Parlamentswahlen in Norwegen – Wohin rückt das Land der Fjorde?

vor etwa 12 Stunden

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Seit 2021 wird Norwegen von einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung der Arbeiterpartei (Arbeiderpartiet) regiert. Doch ihr Rückhalt in der Bevölkerung ist schwach, insbesondere seitdem ihr Koalitionspartner, die liberale Zentrumspartei (Senterpartiet), im Februar dieses Jahres die Koalition verließ. Der Grund war ein Streit über die Implementierung von EWR-Richtlinien zur Energiepolitik. Norwegen gehört zwar dem EWR (Europäischer Wirtschaftsraum) an, nicht aber der Europäischen Union. Seitdem regiert die Arbeiterpartei allein das Land, obwohl sie nur 28,4 Prozent der Parlamentssitze hält.

Nicht nur deshalb ist die rechte Fortschrittspartei (Fremskrittspartiet) auf dem Weg, das stärkste Wahlergebnis der Parteigeschichte einzufahren. Die Politik der Fortschrittspartei kann als eine Art „softer“ Rechtspopulismus charakterisiert werden. Die Partei hat ein freiheitlich-konservatives Profil und ist migrationskritisch, distanziert sich aber klar vom Rechtsextremismus, womit sie den benachbarten „Schwedendemokraten“ ähnelt. Damit ist sie im norwegischen Parteispektrum die „rechteste“ Partei, ohne allerdings wie die AfD von den anderen Parteien geächtet oder isoliert zu werden.

Von 2013 bis 2020 war die Fortschrittspartei bereits Teil der norwegischen Regierung unter Führung der Konservativen Partei (Høyre, wörtlich zu Deutsch „Rechte“), trat dann aber aus der Koalition aus, nachdem sich die Regierung dazu entschlossen hatte, einer pakistanischen IS-Anhängerin mit norwegischem Pass und ihren Kindern aus einem syrischen Flüchtlingslager die Einreise nach Norwegen zu ermöglichen. Die Fortschrittspartei lehnte das ab und schied im Streit aus der Regierung aus. Allerdings blieben ihre Minister noch bis zum Ende der Legislaturperiode administrativ im Amt, da das norwegische Gesetz keine vorgezogenen Parlamentswahlen erlaubt.

Angeführt wird die Partei durch die 47-jährige ehemalige Lehrerin Sylvi Listhaug. Sie ist ein Urgestein der norwegischen Politik und hatte bereits während der letzten Regierungsbeteiligung der Fortschrittspartei verschiedene Ministerposten inne. Ihre meisten Wähler findet die Partei an der Süd- und Westküste des Landes, in Regionen, die traditionell als konservativ gelten. Im Gegensatz dazu ist die Arbeiterpartei vor allem im industriell und landwirtschaftlich geprägten Zentrum des Landes stark. In der Hauptstadt Oslo dominiert interessanterweise die Konservative Partei, auch die liberale Zentrumspartei ist dort überdurchschnittlich stark vertreten, doch auch diese wird als Konsequenz aus dem Regierungsaustritt wohl kräftig Stimmen verlieren und ihr Ergebnis von knapp 14 auf rund 7 Prozent halbieren.

Momentan liegt die Fortschrittspartei in den Umfragen bei rund 23 Prozent der Stimmen. Damit würde sie ihr Ergebnis von der letzten Parlamentswahl, im Jahr 2021, mehr als verdoppeln. Auch ihr bisher stärkstes Wahlergebnis von 22,9 Prozent, aus dem Jahr 2009, würde sie damit überbieten. Doch auch die sozialdemokratische Arbeiterpartei hat sich in den Umfragen erholt. Sie liegt bei knapp über 26 Prozent und wäre somit die stärkste Partei, noch vor der Fortschrittspartei. Großer Verlierer der Wahl wäre die Konservative Partei, die in den Augen vieler Wähler als zu beliebig wahrgenommen wird. Damit teilt sie ein Schicksal mit vielen anderen konservativen und christdemokratischen Parteien in Europa, die in Ermangelung eines klaren Profils in die Bedeutungslosigkeit versinken.

Unter anderem strebt die Konservative Partei den EU-Beitritt Norwegens an, was hingegen die Fortschrittspartei scharf ablehnt. Diese kritisiert sowohl die maßlose Bürokratie der EU als auch ihre Übergriffigkeit in Bezug auf die nationale Souveränität der Mitgliedstaaten. In dieser Hinsicht stellt sich auch die Frage bezüglich möglicher Koalitionsoptionen nach der Wahl, denn sowohl die Arbeiterpartei als auch die Fortschrittspartei müssten, sofern sie nicht miteinander koalieren, was als äußerst unwahrscheinlich gilt, sowohl mit der voraussichtlich stark geschwächten Konservativen Partei als auch der ebenfalls geschwächten Zentrumspartei koalieren, um eine Mehrheitsregierung bilden zu können. Unter diesen Umständen scheint die Bildung einer Minderheitsregierung nach der Wahl am 8. September am wahrscheinlichsten, zumindest wenn der norwegische Wähler in den kommenden zwei Wochen nicht seine Präferenzen ändert.

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