebers erhält: Der SWR schreibt an ihre private Mailadresse und fordert Informationen über ihre nicht unter Klarnamen geführten Kanäle an. Hintergrund sei eine Recherche zu „rechten Influencern [und] Hass im Netz“. Schmieder entscheidet sich für die Flucht nach vorn und macht den Vorgang öffentlich.

Tichys Einblick: Frau Schmieder, auf ihren Social-Media-Kanälen widmen Sie sich handwerklichen Fehlern beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Was genau decken Sie auf?

Katharina Schmieder: Mir geht es vor allem um die sogenannten Zufälle, wie das bei uns im „Fachjargon“ heißt: Damit ist gemeint, dass zum Beispiel Mitarbeiter des ÖRR oder Politiker im politischen Kontext auftreten, also zum Beispiel bei Demonstrationen, aber nicht in ihrer Position gekennzeichnet werden. Der Zuschauer weiß dann nicht, mit wem er es hier zu tun hat. Es gibt Videos vom ÖRR selbst, in denen erklärt wird, wie wichtig es ist, dass die Funktion oder das Amt einer Person auf der Bauchbinde steht – so nennt man die Einblendung unten im Bild, die Informationen über den Interviewpartner anzeigt.

Übrigens hat Tichys Einblick auch bereits eine meiner Recherchen aufgegriffen, darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich hatte da zum Thema „Demokratie leben!“ nachvollziehen wollen, wo das Geld hingeht, und unter anderem herausgefunden, dass ein Format von Funk, das GEZ-finanziert ist, zusätzlich Steuergelder erhalten hat. „Datteltäter“ hieß das Format.

Sie waren selbst zwei Jahre lang als Redakteurin beim SWR tätig. Haben Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen dort angefangen, die Berichterstattung des ÖRR kritisch zu hinterfragen?

Zu diesem Thema bin ich erst nach meinem Ausstieg beim ÖRR gekommen. Ich habe zwar schlechte Erfahrungen beim SWR gemacht, aber das kann auch bei anderen Sendern oder in anderen großen Unternehmen passieren. Wenn ich in Talks zu Gast war, habe ich zwar kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich bei der ARD gearbeitet habe, ich habe aber nie explizit den SWR erwähnt: Mir ist wichtig, dass es bei meiner Kritik nicht darum geht, wegen schlechter Erfahrungen bei einem früheren Arbeitgeber nachzutreten oder jemanden an den Pranger zu stellen.

Mir geht es schlicht und einfach um Fehler im Programm; und je mehr ich da eingestiegen bin, desto mehr habe ich ganze Phänomenbereiche entdeckt, die ich jetzt sozusagen analytisch behandle.

Das ist handwerkliche Kritik, was diese Zufälle betrifft, und diese Kritik bringe ich betont sachlich an, trocken, geradezu spröde: Ich poste eine Bildcollage, auf der die Person zu sehen ist, die „zufällig“ im Fernsehen auftaucht. Dazu liefere ich den Beleg, wer diese Person ist, also zum Beispiel das Amt oder die Parteizugehörigkeit: „Der im NDR interviewte Experte ist Grünen-Politiker“, beispielsweise.

Sie machen deutlich, dass es Ihnen nicht um ein Nachtreten geht. Erlauben Sie mir trotzdem die Frage: Wie war die Atmosphäre beim SWR? Haben Sie dort Meinungshegemonie und Haltungsjournalismus erlebt?

Ich habe dort gearbeitet, als die Covid-Krise begann, und da war das natürlich sehr sichtbar. Meinungsvielfalt war in Bezug auf Corona nicht erwünscht. Ich muss allerdings dazu sagen, dass diese Anstalten Tausende von Mitarbeitern beschäftigen. Klar gibt es da auch Leute, die bürgerliche und konservative Positionen vertreten, aber das sind Beschäftigte aus der Postproduktion, der Technik, nicht diejenigen, die Kommentare sprechen, Nachrichten machen, große Meinungsformate moderieren. Das sind oftmals die, die sich dem Haltungsjournalismus zugeordnet fühlen.

In der Anfrage des SWR ging es um eine Recherche zum Thema „rechte Influencer“ und „Hass im Netz“. Was hat das mit Ihren Online-Auftritten zu tun?

Alle Inhalte auf meinen Kanälen sind betont sachlich. Auf meinen YouTube-Kanälen wird immer wieder von Nutzern kommentiert, dass es so angenehm wäre, mir zuzuhören, weil alles so ruhig und sachlich bleibt. Ich betreibe da weder Hass noch Hetze.

