Knappes Ergebnis in Polen: Konservativer Nawrocki sieht sich als Wahlsieger

vor 14 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Wie mehrere große polnische Medien – darunter Rzeczpospolita und Onet.pl – unter Berufung auf die Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen berichten, erhielt Nawrocki rund 51 Prozent der Stimmen. Die nationale Wahlkommission bestätigte diesen Trend in der Nacht zum Montag.

Schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen lagen Nawrocki und Trzaskowski dicht beieinander: Der Warschauer Bürgermeister Trzaskowski erzielte damals 31 Prozent, der parteilose Historiker Nawrocki 30 Prozent. In Umfragen vor der Stichwahl sah es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus – mit einem hauchdünnen Vorsprung für Trzaskowski, der mit 50,1 Prozent gegenüber Nawrockis 49,9 Prozent vorne lag.

Umso überraschender der aktuelle Ausgang: Nawrockis Sieg galt lange als unwahrscheinlich. In der Stichwahl mobilisierte der politische Quereinsteiger (42) jedoch große Teile des konservativen Lagers. „Wir werden gewinnen und Polen retten“, hatte Nawrocki am Wahlabend betont – und versprach, die Politik Donald Tusks zu stoppen. Der ehemalige Boxer zeigte sich kämpferisch, präsentierte sich als Mann des Volkes – und nutzte dabei seine Nähe zur nationalen PiS-Partei, die auch seinen Wahlkampf unterstützte.

Die Wahlbeteiligung war mit 72 Prozent außergewöhnlich hoch – ein Rekord bei Präsidentschaftswahlen in Polen. Auch das zeigt, wie richtungsweisend diese Wahl für viele Wähler war. Der Ausgang dürfte weit über Polen hinaus Bedeutung haben.

Die Präsidentschaftswahl war nicht nur ein nationales Kräftemessen zwischen liberal und konservativ, sondern auch ein möglicher Wendepunkt für Europas politische Balance. Ein Sieg Trzaskowskis hätte Regierungschef Donald Tusk und seinem pro-EU-Kurs Auftrieb verliehen. Tusk will Polen stärker an die EU anbinden, die Justiz im EU-Sinne „reformieren“ und das Abtreibungsrecht „liberalisieren“. Doch Nawrockis Sieg bedeutet, viele dieser Vorhaben dürften auf deutlichen Widerstand stoßen.

Ähnlich wie sein Vorgänger Andrzej Duda steht Nawrocki für eine konservative Agenda. Er gilt als Kritiker „liberaler“ Gesellschaftspolitik, lehnt eine Lockerung des Abtreibungsverbots ebenso ab wie die Anerkennung von LGBTQ-Rechten. Aussagen, in denen er ukrainischen Flüchtlingen vorwarf, sich „an Polen zu bereichern“, ergänzen sein Bild. Auch zur Nato-Erweiterung bezog Nawrocki klar Stellung: Ein Beitritt der Ukraine sei für ihn nicht vorstellbar. Damit könnte sich Polens bisherige klare Unterstützung für Kiew im Ukraine-Krieg abschwächen.

Nawrocki sucht außenpolitisch Nähe zu den USA – besonders zu Präsident Donald Trump, den er mehrfach bewunderte. Während des Wahlkampfes traf er Trump persönlich in Washington; auch US-Heimatschutzministerin Kristi Noem sicherte ihm öffentlich Unterstützung zu: „Er muss der nächste Präsident werden.“

Rafał Trzaskowski (53), ein erfahrener Politiker, ehemaliger EU-Abgeordneter und Bildungsminister, war der Hoffnungsträger der liberalen Kräfte. Er versprach eine Öffnung Polens im EU-Kommissions-Sinne, mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine Reform des Erbes der PiS-Regierung. „Ich werde ein Präsident sein, der verbindet“, sagte er am Wahlabend. Besonders bei Frauen und gebildeten Wählern konnte Trzaskowski punkten: Laut Exit-Polls erhielt er 54,2 Prozent der Frauenstimmen und über 60 Prozent der Stimmen von Akademikern. Doch gegen Nawrockis populären Stil und die Mobilisierung des ländlichen, konservativen Lagers reichte es nicht. Mehr als 73 Prozent der Wähler mit einfachem Schulabschluss stimmten für Nawrocki.

Mit Nawrockis Wahlsieg droht eine neue Belastungsprobe im Verhältnis zwischen Warschau und Brüssel. Experten warnen, dass es erneut zu Konflikten um Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Justizreformen nach EU-Kommissions-Verständnis kommen könnte – Themen, die bereits unter Präsident Duda für Spannungen mit der EU sorgten. Sicher ist: Nawrockis Präsidentschaft markiert eine Zäsur – für Polen und für Europa.

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