Papst Franziskus hinterlässt ein zwiespältiges Erbe – doch in einem Punkt hatte er Recht

vor 6 Tagen

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Der Papst ist gestorben. Das stimmt und ist doch nicht die ganze Wahrheit. Gestorben ist am Ostermontagmorgen Jorge Mario Bergoglio, der sich der 266. Papst Franziskus nannte.

Jorge Mario Bergoglio wurde im März 2013 zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt.

Das heißt: Es gab 265 Päpste vor ihm. Vermutlich wird es viele Päpste nach ihm geben. Sein Tod ist keine Zäsur, kein Einschnitt, sondern der Lauf der Dinge. Päpste sind Menschen, Menschen sterben. Franziskus hinterlässt keine großen Fußstapfen, aber ein Erbe, über das in Deutschland ungern gesprochen wird.

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Franziskus forderte wie sein Vorgänger eine Entweltlichung der Kirche. Fast nirgends ist die Kirche derart verweltlicht wie in Deutschland. Manchmal erscheint die Kirche zwischen Flensburg und Traunstein wie ein Apparat, der Steuern erhebt, Immobilien verwaltet und den Glaubensverlust organisiert. Nichts war Franziskus mehr zuwider.

War Franziskus ein großer Papst? Nein. Wird man sich seiner lange erinnern? Eher nicht. Er war der erste Jesuit und der erste Argentinier auf dem Papstthron. Das sichert ihm einen Eintrag in den Annalen. Er war leutselig, spontan und machtbewusst.

Papst Franziskus war der erste Südamerikaner auf dem Papstthron.

Ein Historiker verstieg sich 2018 zu der These, es handele sich um einen „Diktatorpapst“. In dem gleichnamigen Buch heißt es: Als „cleverer Politiker“ habe Franziskus den Vatikan einer „argentinischen Diktatur alten Stils“ unterworfen.

Das mag übertrieben sein und ungerecht. Bergoglios Abneigung gegen den Kapitalismus und seine Vorliebe für einen umverteilenden Sozialstaat waren aktenkundig. Wie im argentinischen Peronismus. Franziskus war, um ein Schlagwort aufzugreifen, der Papst des globalen Südens.

Mit Antikapitalismus kann man in Deutschland immer punkten. Die Kunst der Selbstgeißelung beherrschen die Eliten des Westens perfekt. Deshalb genoss Franziskus lange eine gute Presse. Er erfreute sich des Beifalls linker Lobbygruppen, linker Politiker, linker Kirchenleute und nicht zuletzt aller Profiteure der Migration.

Ganz anders verhält es sich mit einem Papst, der darauf beharrt, Kirche müsse mehr sein als eine weltliche Organisation mit religiösen Zwecken – mehr als ein Apparat. Franziskus’ Vorgänger Benedikt kann davon ein Lied singen.

Papst Franziskus mit seinem Vorgänger Papst Benedikt im Petersdom

Als Benedikt XVI. die deutsche Kirche zur Entweltlichung ermunterte, stieß er auf taube Ohren. Das sei eben, hieß es 2011 aus den Reihen der hauptamtlichen Katholiken, die Schrulle eines konservativen Theologen und akademischen Auslaufmodells. Benedikt, der Gestrige, wünsche sich eine fromme Kirche von gestern. Die Zeit sei über ihn hinweggegangen, Kirche müsse sich vor allem sozial engagieren und mit dem Staat kooperieren.

Wie groß war die Überraschung, ja das Entsetzen, als Franziskus mit neuer Wucht in dieselbe Kerbe schlug – und sogar Benedikt zum Kronzeugen erhob! Franziskus schrieb nach eigener Aussage einen Monat lang an einem offenen Brief an die deutschen Katholiken. Der Brief erschien Ende 2019.

Darin warnte Franziskus die deutsche Kirche vor der „subtilen Versuchung“, ganz auf „vorgefasste Mechanismen“ zu setzen, auf die „Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung“ – und sich dann zu wundern, wenn der Glaubensverfall fortschreite. Nicht auf den Apparat käme es an, sondern auf die Evangelisierung, auf den Mut zur Verkündigung. Die Verweltlichung stehe der Evangelisierung im Weg. Da habe Benedikt recht gehabt.

Franziskus in seinem Papamobil auf dem Weg zu einer Generalaudienz

Das wollte in Deutschland wieder niemand hören. Hier ist man stolz auf seine Hilfswerke, Referate und Abteilungen. Noch weniger willkommen war Bergoglios Mahnung vor einer besonderen Spielart der Verweltlichung, der Protestantisierung. In einem Interview sagte Franziskus 2022: „In Deutschland gibt es eine sehr gute evangelische Kirche. Wir brauchen nicht zwei davon.“

Auch damit traf er ins Mark deutscher Gremienseligkeit. Obwohl die evangelische Kirche schneller ausblutet als die katholische, versteht das katholische Spitzenpersonal Ökumene oft als einen Weg, alles Katholische abzuschleifen.

Das Erbe von Papst Franziskus ist zwiespältig. Er konnte in seinen Einsichten klüger sein als in seiner Praxis. Er warnte vor einer Verweltlichung, die er zuweilen selbst betrieb. Etwa dann, wenn er linkspopulistischer Umverteilung das Wort redete. Oder wenn er theologisch Konservative für therapiebedürftig erklärte. Klerikalismus war das liebste Schimpfwort dieses impulsiven Klerikers.

Am Ostersonntag, nur einen Tag vor seinem Tod, spendete Papst Franziskus das letzte Mal den Segen „Urbi et Orbi“, der Stadt und dem Land.

Er wusste aber auch: Verweltlichung nutzt der Welt, nicht dem Glauben. Verweltlichung spendet keinen Trost und keine Hoffnung. Ob sein Nachfolger an diesen Teil des Erbes anknüpfen wird?

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