Darum war ich umso verwunderter, dass mich mein ehemaliger Arbeitgeber über meine private E-Mail-Adresse anschreibt, dass er auf meinen privaten Accounts herumschnüffelt, dort Sachen sieht, die ihm nicht gefallen, und das dann als rechte Hetze qualifiziert, weil ihm die Inhalte nicht passen.

Das heißt, Ihre Kritik ist nicht an eine politische Richtung gebunden?

Ich analysiere nur. Ich schreibe auch nie so etwas wie „die links-grün Versifften“, oder ähnliches. Das ist nicht meine Sprache, das mache ich nicht. Aber das Lagebild ist folgendermaßen: Es gibt eine Partei, da ist der ÖRR immer transparent. Und das ist die AfD. Bei allen anderen finde ich diese ganzen Zufälle.

Da handelt es sich mit ganz großem Überhang um nicht erwähnte grüne und rote Parteibücher, etwas weniger um die Union. Dann tauchen auch manchmal Angehörige kleinerer Parteien ungekennzeichnet auf, von Die Partei, Volt oder vom BSW. Aber das sind Ausnahmen.

Ich verstehe nicht, was daran „rechts“ sein soll, dieses Lagebild zu dokumentieren. Und es ist mir auch ein Rätsel, warum man da nicht transparent ist: Wenn ich mir vorstelle, dass da zum Beispiel ein Politiker von der SPD einen Beitrag mit dem WDR dreht, sich die Zeit nimmt, und zeigt, wie er die Stadt verschönern will, mit, was weiß ich, neuen Blumenkübeln: Und dann schreibt man aber nicht dazu, dass man ihn wählen kann, dass er hier ein politisches Amt innehat. Das ist doch unlogisch und auch unfair.

Sie sagen, das sei Ihnen ein „Rätsel“. Haben Sie dennoch eine Vermutung, was dahinterstecken könnte? Sind es eher ideologische oder vielleicht auch praktische Gründe?

Ich kann mir vorstellen, dass bei den Demonstrationen Zeitdruck dahintersteckt. Wenn der Redakteur freitags sagt: Morgen geht ihr auf diese Demo gegen rechts. Dann muss das in kürzester Zeit im Kasten und geschnitten und nachbearbeitet sein, damit der Beitrag ins Regionalprogramm und abends in die Tagesschau kann. Man hat also ein Zeitfenster von zwei Stunden und weiß, man braucht O-Töne. Da kann ich mir schon vorstellen, dass man sich im Vorfeld nach Ansprechpartnern erkundigt, und sich verabredet; und damit das organischer aussieht, so als sei der Demonstrant zufällig vorbeigelaufen, schreibt man dann gar keine Namen oder nur den Vornamen.

Sie meinen also, dass die Arbeitsweise ein Problem darstellen könnte – womit aber die Frage bestehen bleibt, die Sie aufwerfen, warum man es mit der Transparenz immer hinbekommt, wenn es um die AfD geht, und nur bei den anderen nicht.

Richtig, was ich beschrieben habe, war ja das Lagebild bei Demonstrationen. Ganz anders bewerte ich Talkshows. Nehmen wir etwa „Fakt ist“ beim MDR. Da sitzen vorn in der ersten Reihe ein paar Leute. Der Moderator sagt: „Wir haben unsere MDR-Community gefragt, und aus dieser Community ist heute Ramona Wuttig hier.“ Man recherchiert später, und sieh an: Das ist eine führende Lokalpolitikerin aus Erfurt. Und da kann mir keiner erzählen, dass das nicht im Vorfeld bekannt war: Man lädt den Gast ein, kommuniziert miteinander.

Nun kann es bei solchen Talks auch sein, dass sich eine Person meldet, ihren Namen sagt, aber nicht, dass sie einer Partei angehört, und dass der Moderator das in dem Augenblick nicht auf dem Schirm hat, oder dass die Information tatsächlich nicht vorliegt. Aber diese Sendungen werden nicht live ausgestrahlt, da greift im Nachhinein die Sorgfaltspflicht der Redaktion: Spätestens mit der Abnahme muss man schauen, wen man da eigentlich in der Sendung hatte. Das sollte selbstverständlich sein. Und es ist auch keine Kunst, diese Informationen herauszufinden – das ist eine Google-Suche von wenigen Sekunden.

Noch einmal zurück zur Anfrage des SWR. Die stand zeitlich in engem Zusammenhang mit dem Doxing des Youtubers „Clownswelt“ durch Jan Böhmermann. Was haben Sie da empfunden, als Sie diese Mail bekommen haben?

