Lorenz A. stirbt nach Polizeischüssen in Oldenburg: Welche Rolle spielt das Lokal „Pablo’s“ und die Securitys?

vor 4 Tagen

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Bildquelle: NiUS

„Du warst ein Kind dieser Stadt, Lorenz“, steht auf einem Pappschild in der Oldenburger Innenstadt. Es ist eine von vielen Beileidsbekundungen, die Menschen der 180.000-Einwohner-Stadt am Tatort in der Achternstraße hinterlassen haben. Gerichtet sind die Worte an den 21-jährigen Lorenz A., der in der Nacht zum Ostersonntag durch drei Polizeischüsse getroffen wurde und später seinen Verletzungen erlag. Seither trauert die Stadt Oldenburg – und viele Fragen sind offen.

Kurz nach 02:00 Uhr des Ostersonntags war besagter Lorenz von Türstehern des Lokals „Pablo’s“ in der Mottenstraße an der Tür abgewiesen worden, dem Vernehmen nach, weil er eine Jogginghose trug. Nach NIUS-Informationen akzeptierte der 21-Jährige, der sowohl Basketballer als auch Fußballer in Oldenburg und stadtweit bekannt war, die Zurückweisung aber nicht; es kam zu einem Wortgefecht mit den Türstehern. Dabei sollen auch Anschuldigungen seitens des später Getöteten gefallen sein, etwa dass die Abweisung mit seiner schwarzen Hautfarbe und Rassismus zu tun hätte. Zudem soll er aus Frust eine Flasche vor dem Lokal auf den Boden geschmissen haben.

Am Gedenkort wurden zahlreiche Blumen niedergelegt.

Was danach passierte, ist schwer zu rekonstruieren. In einer ersten Mitteilung der Polizei hieß es, dass Lorenz Reizgas versprühte, mehrere Personen davon leichte Verletzungen erlitten. Doch der Pfefferspray-Einsatz des 21-Jährigen war nach Informationen von NIUS vielmehr eine Reaktion auf eine Auseinandersetzung, bei dem mehrere Securitys ihn bedrängten und Gewalt androhten.

Schließlich soll Lorenz geflüchtet sein und sich unweit des Tatorts verschanzt haben; zu dem Zeitpunkt war auch die Polizei bereits alarmiert. Auch hier soll Reizgas zum Einsatz gekommen sein. Später erschoss ihn ein Polizist mit mehreren Schüssen. Die Hintergründe der Tötung emotionalisieren aktuell viele Menschen in Oldenburg und ganz Deutschland und haben das Potential, Oldenburg zum Zentrum polizeifeindlicher Proteste zu machen.

Nach NIUS-Informationen stammt aus der Zeitspanne von Lorenz’ Flucht vom „Pablo’s“ auch die Information über eine angeblich mitgeführte Waffe des 21-Jährigen. Demnach soll die Polizei von den Türstehern mitgeteilt bekommen haben, dass der Mann ein Messer bei sich trage. Als die Beamten eintrafen, ging sie nach Informationen von NIUS davon aus, dass Lorenz bewaffnet gewesen sein muss. Auch soll nach Informationen von NIUS später ein ausklappbares Messer beim Getöteten gefunden worden sein, darüber berichtet auch der Spiegel.

Die Staatsanwaltschaft hingegen teilte mit, dass der Getötete kein Messer in der Situation der Schussabgabe gegen 02:40 Uhr gezückt hatte. Unklar ist, woher diese Information überhaupt stammt. Dabei geht eine Ermittlungshypothese dahin, dass der später Getötete Türstehern gedroht haben soll, auf sie einzustechen.

Der Tatort in der Oldenburger Innenstadt.

Ohnehin wirft die Rolle der Diskothek „Pablo’s“ Fragen auf: Denn der Streit, der später im tödlichen Polizeieinsatz endete, entspann sich vor genau jenem Etablissement. Dabei soll Lorenz, so Augenzeugen, von gleich mehreren Personen bedrängt worden sein, die ihn später verfolgten. Die Türsteher stellt in dem Lokal die Firma „NW Sicherheit“, die Betreiber sollen einer kurdischen Familie angehören, die polizeibekannt ist und Verbindungen ins Gangsterrap-Milieu hat. Menschen in Oldenburg, mit denen NIUS sprechen konnte, beschreiben den Club als berüchtigt und fadenscheinig. Gegenstand der Ermittlungen dürfte also auch sein, ob die Türsteher vor Ort womöglich dazu beitrugen, dass die Polizei von einem bewaffneten (und gemeingefährlichen) Täter ausgehen musste.

Nach Informationen von NIUS hatten Securitys des Lokals noch am Sonntag ein Video auf sozialen Medien veröffentlicht, in dem der Polizeieinsatz gelobt wurde – nach einem Shitstorm wurde dieses Video gelöscht. Nun solidarisiert man sich mit dem Getöteten und seiner Familie.

