
Sind die Grünen im vergangenen September nur durch einen Auszählungsfehler in den Sächsischen Landtag eingezogen? Mit 5,1 Prozent der Stimmen war ihr Ergebnis denkbar knapp. Ein Informatiker aus Dresden behauptet: Der Verlauf der veröffentlichten Auszählungsergebnisse enthält Unstimmigkeiten. Bereits kurz nach der Wahl wies er den Landeswahlleiter darauf hin, doch dieser sagt: Die veröffentlichten Zwischenstände dienen lediglich der „groben Orientierung“.
Die Screenshots, die der Informatiker NIUS zur Verfügung gestellt hat, zeigen die Zwischenergebnisse, die am Abend des 1. September zu verschiedenen Zeitpunkten veröffentlicht wurden.
22.48 Uhr: 71 Prozent der Listenstimmen und damit 412 Gemeinden sind ausgezählt. Einige ländliche Bezirke sind noch offen, Leipzig ist fast vollständig ausgezählt, nur ein Wahlkreis fehlt. Die Grünen stehen bei 3,7 Prozent.
23:20 Uhr: 96 Prozent der Stimmen und damit 431 Gemeinden sind ausgezählt. Mehrere Wahlkreise in Leipzig sind plötzlich wieder nicht ausgezählt, dazu kommen zwei Wahlkreise in Dresden. Bei zwei Kreisen in Leipzig Land ist das Wahlergebnis noch unvollständig. Die Grünen stehen immer noch bei 3,7 Prozent.
23.33 Uhr: Nun sind plötzlich wieder nur noch 93 Prozent der Stimmen und damit 429 Gemeinden ausgezählt. Leipzig ist nun vollständig ausgezählt, deshalb ist nachvollziehbar, dass die Prozente der Grünen gestiegen sind – sie beziehen ihre Stimmen vor allem aus Leipzig und Dresden, der ländliche Raum spielt kaum eine Rolle. Auch in Leipzig Land ist ein Wahlkreis nun vollständig und geht an die AfD.
Auffällig allerdings: In Dresden sind plötzlich wieder fünf weitere Wahlkreise offen – obwohl es zuvor nur zwei waren. Die Grünen stehen bei 4,5 Prozent.
Als schließlich alle 435 Gemeinden ausgezählt sind, haben die Grünen 5,1 Prozent der Stimmen erhalten.
Doch: Warum wurden gerade die Wahlkreise in Dresden und Leipzig – also solche, in denen die Grünen besonders stark sind, zeitweise zurückgezogen und als nicht ausgezählt angegeben?
Hinzu kommen weitere Ungereimtheiten. Mit einem selbst geschriebenen Programm hat der Informatiker getestet, wie die Ergebnisse zustanden gekommen sein könnten. Er sagt: Es existiert keine Kombination von 431 Wahlkreisen, bei denen die Grünen einen Stimmanteil von 3,7 Prozent erhalten könnten. Das Ergebnis sei mathematisch unmöglich, der „dichteste“ Annäherungspunkt an das Ergebnis liege bei 3,94 Prozent. Wären diese 0,24 Prozent tatsächlich falsch berechnet worden, würden die Grünen mindestens ein Prozent verlieren – und wäre damit nicht im Landtag vertreten.
Zudem, so der Zahlen-Experte zu NIUS, sei die Zunahme der Grünen-Stimmen um 0,8 Prozent, wie beim Rückgang von 431 auf 429 ausgezählte Wahlkreise geschehen, nicht möglich. „Da mir nicht bekannt ist, in welcher Reihenfolge die Wahlkreise ausgezählt wurden, habe ich auf Basis des offiziellen vorläufigen Ergebnisses eine Näherungsrechnung erstellt und die Gemeinden bestimmt, die den größten negativen Effekt auf den relativen Stimmanteil der Grünen haben. Da wäre Zwickau mit 3 und Vogtland mit 1 Prozent. Bei keiner angenommenen Konstellation ist es möglich, über die Herausnahme der beiden Gemeinden den Anteil der Grünen von 3,7 Prozent bei 431 Gemeinden auf 4,5 Prozent bei 429 Gemeinden zu erhöhen.“
Bereits kurz nach der Wahl wies der Informatiker den Landeswahlleiter schriftlich auf die Diskrepanz hin. Doch er erhielt keine Antwort, legte deshalb Einspruch beim Landeswahlausschuss des Sächsischen Landtags ein.
Der Bild gegenüber erklärte dieser: „Die Angaben der Wahlpräsentation zum Auszählungsstand sind grobe Orientierungen und deshalb keine belastbare Grundlage für Berechnungen. Zum konkreten Einzelfall erfolgt mit Blick auf das laufende Verfahren keine weitergehende Stellungnahme.“
Die Wahl in Sachsen musste bereits am Tag nach der Wahl korrigiert werden: CDU und AfD hatten je einen Sitz weniger erhalten als zunächst errechnet, während SPD und Grünen ein Sitz mehr zustand. Grund für die Korrektur sei ein Softwarefehler gewesen, der eine „falsche Sitzzuteilung“ veröffentlicht hatte.
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