Als erstes habe ich mich gefragt, woher die meine private Mailadresse hatten. Da sehe ich einen Datenschutzverstoß, wenn ehemalige Mitarbeiter ausgeforscht und dann privat kontaktiert werden. Das ist ein rechtliches Problem, und ich habe auch schon mit Anwälten darüber gesprochen.

Ich äußere mich ganz anders als Clownswelt. Wir kennen uns, er hat mich auch schon mal auf seinen Kanal eingeladen. Da haben wir auch „Zufälle“ besprochen und haben Julia Ruhs’ Sendung „Klar“ kommentiert. Ich weiß, dass Clownswelt der AfD nahesteht. Ich habe damit kein Problem. Aber solche Positionierungen finden Sie bei mir nicht. Ich spreche keine Wahlempfehlung aus, ich retweete keine Politiker: Ich beschränke mich auf sachliche ÖRR-Kritik.

Umso beunruhigender, dass Ihre Tätigkeit mit rechter Hetze in Verbindung gebracht werden soll.

Dazu muss ich sagen, dass „rechts“ für mich kein Schimpfwort ist. Im normalen demokratischen Spektrum ist rechts eine legitime Position.

Das mediale Interesse an der Identität von Clownswelt wurde unter anderem damit begründet, dass sein Kanal zum Zeitpunkt der Offenlegung 200.000 Follower hatte. Rechtfertigt Ihre Reichweite ein ähnliches Vorgehen Ihnen gegenüber?

Mein YouTube-Kanal hatte zum Zeitpunkt der Anfrage 8000 Follower. Das ist ein kleiner hobbymäßiger Account und kein Vergleich zu Clownswelt. Es wäre also absurd, behaupten zu wollen, die Bedeutung meiner Kanäle rechtfertige das Ausforschen meiner Identität. Und wie gesagt: Sobald die Investigativjournalistin meinen Klarnamen hatte, wird sie festgestellt haben, dass ich keine anonyme Person bin. Ich verschanze mich nicht hinter Anonymität.

Warum betreiben Sie Ihre ÖRR-Kritik dann nicht gleich unter Klarnamen?

Zum einen ist es in manchen Bereichen der sozialen Medien einfach Usus, sich einen Künstlernamen zuzulegen. Da treten die wenigsten einfach unter ihrem Namen auf.

Zum anderen trenne ich bewusst mein berufliches Dasein von meiner ÖRR-Kritik. Ich finde es zum Beispiel unangemessen, wenn im X-Profil eines ÖRR-Journalisten steht „nur privat hier“, aber daneben ist das Logo des Senders abgebildet; und dieser Journalist äußert dann zum Beispiel Sympathie für die Grünen. Das halten die Leute doch nicht auseinander. Und es hat eben eine andere Wirkung als eine wirklich private Äußerung, die man nicht unmittelbar einer Institution zuordnen kann.

Hat sich seit Ihrer „Offensive“ noch einmal jemand vom SWR bei Ihnen gemeldet?

Bisher noch nicht.

Nun, es wird auf jeden Fall spannend, wie sich die Sache entwickelt! Zum Abschluss noch eine letzte Frage: Was fordern Sie vom ÖRR? Was muss sich ändern?

In erster Linie fordere ich Transparenz. Radikale Transparenz bei den von mir angesprochenen Themenfeldern, also bei Demos, Interviews, Talkshows, Experten; bei allem, was politisch ist, möchte ich, dass das Parteibuch genannt wird. Die Zuschauer sollen das einordnen können.

Ich habe auch weitere Kritikpunkte, zum Beispiel, dass oft bei Straftätern nicht die Herkunft genannt wird. Ich halte das bei schweren Gewaltdelikten für notwendig. Die anderen Medien bringen das auch. Dann kann der öffentliche Rundfunk, den wir ja alle bezahlen, mit 9 Milliarden Euro im Jahr, bitte auch so sorgfältig sein wie private Medien.

Ach ja: Und ich fordere die Abschaffung des ZDF, das braucht man nicht mehr. Die vereinzelten sinnvollen Formate dort kann man problemlos anderswo unterbringen. Den Zuschauern ist doch gleichgültig, ob ein gutes Format bei diesem oder jenem Sender ausgestrahlt wird.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Schmieder, und viel Erfolg weiterhin bei Ihrem Kampf um mehr Transparenz beim ÖRR!

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von Tichys Einblick

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von Tichys Einblick zu lesen.

Weitere Artikel