
Nach den tödlichen Polizeischüssen auf den 21-jährigen Lorenz A. kommt es am Freitagabend in Oldenburg zu einer Gedenkkundgebung. Linksradikale Parolen schallen durch die Straßen. Angeprangert wird der vermeintlich strukturelle Rassismus der deutschen Mehrheitsgesellschaft. NIUS-Reporter Jan A. Karon schaute sich vor Ort um.
Kurz müssen sich die Teilnehmer der Demonstration daran erinnern, weshalb sie eigentlich durch die Oldenburger Innenstadt laufen. Doch als der Demonstrationszug zu leise wird, fragt ein stämmiger Einpeitscher mit schwarzem Haar an der Spitze: „Für wen?“ Daraufhin hallt der Name durch die Gasse, der Oldenburg seit einer Woche beschäftigt und die niedersächsische Stadt nicht zur Ruhe kommen lässt: „Lo-renz!“
Der Demozug setzt sich in Bewegung.
Lorenz A., 21 Jahre alt, stadtbekannt, beliebt und engagiert, starb vergangenen Sonntag durch Polizeischüsse. In der Nacht zum Ostersonntag gab ein 27-jähriger Beamter fünf Schüsse ab, von denen drei den schwarzen Mann trafen. Zuvor war Lorenz in einen Streit mit Türstehern des Lokals „Pablo’s“ geraten, hatte Reizgas versprüht, sich eine Verfolgung durch die Innenstadt geliefert und den Security-Mitarbeitern mit einem Messer gedroht. Was nach Eintreffen der Streife anschließend geschah, ist bisher unklar und wird ermittelt.
Doch schon jetzt versammelten sich am Freitag zahlreiche Demonstranten am Oldenburger Pferdemarkt. Im Vorfeld der Demonstration gingen die Veranstalter von 15.000, womöglich sogar 18.000 Demonstranten aus. Polizisten wurden darauf sensibilisiert, dass es zu Angriffen und Provokationen kommen könnte. Am Ende waren etwa 8.000 Personen dem Aufruf gefolgt, es sollte um Lorenz A., das Gedenken an ihn und um „Gerechtigkeit“ gehen.
Vor Ort geht es schon nach kurzer Zeit nicht mehr ausschließlich um „Long Live L“, wie zum Gedenken an den verstorbenen Jugendlichen gerufen wird, sondern um den Staat, die Institutionen, Rassismus, Polizeigewalt und linksradikale Folklore. Nach Redebeiträgen der Freunde von Lorenz und dem Verlesen einer Botschaft der Mutter formuliert eine Aktivistin der Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“, man wolle gegen den „strukturellen Rassismus der weißen Dominanzgesellschaft und der deutschen Polizei“ protestieren. Tödliche Polizeigewalt treffe öfter „migrantisierte Menschen, PoC, Geflüchtete und schwarze Menschen“. Es wird ein Staat beschworen, der „eine Gefahr“ für „unsere Brüder und Schwestern“ sei – und keine Gerechtigkeit herstellen könne.
Um diesen Punkt zu untermauern, werden hochkarätige Gäste der Anti-Polizei-Szene präsentiert: etwa der Bruder des 2022 in Dortmund getöteten Mouhammed Dramé, der durch Schüsse starb, nachdem er mit einem Messer vor Polizisten stand und den Anweisungen der Beamten nicht Folge leisten wollte. Oder der Bruder von Oury Jalloh, dessen Verbrennen in einer Zelle in Dessau 2005 noch immer Fragen aufwirft. In Oldenburg bewirbt Jallohs Bruder seine Initiative; eine füllige Frau eben jener schreit wenig später ins Mikrofon: „Schafft die Polizei ab!“ Kein System, „das darauf trainiert sei, unsere Brüder zu töten“, werde für Gerechtigkeit sorgen. Eine Uniform könne eine „Kultur des Todes“ nicht überdecken. Recht und Ordnung bedeuteten keine Gerechtigkeit für Afrikaner, Kolonisierte, Schwarze und Migranten.
Besonders absurd entwickelt sich die Veranstaltung, als die schwarzen Redner das linksbürgerliche und weiße Publikum dazu anhalten, afrikanische Namen und Slogans wie „Das war Mord“ nachzurufen, was immer wieder in kurzen Chören mit zivilreligiösem Charakter durch die Straßen schallt. Um Lorenz geht es da schon längst nicht mehr, sondern darum, ein deutsches „Black Lives Matter“ in einer norddeutschen Studentenstadt zu beschwören.
