
Eigentlich müsste der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) Katharina Schmieder dankbar sein. Denn mit ihrem X-Account Critical_Cat weist sie auf handwerkliche Fehler hin, die sich ein Apparat wie der ÖRR eigentlich nicht leisten darf:
Gern lässt man dort den „einfachen Bürger“ zu Wort kommen. Löblich. Allerdings entpuppt sich dieser allzu häufig als Parteimitglied, politischer Amtsträger oder gar ÖRR-Mitarbeiter – ohne als solcher gekennzeichnet zu werden. Schmieder, die selbst beim SWR tätig war, deckt solche Nachlässigkeiten unermüdlich auf: Wenn wieder einmal am Rande einer Demonstration ein „zufällig vorbeikommender Passant“ oder in einer Talkshow der zufällige Studiogast sein Statement abgibt, veröffentlicht sie die Information, welches Amt, welche Funktion die Person innehat. Information, die eigentlich der ÖRR dem Zuschauer bereitstellen müsste – sachlich, ohne Wertung, nur Fakten.
Ostentativ problematisiert die Sendung die Bereitstellung der Daten durch Schmieder. Die wehrt sich: „Ich zeige keine persönlichen Daten, sondern Screenshots öffentlicher Profile und Zeitungsartikel. Das sind öffentlich einsehbare Informationen“, betont Schmieder gegenüber TE.
Damit der gegenteilige Eindruck entsteht, bedient sich der SWR durchgängig einer eklatanten Diskrepanz zwischen Bild und Text: Eingeblendet werden öffentlich zugängliche Informationen, der eingespielte Kommentar besagt, es handle sich um private Daten. Dem Zuschauer fällt das kaum auf. Er verlässt sich auf eine korrekte redaktionelle Einordnung der gezeigten Inhalte.
Man kann davon ausgehen, dass er bei seinen Zuschauern damit durchkommt – gemäß ihrer Altersstruktur werden viele von ihnen nur eingeschränkt an der Internetöffentlichkeit teilhaben. Sie bekommen nicht mit, dass es der ÖRR ist, der private Daten, die nicht von öffentlichem Interesse sind, offenlegt, und sie gleichzeitig über private Daten, die dagegen von öffentlichem Interesse sind, täuscht.
Unfreiwillig komisch ist denn auch der Titel der Sendung: „Plötzlich Hassobjekt“ – das ist in erster Linie Schmieder selbst, die dem ÖRR ein Dorn im Auge ist. Und wie um ihre Kritik zu bestätigen, strotzt auch dieses Machwerk vor handwerklichen Fehlern.
Fast neun Milliarden Euro nimmt der öffentlich-rechtliche Medienapparat durch den Rundfunkbeitrag ein. Geld, dass die Einwohner des Landes zahlen müssen, um ein ausgewogenes, unabhängiges Informationsangebot sicherzustellen.
Diese neun Milliarden Euro reichen aber offensichtlich nicht aus, um sicherzustellen, dass beim ÖRR Journalisten beschäftigt werden, die den grundlegenden Umgang mit dem Internet beherrschen: Datenjournalistinnen untersuchen in „Plötzlich Hassobjekt“ unter anderem den X-Account von Schmieder. Aber: Die gezeigten Daten stimmen nicht. „Angeblich folge ich 5270 Accounts. Das ist falsch, ich folge 274 Accounts und bin nie mehr Konten gefolgt, als hier suggeriert wird.“
Ein an sich unmöglicher Fehler: Wer auf den Account klickt, sieht auf den ersten Blick, wie vielen Nutzern man folgt. Dies wird abfotografiert, in der Postproduktion ins Bild eingefügt. Man muss schon Übermenschliches leisten, um hier einen Fehler zu platzieren. Dem „SWR-Data-Lab“ gelingt es.
Wenige Stunden nach Veröffentlichung muss die Sendung bereits überarbeitet werden, der Fehler wird in Minute 7:18 klammheimlich korrigiert, ohne Hinweis natürlich. Nicht aber in Minute 8:27. Da ist der Fehler auch einen Tag später noch im Bild.
Screenshots: ARD-Mediathek
Zufall ist dieser Mangel an Sorgfalt nicht. Schmieders Account zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht in erster Linie interagiert, sondern Informationen bereitstellt. Daraus erklärt sich die niedrige Anzahl von Konten, denen sie „zurückfolgt“. Die verantwortliche Journalistin Tasnim Rödder aber möchte eine Geschichte erzählen über „rechte“ Netzwerke. Netzwerke funktionieren über Verflechtung. Um dieses Märchen glaubhaft machen zu können, muss sie also suggerieren, dass Critical_Cat mit vielen anderen in wechselseitiger Verbindung stünde. Zufälligerweise also eine Falschinformation, die der Aussageabsicht der „Investigativjournalistin“ gelegen kommt.