Der Rapper Blackavelli zeigt sich gerne vermummt – und ist mit der Diskothek „Pablo’s“ bestens verbandelt.

Bemerkenswerterweise macht auch die Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ auf TikTok den Betreibern des Lokals „Pablo’s“ massive Vorwürfe: Demnach seien die Türsteher und die Personen, die Lorenz bedrängt und die Polizei gerufen hatten, mitverantwortlich dafür, dass er sterben musste.

Wahrscheinlich scheint indes, dass die Abweisung an der Tür, das Wortgefecht, die Konfrontation durch mehrere Securitys, der Einsatz von Pfefferspray und die anschließende Flucht ohnehin Lorenz’ Verfolgungsdruck verstärkten. Personen, die ihn kannten, sprechen davon, dass der deutsche Staatsangehörige unter Psychosen litt, über Jahre Cannabis konsumierte und eine Veranlagung hatte, sich als permanentes Opfer von Polizeiverfolgung zu wähnen.

Nach Informationen von NIUS war der 21-Jährige auch unter anderem wegen Delikten gegen das Betäubungsmittelgesetz und Körperverletzung den Behörden bekannt – und war in der Vergangenheit sogar schon dadurch aufgefallen, dass er versuchte, einen Polizeibeamten anzugreifen. Dies rechtfertigt keineswegs seine Tötung, heißt es, sei aber relevant für die Flucht Lorenz’ in der Osternacht, seine Weigerung, Anweisungen der Polizei Folge zu leisten – und die Gefahreneinschätzung der Beamten.

Weshalb der 27-jährige Polizeibeamte, der vom Dienst suspendiert wurde und gegen den wegen des Verdachts des Totschlags ermittelt wird, schließlich mehrfach von hinten auf Lorenz schoss, ist ungeklärt. Eine Version lautet, dass Lorenz erneut Reizgas versprühte – aber auch die Anweisungen, sich zu stellen, ignoriert hatte, sich umdrehen und fliehen wollte – womöglich in Richtung einer zweiten Streife –, dabei womöglich in seinen Hosenbund griff, was als Gefahr im Verzug und Griff nach der Waffe gewertet wurde. Ob ein solches Szenario den Schusswaffengebrauch, zumal gleich mehrfach und mit Schüssen auf den Kopf, rechtfertigt, erscheint dennoch fraglich. Nach Informationen von NIUS stellt man sich auch innerhalb der Staatsanwaltschaft ernsthafte Fragen, ob die Schussabgabe verhältnismäßig war. Offiziell spricht man bisher von einem „Augenblicksversagen“.

Eine Person, die den Getöteten kannte und mit Schilderungen aus der Tatnacht vertraut ist, spricht davon, dass der Fall weder ein Beleg für rassistische Polizeigewalt sei, noch für ein migrantisches Messerstecher-Szenario, das die Polizei von der Schuld freispricht. „Es ist eine unglückliche Verkettung von Umständen“, so der Mann. „Aber manchmal ist die Realität komplizierter.“

Der Fall hat unterdessen das Zeug, zu einem Politikum zu werden – und Oldenburg zu einem Zentrum massiver Anti-Polizei-Proteste. SPD- und Grünen-Abgeordnete im niedersächsischen Innenausschuss, darunter der Grüne Michael Lühmann, sehen schon jetzt massives Polizeiversagen. Zahlreiche linke Influencer instrumentalisieren den Fall, brandmarken den Polizisten als Rassisten und sprechen ihn schon jetzt schuldig. Für Freitagabend hat ein Solidaritätsbündnis zu einer Demonstration am Pferdemarkt aufgerufen, mehrere Zehntausende Personen werden erwartet, darunter auch verfassungsschutzrelevante antifaschistische Gruppierungen aus Norddeutschland.

Welchen Stellenwert der Fall hat, wird derweil daran deutlich, dass die Staatsanwaltschaft die Pressehoheit an sich gezogen hat – und nach Informationen von NIUS direkt an das niedersächsische Justizministerium berichten muss.

Die Stadt rechnet dabei auch gezielt mit Provokationen in Richtung der Beamten und sensibilisiert nach Informationen von NIUS Einsatzkräfte, Konfrontationen und unschöne Bilder zu vermeiden. Behördenintern rechnet man mit Mobilisierungseffekten, die in migrantische und links(radikale) Szenen reichen – und eine unübersichtliche Gemengelage im dicht bebauten Oldenburg, welches als Hochburg von SPD und Grünen gilt, bedeuten würde.

Das Motto der Demonstration hat indes bereits „Amnesty International“ formuliert: Auf einer Kachel der Organisation heißt es: „Black Lives Matter“ – in Anlehnung an die Tötung von George Floyd in Minneapolis im Jahr 2020 und darauf folgende landesweite Ausschreitungen von Linksradikalen, bei denen es zu Plünderungen von Läden, Brandschatzung in Städten und Angriffen auf Polizisten gekommen war.

„Black Lives Matter“. Es klingt für so manch einen Beobachter wie eine Drohung ...

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