Insofern mutet die Demonstration vielmehr wie ein linksradikales bis afro-identitäres Zusammensein von Berufsaktivisten an, die den tragischen Tod von Lorenz A. für schwarze Identitätspolitik und Agitation gegen die Polizei nutzen wollen. Dazu passt: Im Vorfeld der Demonstration hatte etwa der Linken-Politiker Ferat Koçak von „Rassisten in Uniform“ und „Mord“ gesprochen; die Amadeu-Antonio-Stiftung, immer wieder bekannt für die Verharmlosung von Linksextremismus und gefördert vom „Demokratie leben!“-Programm des Familienministeriums, hatte geschrieben: „Ein Polizist ermordet in Oldenburg den Schwarzen Lorenz A. ‚Einzelfall‘, schreit die Polizei.“ In Deutschland herrschten „amerikanische Verhältnisse“. Der Post ist inzwischen gelöscht, aber Oldenburg wurde zum Versuch, die Forderungen von schwarzen NGOs und Anti-Polizei-Agitatoren in der Bevölkerung zu verankern.
Der inzwischen gelöschte Beitrag.
Linksbürgerlicher Protest gegen die Polizei.
Zur Demonstration hatte auch die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland aufgerufen, die allein von 2020 bis 2024 rund 1,6 Millionen Euro aus dem Familienministerium erhielt. Der Tod von A. sei „kein Einzelfall“, hieß es auch hier in einer Stellungnahme, die vom Vorstand um Tahir Della unterschrieben wurde, der auf seinem privaten Blog mit der marxistischen „Black Panthers“-Bewegung sympathisiert.
Zu einem Gesicht dieses Versuchs, „Black Lives Matter“ – also die Bewegung, die sich im Nachgang der Tötung von George Floyd gebildet hatte und in zahlreichen US-Städten Plünderungen und Zerstörung hinterließ – auf deutsche Straßen zu tragen, mausert sich derweil immer mehr Suraj Mailatafi. Der rhetorisch versierte Muslim, der sich auch bei der Grünen Jugend engagiert und auf Instagram zunehmend zu einem antirassistischen Influencer wird, formuliert am Ende der Gedenkveranstaltung: „Wir wollen uns nicht daran gewöhnen, dass Menschen und People of Color durch Polizeigewalt getötet werden.“ Man wolle keine „Vertuschung, Bagatellisierung, Verschweigen“ – so, als sei die Tötung von Migranten durch die deutsche Polizei ein Massenphänomen. Wer so spricht, verschließt die Augen vor einer Realität, in der migrantische und schwarze Personen weitaus öfter Täter als Opfer sind. „Wir brauchen eine ehrliche Debatte um Polizeigewalt in Deutschland“, so Mailatafi.
Wie diese Debatte aussehen soll, bleibt derweil fraglich. Dass die Initiative teils absurde Forderungen aus der Tötung von Lorenz A. ableitet, deutet darauf hin, dass die Erzählung schon feststeht, noch bevor die Hintergründe der Osternacht aufgeklärt sind. Und dass auf der Demonstration Parolen wie „Deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten“ oder „Ganz Oldenburg hasst die Polizei“ skandiert werden, lässt es fraglich erscheinen, dass es den Aktivisten wirklich um „Debatte“ geht. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, hier wolle man die Polizei angreifen, abschaffen oder nach eigenen Ideen umbauen.
Am Ende bleibt die Demonstration am Freitagabend weitgehend friedlich – wohl auch, weil Familie und Freunde von Lorenz A. gleich mehrfach und mit Nachdruck betonen, dass man sich Zurückhaltung wünsche. Nur an einer Stelle eskaliert die Situation: Als der Youtube-Streamer „Weichreite TV“ den Protest aufsuchen will, attackiert ihn ein Mob. Die Polizei muss den Youtuber abschirmen. Schnell formiert sich eine Polizeikette um den Streamer, der im Vorfeld der Demonstration von der Antifa geoutet worden war. Aktivisten eilen herbei und skandieren: „Jeder Nazi ist ein Hurensohn.“ Ein Mann schreit in Richtung der Beamten: „Genau hier seid ihr richtig. Eure Mutter wäre stolz auf euch.“
Diese Szenen bleiben am Freitag eine Randerscheinung – geben aber einen Einblick, wie es um die Toleranz für abweichende Meinungen bei den selbsternannten Guten bestellt ist.
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