Schmieder wird angekreidet, wer ihr folgt, es werden Überschneidungen der Followerschaft mit dem „Influencer“ Tim Kellner sichtbar gemacht – nicht „Timm“, wie fälschlich eingeblendet. Dieser wird als „unheimlich reichweitenstark“ beschrieben, wodurch er „enorme Macht“ habe. Auf X hat er aber „nur“ gut 170.000 Follwer. Critical_Cat hatte um die 26.000, bereits einen Tag nach Ausstrahlung der Sendung 34.000 – das ging wohl nach hinten los.
Das SWR-Rechercheteam zeigt damit selbst, dass die rechte Bedrohung, die hier an die Wand gemalt wird, eine Erfindung ist. Dennoch behauptet der SWR im Ergebnis: Man habe „Drahtzieher“ rechter Shitstorms entlarvt. Eine klare Verleumdung.
Die Zielgruppe der Sendung sind eindeutig Zuschauer, die nicht in den sozialen Medien aktiv sind: Auf X völlig normale Vorgänge werden skandalisiert.
Doch solche Desinformation reicht den Machern der Sendung nicht. Dass Schmieder für Nius tätig war, wird erwähnt, dass sie auch beim SWR selbst gearbeitet hat, wird unterschlagen. Denn das würde sie ja erstens als „Qualitätsjournalistin“ ausweisen, zweitens wird so verschleiert, dass man hier eine ehemalige Kollegin anschwärzt.
Professionalität, die dem SWR offenbar abgeht. Der hat sich immer noch nicht dazu geäußert, wie Rödder an die Privatadresse der ehemaligen Mitarbeiterin kam.
Dass Schmieder dem SWR zuvorkam und ihre Identität hinter Critical_Cat sowie die fragwürdige Kontaktaufnahme öffentlich machte, wird genannt – allerdings ohne Kontext: Critical_Cat war nie ein anonymer Account im strengen Sinn: „Wie den Artikeln bei der JF, bei Tichys Einblick und Apollo zu entnehmen ist, stelle ich klar, dass ich mich nicht verschanze, sondern Journalistin bin, die mit ihrem Namen zu den Inhalten steht“, so Schmieder.
Falschinformation und Auslassung – die Trias der journalistischen Fehlleistung wäre nicht komplett ohne Verzerrung, wo scheinbar Fairness herrscht: wenn die Betroffene selbst zu Wort kommt. So werden Äußerungen Schmieders eingespielt, allerdings so gekürzt, dass der Sinn ihrer Tätigkeit nicht verständlich wird. Beim SWR geht das so:
„Critical Cat macht vor allem eins: Sie recherchiert und teilt Details zu Menschen, die sich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk äußern“, so Rödder, bevor Schmieder selbst eingespielt wird. Das ist bereits eine grob verzerrende Einführung: Es wird der Eindruck erweckt, dass es willkürlich „jeden treffen“ könne. „Da wird suggeriert, dass es private Leute wären. Es sind aber Personen des öffentlichen Lebens, überwiegend Politiker, Rundfunkräte und so weiter“, so Schmieder, die angesichts dieser Angriffe vollkommen sachorientiert bleibt.
Doch nun darf sie sich erklären, scheint es: „Ich kritisiere den ÖR dafür, dass Politiker im Programm auftauchen und politische O-Töne machen auf Demos und in Talkshows. Und Politiker sind Personen des öffentlichen Lebens und Politiker wollen gewählt werden. Und ich denke, dass es halt ein Unding ist, dass der ÖR dann die Tatsache unterschlägt, dass diese Leute gewählt werden können.“
Ohne Kontext wirkt es so, als störe sich Schmieder daran, dass Politiker im ÖRR zu Wort kämen, so, als würde sie dies bereits als Propaganda betrachten. Der Kern, dass diese auch als Politiker gekennzeichnet werden müssen, schwingt zwar mit, ist aber nur im Zusammenhang des Originaltons und des Sachverhalts erkennbar. Genau den hätte die Journalistin in ihrer Einführung deutlich machen müssen, damit man das folgende Zitat korrekt einordnen kann.
Dieses Vorgehen ist ganz besonders perfide, da Aussagen des Betroffenen genutzt werden, um ihn falsch darzustellen. Schmieder will sich dagegen nun wehren.
Im Grunde ist diese Sendung keine Dokumentation über Hass im Netz, sondern über Hass im ÖRR: Darüber, wie agitatorisch geschickt und zugleich journalistisch inkompetent ein öffentlich alimentierter Medienbetrieb seine Macht und seine Mittel einsetzt, um zu lügen. Wie er Menschen, die sich gegen Desinformation engagieren, zu diskreditieren sucht.
Die Botschaft ist klar: Wer sich mit dem ÖRR anlegt, gerät ins Fadenkreuz. „Denen scheint nicht ansatzweise klar zu sein, welch fulminantes Eigentor das ist“, kommentiert Schmieder diese Selbstoffenbarung.