Hühner in Windeln und halbnackte Künstler im Gotteshaus: Der Paderborner Dom wird zur Freakshow

vor 18 Tagen

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Mit der letzten Tanzperformance inklusive nackter Tiefkühlhühner, die man in Kinderwindeln gewickelt hatte, aufgeführt vor dem Altar im ehrwürdigen Paderborner Dom ist es ein bisschen wie mit der jungfräulichen Geburt von Maria: Keiner weiß so recht, wie es dazu kam, aber alle sind am Ende überrascht.

Was bisher geschah: Es sollte eine festliche Feier am 15. Mai im Paderborner Dom werden anlässlich der Eröffnung des Jubiläumsjahres „1250 Jahre Westfalen“, weswegen nicht nur lokale Politiker von Rang und Namen angereist waren, sondern auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident Hendrik Wüst. Eine Stunde lang lief auch alles recht gut, mit allerlei Festreden und Musik, dann jedoch lief alles aus dem Ruder beim Auftritt des künstlerischen Ensembles „bodytalk“, das antrat, die „Westfalen Side Story“ aufzuführen.

Es folgte eine Darbietung eines Mannes, der mit nacktem Oberkörper vor dem Altar herumtanzte und bald Gesellschaft weiterer Mitstreiter bekam, die tote nackte Hühner mitbrachten, die in Windeln gewickelt waren. Man steigerte sich gemeinsam in einen wilden Tanz um den Altar, während man sich die toten Hühner auch auf den Kopf setzte und bot dazu unter der bekannten Melodie von „Life is Life“ der Kultband Opus eine textlich umgedichtete Version dar, mit dem Refrain „Fleisch ist Fleisch, na naaaa, na na na …“.

Die verkrampft interessierten Gesichter von Wüst und Steinmeier in der ersten Reihe sprechen Bände, dort saß auch Erzbischof Dr. Udo Benz, der als Hausherr hätte einschreiten können, es aber unterließ.

Erst Julia Klöckners Kritik an der Kirche, jetzt eine bizarre Performance mit Nippeln und Tiefkühlhähnchen vor dem Bundespräsidenten im Dom zu Paderborn.Was ist los mit der Kirche in Deutschland? Ein Thread über Sakralräume und Symbolkrisen. (1/12) pic.twitter.com/CsjpOJIGGt

Gut, es hätte schlimmer kommen können. Wir können von Glück reden, dass man die Tiere nicht live als Opfergabe geschlachtet hat, um ihr Blut über den Altar zu spritzen. Erst vor wenigen Wochen trat dasselbe Ensemble in Münster zur Premiere ihres Stücks „Blutkörperchen“ auf, was die örtliche Zeitung unter dem Titel „Blutbad im Pumpenhaus“ kommentierte. Die Gruppe habe auf der Bühne mit Tänzern, die wie ferngesteuerte Tötungsroboter agierten, und einem Engel, der mit Plastikflügeln einen Teufelstanz vorführte, ein echtes Blutbad angerichtet und dabei sei nicht nur Theaterblut geflossen.

Aber auch das, was sich dem verstörten Publikum darbot, reichte aus, dass nun manche vorschlagen, der Kirchenraum müsste nach dieser Performance eventuell neu geweiht werden. Wir wollen hoffen, dass dazu nicht indianische Schamanen nachgereicht werden, sondern zum konventionellen Weihrauch gegriffen wird. Es haben bereits über 17.000 Menschen eine Petition „Gegen die Entweihung des Paderborner Domes: Für den Schutz unserer heiligen Stätten“ unterzeichnet und fordern eine klare Stellungnahme oder auch ein paar rollende Köpfe im Erzbistum Paderborn.

Der Dom in Paderborn

Man muss wissen, dass es sich bei Paderborn um ein bezauberndes, traditionell katholisches Städtchen in Westfalen handelt. Man ist stolz auf die Geschichte der Stadt, die traditionsreiche Bistumsbank hat dort ihren Sitz. Es ist der Wahlkreis des CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann, den er in diesem Milieu auch traditionell mit großer Mehrheit im Direktmandat gewinnt.

Ich hatte selbst die Freude vor einigen Jahren zum jährlichen Libori-Fest eingeladen zu sein, eines der ältesten Kirchen- und Volksfeste Deutschlands zu Ehren des Heiligen Schutzpatrons Liborius, den man vor 836 Jahren in einer feierlichen Prozession aus dem französischen Le Mans nach Paderborn brachte und der sich jetzt sicher wünscht, er wäre in Frankreich bei einem „Coq au Vin“ geblieben. Das Fest wird jährlich mit einer pompösen Heiligen Messe im überquellenden und weihrauchgeschwängerten Dom eröffnet, gefolgt von einer Prozession durch die Stadt und neun Tagen voller Kunst, Kultur und Alkohol. Nackte Hühner kennt man dort im örtlichen Hähnchengrill, aber nicht im Altarraum des Doms.

Nun ist die Empörung groß, die Veranstalter wollen von nichts gewusst haben, das Erzbistum Paderborn hat sich wortreich in einer Stellungnahme entschuldigt, sollten die religiösen Gefühle von Katholiken verletzt worden sein. Tatsächlich wurde der Festakt vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) veranstaltet, wo man zunächst behauptete, die konkrete inhaltliche Ausgestaltung des Programms sei den Verantwortlichen nicht bekannt gewesen. Später bedauerte man die „entstandenen Irritationen“. Das Erzbistum distanziert sich inzwischen und hat eine interne Überprüfung angekündigt.

Moderne Kunst vor den Augen von Staatsrepräsentanten

Dabei wäre es doch nicht so schwer gewesen für alle Verantwortlichen, sich einmal kurz über jene vorgeschlagenen Künstler zu informieren, die dort eingebunden werden sollen. Ein kurzer Blick ins Internet hätte da schon stutzig machen können. Wer in Münster auf der Bühne ein Blutbad anrichtet, hätte einen prüfenden Blick verdient. Es finden sich auch weitere Inszenierungen von „bodytalk“ – allerdings kein einziger Bühnenschnappschuss ohne verzerrte Gesichter, nackte Körper, schreiende Tänzer und Totenköpfe.

Ungeklärt bleibt bislang die Frage, wer überhaupt jemals auf den Gedanken kam, diese Performance-Gruppe sei für irgendeinen Festakt in einer Kirche geeignet. Diese Person existiert und sitzt entweder in einem Büro des Erzbistums oder beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Es ist also viel einfacher als mit der Jungfräulichkeit Mariens, dort muss man an das Eingreifen Gottes glauben, in Paderborn war es ein profaner Idiot.

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