
Wer konstruktiv mit Kritik umzugehen vermag, der prüft, ob und inwieweit sie berechtigt ist, und bemüht sich um Besserung. Nicht so der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Hier hatte man sich derart an die eigene unangreifbare Position gewöhnt, dass man Kritik lange unbeeindruckt an sich abperlen ließ. Schließlich war man „alternativlos“: Die Menschen konnten dem ÖRR ihr Vertrauen entziehen, aber nicht ihr Geld.
So verschliefen die Verantwortlichen, dass sich eine Publizistik von unten formierte: dezentrale Informationsplattformen, allen voran X, das durch den Willen eines einzigen Mannes zum Forum der freien Rede und der freien Information wurde.
Plötzlich muss sich der ÖRR gegenüber anderen beweisen. Und er schlägt sich nicht gut: Wer heute Spezialwissen sucht, findet in den sozialen Medien Beitragsreihen, in denen Experten Fachwissen aufbereiten. Es gibt Analysen und Einordnungen in Hülle und Fülle, zu Mainstream-Aufregern und Nischenthemen, vom Hobbygeostrategen und vom promovierten Wirtschaftswissenschaftler. Und nicht immer sind die Beiträge der professionellen Fachleute die besseren.
Zu allem Überfluss wird der ÖRR auf dieser Plattform zur Rechenschaft gezogen und der Falschinformation überführt.
Fakenews und Desinformation gibt es zwar gleichfalls, und dem Nutzer wird eine Verantwortung auferlegt, die er zuvor nicht kannte: Da jeder, der veröffentlicht, teilt und kommentiert, publizistische oder gar journalistische Aufgaben wahrnimmt, trägt plötzlich auch jeder die damit einhergehende Verantwortung. Doch gegenseitige Kontrolle und Korrektur funktionieren gerade angesichts der unüberschaubaren Masse an Nutzern und Beiträgen erstaunlich gut.
Offensichtlich haben die öffentlich-rechtlichen und auch viele Leitmedien nicht oder zu spät erkannt, dass viele Menschen mittlerweile von den qualitativen Mängeln insbesondere der Berichterstattung so frustriert sind, dass sie eher die Gefahr auf sich nehmen, mit ungefilterter Desinformation konfrontiert zu werden, als die gefilterte Desinformation zu konsumieren, die ihnen von klassischen Formaten dargeboten wird.
Anstatt sich die Kritik zu Herzen zu nehmen, schlägt der ÖRR immer heftiger um sich. Er katapultiert sich selbst aus dem Diskurs, indem er alle anderen Akteure beschimpft. War bereits die Demontage Arne Schönbohms ein Tiefpunkt öffentlich-rechtlichen „Journalismus‘“, so geriet nun mit Manuel Ostermann ein engagierter Polizist ins Visier, ebenso trifft es verstärkt auch Privatpersonen wie etwa den Youtuber Clownswelt oder den X-Account Critical Cat.
Gerade diese beiden Fälle von Bürgern, die durch ÖRR-Formate verleumdet und drangsaliert werden, stehen sinnbildlich für das Vorgehen eines Apparats, der in Delirium und Raserei verfallen ist.
Denn beide werden zur Zielscheibe, obwohl sie für gegensätzliche Prinzipien stehen: Der eine erregte Missfallen bei den Mächtigen, weil seine politische Haltung bestimmten ÖRR-Medienschaffenden nicht gefällt. Wenn du Meinungen ein Forum bietest, die wir unterdrücken wollen, bekommst du es mit uns zu tun, lautet die Botschaft. Die andere hingegen ist betont sachlich, dokumentiert journalistische Fehler – doch statt mit Dankbarkeit revanchiert sich ihr früherer Arbeitgeber SWR mit einer „Recherche“, die sie als rechte Hetzerin diffamiert.
Finanzkraft, Reichweitenstärke und Einfluss werden für gemeine Kampagnen gegen Bürger eingesetzt, die einerseits Angst verbreiten und andere davon abhalten sollen, auf Verfehlungen aufmerksam zu machen, und die andererseits all diejenigen, die nicht am Online-Leben teilhaben, über die tatsächlichen Vorgänge täuschen.
Der ÖRR gegen diejenigen, die ihn finanzieren und denen er verpflichtet ist – das gibt kein gutes Bild ab, und ein souveränes schon gar nicht: „Wer den ÖRR kritisiert, wird gern als Verschwörer, Populist oder Extremist abgestempelt. Das ist einfacher, als eigene Fehler einzugestehen. So wird aus einer ‚vierten Gewalt‘ schnell eine Festung gegen jede Form von Selbstkritik“, bringt es Jonas Müller auf den Punkt.
Er ist Gründer des ÖRR Blog, einer Plattform, die auf Fehler und Unzulänglichkeiten des ÖRR hinweist. Der ÖRR lege eine Abwehrhaltung an den Tag und diskreditiere seine Kritiker, statt sie inhaltlich zu widerlegen. Das sei kein Zeichen von Stärke, sondern von Schwäche: „Erst heißt es: ‚Wir hören die Sorgen der Bürger.‘ Dann kommt Kritik und plötzlich sind wir alle Extremisten. Seltsames Demokratieverständnis.“ Müller weist darauf hin, dass Kritik am ÖRR kein Angriff auf die Demokratie sei, sondern ein demokratisches Grundrecht. „Wer kritische Stimmen diffamiert, vergisst, dass er von den Beiträgen eben dieser Bürger lebt.“
Müller selbst könnte übrigens durchaus das nächste Opfer sein, gegen das der ÖRR seinen Apparat auffährt. Auf X stellte er fest, dass Jan Böhmermann nun seinem Account „folgt“, und kommentierte das mit lakonischem Galgenhumor: „Nächste ZDF Magazin Royale Folge geht dann wohl gegen mich und den Blog“, so Müller auf X.
Zeitgleich warfen ihm anonyme Accounts Heuchelei vor: Er sei schließlich CSU-Politiker, mache dies aber auf dem Blog nicht deutlich. Das riecht nach der Form von „Investigativ-Recherche“, der auch Critical Cat und Clownswelt unterzogen wurden.
Vor dem Hintergrund, dass am 1. Oktober am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Verfahren beginnen wird, im Zuge dessen geklärt werden soll, ob eine Kürzung des Rundfunkbeitrags wegen mangelnder und staatsvertragswidriger Leistung gerechtfertigt sei, wird verständlich, dass der ÖRR derart dünnhäutig agiert: Mangelnde Sorgfalt und Qualität sowie ideologiebedingte Manipulation könnten nun abseits von sinkenden Einschaltquoten auch finanzielle Konsequenzen zeitigen: Also versucht man mit allen Mitteln, jene zum Schweigen zu bringen, die auf diese Missstände aufmerksam machen.
Auf die naheliegende Idee, mit an die 9 Milliarden Euro Beitragsgebühren die Qualität der Sendungen zu erhöhen, kommt in den Redaktionsstuben und Intendanzetagen des ÖRR offenbar niemand.