
Der polnische Premierminister Donald Tusk und seine Bürgerkoalition (KO) stellen weiterhin die Gültigkeit der Wahl des Kandidaten der oppositionellen Konservativen (PiS), Karol Nawrocki, bei den polnischen Präsidentschaftswahlen im Frühjahr in Frage, obwohl sie von ihren Koalitionspartnern keine Unterstützung bekommen.
Zu den jüngsten Vorstößen gegen die Einsetzung Nawrockis als Präsident gehört der von Justizminister Adam Bodnar: In einem Schreiben an den Parlamentspräsidenten Szymon Hołownia listet er Mängel bei der Bestätigung des Wahlergebnisses durch den Obersten Gerichtshof auf, weist zudem auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Durchführung der Wahl in rund 250 Wahlbezirken sowie die Anklagen gegen den Obersten Richter des Obersten Gerichtshofs hin.
Nawrocki besiegte Rafał Trzaskowski von der Tusk-Koalition mit einem Vorsprung von 370.000 Stimmen bei einer Gesamtzahl von 21 Millionen abgegebenen Stimmen (51 zu 49 Prozent). Anschließend forderten einige Mitglieder der KO eine Neuauszählung der Stimmen, da es in etwas mehr als einem Dutzend Wahlbezirken nachweislich zu Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung gekommen war.
Die Aufsichtskammer des Obersten Gerichtshofs prüfte alle eingereichten Proteste und entschied am 1. Juli, dass die Vorfälle das Gesamtergebnis der Wahl in keiner Weise beeinflusst haben. Die Regierung erklärte jedoch, sie erkenne diese Kammer nicht als rechtmäßiges Gericht an. Dies liege daran, dass sie während der Justizreformen der letzten PiS-Regierung ernannt worden sei, von denen viele von europäischen Gerichten in Frage gestellt worden seien.
Hołownia entschied am 7. Juli, dass er die Parlamentssitzung, in der Nawrocki den Amtseid ablegen soll, für den 6. August einberufen werde, an dem Tag, an dem der derzeitige PiS-nahe Präsident Andrzej Duda seine zweite und letzte Amtszeit beendet. Die Regierung hat es bisher versäumt, die Ankündigung des Parlamentspräsidenten im Gesetzblatt des Landes zu veröffentlichen, was die Entscheidung von Hołownia allerdings nicht ungültig macht.
Bekannt wurde zudem, dass Hołownia, der die Partei Polen 2050 (eine der Parteien in Tusks Koalition) führt, sich zuvor mit PiS-Chef Jarosław Kaczyński getroffen hat. In diesen Gesprächen soll er Tusk gegenüber seine Frustration darüber zum Ausdruck gebracht haben, dass auf ihn Druck ausgeübt wurde, die Vereidigung von Nawrocki zu verschieben.
Tusks andere Koalitionspartner, die Polnische Volkspartei und die Linkspartei, geben zu Protokoll, dass sie das Wahlergebnis akzeptieren und dass Nawrocki Präsident werden wird.
Die KO ist in den Meinungsumfragen hinter die PiS zurückgefallen, und sowohl die Umfragewerte der Regierung als auch die von Tusk haben sich verschlechtert, was zu Spekulationen darüber geführt hat, ob er bei den Parlamentswahlen im Jahr 2027 noch Ministerpräsident sein wird.
Am 17. Juli veröffentlichte Bodnar seinen Brief an Hołownia, in dem er eine Liste von Unregelmäßigkeiten auflistete, die seiner Meinung nach bei der Bestätigung des Wahlergebnisses durch den Obersten Gerichtshof aufgetreten sind. Er wiederholte die Ansicht der Regierung, dass die Kammer nicht legitimiert sei, und fügte hinzu, dass sie es versäumt habe, die eingereichten Proteste gegen das Wahlergebnis angemessen zu prüfen. Er beklagte auch die mangelnde Zusammenarbeit mit der Generalstaatsanwaltschaft während des gesamten Prozesses.
Bodnar informierte den Parlamentspräsidenten auch über die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft in rund 250 Wahllokalen Ermittlungen über den Ablauf der Wahl durchführt und dass dabei auch die Stimmen neu ausgezählt werden.
In einem weiteren Schritt kündigte Bodnar am 16. Juli an, dass er den Obersten Gerichtshof und den Staatsgerichtshof [das Gremium, das für die Beurteilung von Verstößen gegen die Verfassung durch Staatsbedienstete zuständig ist] um die Aufhebung der richterlichen Immunität der Obersten Richterin des Gerichtshofs, Małgorzata Manowska, ersuchen werde. Die Anklagen beziehen sich auf drei mutmaßliche Verstöße im Zusammenhang mit dem Abhalten von Sitzungen ohne das erforderliche Quorum, der angeblichen Nichteinberufung einer Sitzung des Staatsgerichtshofs und der angeblichen Weigerung, einen Richter des Obersten Gerichtshofs wieder einzustellen, der durch die von der Regierung nicht anerkannten Disziplinarkammer des Gerichts suspendiert worden war.
Als Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs hat Manowska kürzlich die Forderung der Tusk-Regierung abgelehnt, die Bestätigung der von Nawrocki gewonnenen Präsidentschaftswahlen der Aufsichtskammer dieses Gerichts zu entziehen, da diese noch zu Zeiten der letzten PiS-Regierung eingerichtet und besetzt worden war. Sie argumentierte, dass dies rechtlich nicht möglich sei, da das Gesetz vorschreibe, dass die Wahl von der Aufsichtskammer bestätigt werden müsse, und keine Möglichkeit vorsehe, eine andere Kammer oder das gesamte Gericht mit dieser Aufgabe zu betrauen.
Seit dem Machtverlust der PiS Ende 2023 hat Manowska die Maßnahmen der Regierungskoalition kritisiert, zum Beispiel die Versuche, die von Duda ernannten Richter zu beseitigen, und die Weigerung der Regierung, Entscheidungen des Verfassungsgerichts und des Nationalen Rates der Justiz anzuerkennen. Sie nannte dieses Verhalten „eine Verletzung der Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung“.
Am 17. Juli erstattete Manowska Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, weil die Regierung die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Bestätigung der Wahl mit dem Vermerk veröffentlicht hatte, dass die Entscheidung im Sinne des europäischen Rechts von einer nicht als Gericht anerkannten Stelle stamme. Dies sei eine „unrechtmäßige Einmischung der Exekutive und ein dreister Angriff auf die Unabhängigkeit des Obersten Gerichtshofs“, so Manowska.
Sie fügte hinzu, dass das Gesetz, das die Veröffentlichung solcher Akten regelt, keine Ergänzungen zulässt. Daher sei der Vermerk ein „offensichtlicher Verstoß“ und stelle einen kriminellen Machtmissbrauch durch einen Beamten dar, der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werde.
Manowska argumentierte auch, dass die europäische Rechtsprechung zur Kammer „keinen inhaltlichen Bezug“ zu der fraglichen Entschließung habe, da die Entscheidung über die Gültigkeit der polnischen Präsidentschaftswahlen nach den Verträgen der Europäischen Union nicht in die Zuständigkeit der europäischen Gerichte falle.
Dieser aus dem Englischen übersetzte Beitrag ist zuerst bei Brussels Signal erschienen.